12 Punkte für die Diskussionsveranstaltung: »Wie funktioniert der Antikapitalismus der Nazis?« am 29.4.2007 in Frankfurt

Kritik am Aufruf gegen die »Antikapitalismus – Kampagne« der NPD

Nur zur Vorbereitung. Vorläufige noch mangelhafte Fassung.

 

1.
gut, dass Ak nicht in  Anführungszeichen. Nun richtig begründen / definieren!

2.
(Warum zuerst? Aufhänger der Spruch: »Der Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen«:) NS-Ak eine »moralisierende«  »Kritik« ? Vielmehr »mündet« der NS doch in Vernichtung aller Moralität (bis auf die rassist. Kampfmoral »Ehre ... Treue«, Himmlers »Anständigkeit«). Es gibt eine moralisierende »Kritik« des Ak, aber gerade nicht des NS. Dieser nutzt jene nur aus für seine Verkehrung in »Alles ist erlaubt, was dem Prolet-Arier nützt.« [F.Neumann-Zit.: »Prolet-Arier« ist die Erfindung des NS, mit dem er die proletarische Weltrevolution umkehrt in die völkisch-antiplutokratische Front]

3.
»Der Kapitalismus« ist eben selbst kein (angemessener) Begriff für das Kapitalverhältnis & die Kpw (Unterschied zwischen Antikapitalismus  und Kapitalismuskritik, sowie Kapitalismuskritik und Kritik der gesellschaftlichen Hau(s)ordnung),  »er« ist nur die begriffslose Vorstellung / Formel für »ein bestimmtes Verhalten der Menschen in der Produktion ihres Lebens zueinander«.

Begriffen kann die kapitalistische Produktionsweise erst werden , wenn ihre innere Struktur transparent gemacht wird: als ein fetisch-artiges Verhältnis zwischen den Produzent_innen, nämlich ein sachlich-dingliches Verhältnis zwischen Personen und gesellschaftliches Verhältnis von Sachen (MEW23:S.86). Diese »Kerngestalt« der kapitalistischen Warenproduktion, die Wert- und Warenform selbst, ist deshalb zu einer ganzen komplexen Produktionsweise verallgemeinert, weil die menschliche Arbeitskraft selbst im allgemein weltgesellschaftlichen Maßstab zu einer Ware geworden ist. Um die ständig erweiterte Reproduktion dieser gesellschaftlichen Arbeitsform sind damit weitere Fetischgestalten entstanden, die in der politischen Ökonomie als Trinitarische Form bezeichnet worden sind: die Lohnarbeit, die Grundrente und das zinstragende Kapital erscheinen einerseits als selbständige dingliche »Faktoren« von Natur aus jeder Ökonomie, als Wertproduzenten jede auf ihre Weise; zugleich erscheinen sie in ihren persönlichen Trägern Revenue(=Einkommens-)-Beziehern (also Lohnarbeitern, Grundbesitzern und Bankeignern) personifiziert. Diese fetischisierende Anschauung und Theorie ist die klassische, liberalistische. Dagegen gibt es nun längst eine gründliche wissenschaftliche Kritik der politischen Ökonomie, die von Marx begonnen wurde, um diese Fetischformen zu analysieren und Ware, Geld und Kapitalverhältnis zu entmystifizieren, damit die Gesellschaft durch bewusste und planvolle Gebrauchswerteproduktion vernünftig ihre wachsenden Bedürfnisse befriedigen kann. Dagegen gab und gibt es aber auch einen diffusen Antikapitalismus -- auf links und auf rechts. Wie geht er mit der fetischistischen Verkehrung von persönlichen und dinglichen gesellschaftlichen Verhältnissen um?  Bei linken wie bei rechten Kapitalismuskritikern werden die Fetischisierungen festgeklopft und das, was sie als »den Liberalismus« oder »Neoliberalismus« bezeichnen und zum Wesen des eigentlichen Kapitalismus erklären, auf jeweils einem dieser beiden fetischistischen Pole eliminiert:

Der rechte, insbesondere nationalsozialistische Antikapitalismus personifiziert auf verkehrte, tendenziell eliminatorische Weise die spezifischen Eigentumsverhältnisse. Für ihn sind am Kapitalismus, sprich Liberalismus, zugespitzt auf das zinstragende Kapital und »das Geldsystem als Zinssystem«, die Geldmenschen schuld, zugespitzt auf die zinsnehmende »nomadische« Bankenmacht, damit wird mehr oder weniger offen die Projektionsfigur des »Weltjudentums« bezeichnet. Der linke Antikapitalismus fixiert sich nicht dermaßen eindeutig und wahnhaft paranoid auf den personifizierten Pol der fetischistischen Gesamtstruktur, sondern rutscht auf einem breiten Spektralband zwischen der Personifizierung und der Versachlichung der gesellschaftlichen Verhältnisse herum: so ungefähr zwischen Beschuldigung der »Großen Tiere«, der weltwirtschaftlichen Gipfelgrößen, und dem Angriff auf die Insignien der »Bankenmacht«.

Der Unterschied ums Ganze zwischen linkem und rechtem Ak bleibt allerdings der, dass die Linke seit es sie gibt für die Durchsetzung der bürgerlichen Werte gegen die Realität der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft kämpft: sie will »das Licht ohne den Schatten« haben (MEW 42), sie will durch FreiheitGleichheitGeschwisterlichkeit und Demokratie, d.h. durch die politische Revolution, endlich auch die ganze, reine, soziale Menschlichkeit verwirklichen. Das ist idealistisch, denn es verkennt die innerste Widersprüchlichkeit der KPw, die diese ja gerade tendenziell und der Möglichkeit nach in ihre Aufhebung treibt (und zwar durch die Aneignung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen – was für die Linke einfach »kein Thema« ist). Aber es ist gesinnungsmäßig urdemokratisch und menschlich-emanzipatorisch, auch wenn der Hass gegen unmenschliche persönliche Exponenten »des Systems« zuweilen eliminatorische Züge annimmt. Demgegenüber ist der rechte Ak einfach zynisch-nihilistisch: er nimmt die kapitalistische Welt in ihren unmenschlichsten Seiten (Nationalstaaten, Konkurrenz und Krieg) und klagt in ihr lediglich »jetzt erst recht« das Recht des Stärkeren ein: du bist nichts, dein Volk ist alles, der völkische Staat soll das Monopol der Produktionsmittel einschliesslich vor allem der Arbeitskräfte besitzen und auf die schrankenlose »völkische« Herrschaftserweiterung konzentrieren. Der völkischen, d.h. mystisch-rassistischen Konstruktion der arisch-europiden Herrenrasse wird eine hierarchisch abgestufte Gegenprojektion der Untermenschen und Unmenschen entgegengesetzt; all das geht bewusst zurück hinter den historisch schon erreichten Horizont der bürgerlich-demokratischen Revolution, der Hass gegen »den Kapitalismus=Liberalismus« ist der Hass gegen menschliche Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit, vernichtender Hass gegen Demokratie und Revolution des Menschengeschlechts, der Unterlegenen, der Schwächeren, auch und gerade wenn Faschist_innen sich zunächst selber auf der Seite der Erniedrigten und Beleidigten finden, sie wollen nach oben, indem sie nach unten treten, sie wollen um jeden Preis Elite sein.

Dieses »um jeden Preis« macht Rechte zu Kämpfern, gewiss, aber entlang Fressmustern, im Hauen und Stechen um Konkurrenzvorteile, zu Tätern die sich stets noch als die Opfer fühlen und deren Ranküne niemals befriedigt ist, und sie legen größten Wert darauf, überhaupt nicht »materialistisch« zu sein. Der Idealismus ist auch das wesentlichste, was sie mit der Linken teilen, aber spiegelbildlich seitenverkehrt: die Linken behandeln sie mit zynischer Verachtung als »Gutmenschen«, wenn diese bis zum letzten demokratisch, politisch korrekt, sozial und menschenrechtlich engagiert sind; sie selbst, die Rechten als tendenzielle oder offene Nazis denen jedes Mittel recht ist, sind mit Willen und Bewusstsein und Inbrunst das Gegenteil. Beide, rechter wie linker Antikapitalismus, teilen jedoch als höchsten idealistischen Wert die Einforderung von »Gerechtigkeit«. Der Liberalismus bzw. Neoliberalismus steht ihnen für eine, den sozialen Interessen der Zukurzgekommenen zuwiderlaufende, »falsche Politik« der Herrschenden, der staatlich Regierenden. Doch scheiden sich die idealistischen Geister zwischen rechts und links dann wieder an der Auffassung von Staat und Macht.

4.
Ein weiterer Unterschied ist wesentlich: es geht um die Kategorie der Arbeit.

Von beiden Varianten des Antikapitalismus wird überhaupt nicht oder nicht hinreichend gründlich begriffen, dass die für den Menschen überlebensnotwendige Produktion im kapitalistischen Verwertungsprozess in völlig verkehrter Form als sichselbstverwertender, wertheckender Wert, notwendige Ausbeutung maximaler Mehrarbeit und individuelle wie  gesamtgesellschaftliche Entfremdung vor sich geht. Wo die Arbeit (notwendiger Stoffwechselprozess Mensch/Natur) die verdinglichte/fetischistische Form der Lohnarbeit hat und die tote Arbeit über die lebendige regiert. Der Antikapitalismus auf beiden Polen begreift und akzeptiert deshalb auch nicht realistisch die Widersprüchlichkeit des technischen Fortschritts in dieser Formbestimmtheit: als progressive Auflösung von den naturwüchsigen Gesellschaftsformen Gemeinde, Feudal- und Sippschaftswesen einerseits, andererseits als Faktor zur Schaffung der relativen Überbevölkerung ( -- anreissen). Mit weltweiter Dimension: produktive Gesamtarbeiter_in  bei wachsendem General Intellect. Sondern beide antikap.«Lager« mobilisieren um so verbissener die Sehnsüchte und Illusionen von »Gemeinschaft«: die Ns ihre »Wurzeln«, »Heimat« und völkisch definierte Nation, den ethnos usw., was letztlich auf biologistischen (nicht nur wie bei den Neurechten der 1980er/90er Jahre auf kulturalistisch-mentalistischen) Rassismus hinausläuft. In der »antineoliberalistischen« Bewegung der Linken aber wird ein romantischer Antikapitalismus mobilisiert, der um unmittelbaristische »Freiräume«-«Commune« und allerlei proudhonistische Kleine Kreisläufe, Werte wie »Würde« die gelebt werden soll und manch andere Kitschkosmen kreist ... Zu kritisieren sind diese »konkreten Utopien« insofern als sie vor der Aufgabe, im Weltmaßstab die Machtfrage für die produktive Gesdamtarbeiter_in zu stellen und sich auf diesem Niveau endlich zu verständigen wie wir zu einer communistischen Produktion und Verteilung übergehen können, den Kopf in den Sand stecken und von »die Welt verändern ohne die Macht zu übernehmen« träumt.

 

 

5.    
Unmöglichkeit der emanzipativen Abfeierung der Arbeit bei teleologischer Setzung der Arbeit unter der Herrschaft des Kapitals, d.h. solange der Arbeitsprozess=Verwertungsprozess. Möglichkeit der bewusst-geplanten Arbeit wo diese zur Verwirklichung der gesellschaftlichen Bedürfnisse dient, in möglichst attraktiver Form.

Kampf dem »Tag der Arbeit«! Gegen den Staats-Feier-Tag »der deutschen Arbeit«!

 

6.            
Skandalöse Hinterschreitung des bürgerlichen Gegensatzes seitens des DGB durch Einladung von Blüm (permanenter Fall der Rente -- »Renten sind sicher« --, weitere Einschränkung der Streikmöglichkeiten als Sozialminster durchgesetzt, etc.: § ?)     

 

7.
Die Eigentums-, Klassenfrage muss richtig gelöst werden. Das genau verdunkelt, verschiebt & verhindert rechter wie linker Ak.   Beide Varianten blockieren die Aufhebung / Auflösung durch ihre jeweils falschen Antworten (eher Suggestionen ...)

 

8.
Worin besteht der Unterschied, die »Höherwertigkeit«, das Progressive der Linken gegenüber der rechten »Kapitalismuskritik«?:  »Linker Ak« hat keinen »mangelhaften Begriff vom Kapital« sondern gar keinen Begriff, er hat nur die Vorstellung von Gerechtigkeits-Utopie, klagt das Sollen von FreiheitGleichheitGeschwisterlichkeit (!) etc. ein (der linke »Bentham!«: political correctness). Es gilt sich endlich klar zu machen: »Die Linke ist die Linke ist die Linke ...« überschreitet nirgendwo den bürgerlichen Horizont.

Die Linke war noch nie und ist weniger denn je die Alternative zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsformation, jedenfalls nicht nach vorne hin. Ihre Gemeinschaftsvorstellungen und -sehnsüchte sind allenfalls radikale Varianten des romantischen Antikapitalismus. Den teilen sie allerdings an der Wurzel mit der Rechten. Wer aber seinen »radikalen« Anspruch gegen die bestehende Gesellschaftsordnung hochhält, muss schon sagen, worin der besteht; muss endlich auf den Begriff bringen & begreiflich machen können, was seiner Auffassung nach die Wurzel dieser Gesellschaftsverhältnisse ist. Die Ungleichheit? Der Demokratie-Mangel? Die Asymmetrie zwischen »Brüdern & Schwestern«, oder was? Alle diese essentials werden z.T. von den Pfaffen & von den bürgerlichen Politiker_innen, von den NGOs & Menschenrechtler_innen etc. besser & professioneller eingeklagt. »Diese sind aber staatstragend, die radikale, autonome Linke eben nicht« -- so lautet gleich das nächste Stereotyp. Oder soll »linke Politik« bzw. »linker Radikalismus« heissen: das private Klasseneigentum an den gesellschaftlichen Produktions-& Lebensbedingungen im Weltmaßstab anzugreifen? Dann soll wer das meint, auch offen sagen, dass es um die revolutionäre Herstellung einer communistischen Produktion und Verteilung geht, und dass dies nur das Werk der Lohnabhängigen, der produktiven Gesamtarbeiter_in sein kann, die mit der Abschaffung der Lohnarbeit ihre Proletarität selbst aufhebt, indem sie sich selber zur weltgesellschaftlichen Macht als Klasse-des-Bewusstseins organisiert. 

Die »radikale Linke« murmelt dazu nur, dass dies doch unter anderem auch selbstverständlich sei für sie und »ihre Utopie«, im übrigen sei das aber immer nur für »Ökonomisten & Marxisten« der zentrale Punkt. Der radikalen Linken dagegen gehe es schliesslich »um Alles«, eben gegen jede Ungleichheit und für »die Freiheit« schlechthin, »die Abschaffung der Arbeit« auf jeden Fall. Gegen die Staatlichkeit stehe die radikale Linke seit je für Anarchie, und solange weder ein revolutionäres Subjekt, gar das Proletariat, »in Sicht« sei, solange müsse die Linke sich eben in Vernetzung und Bündnispolitik zu einer »interventionsfähigen« politischen Kraft zusammmenrappeln, irgendwie bei den normalen Leuten »attraktiver« und deshalb eines Tages endlich einfach »mehr werden«, wobei »Interventionsfähigkeit« die »Einbindung« und das Eingebundenwerden, das »Verketten« und die Partizipation in die kulturellen und politischen Apparate, sprich: die »Hegemoniefähigkeit« gewinnen  (weshalb sich dann auch niemand mehr über das historische Phänomen des »Regierungs-Anarchismus« -- klassisches Beispiel 1936-38 in Spanien – wundern braucht, vor allem nicht über seine Tabuisierung). Aber schon so grundlegende, historisch polit-ökonomisch ausholende Überlegungen sind »den radikalen Linken« viel zu  unpragmatisch, sie wittern dahinter »Großtheorien« und »Große Erzählungen« , und die sind für Bewegungslinke ohnehin«theoretisch«-hirnwixerisch, gleichbedeutend mit Totalitätsanspruch der Erkenntnis, also »totalitär«.

Que sera sera (Wie's kommt, so kommt's)! Die radikale Linke hat jedenfalls nichts gegen irgendwelche Träume vom schöneren Leben, und einige schwingen sich, wenn man mit dieser Mode irgendwen provozieren kann, gern auch mal wieder zu dem hippen Glaubensbekenntnis »für den kommunismus!« auf.  Wie jedoch dahin zu gelangen ist, aus dem Hier & Jetzt heraus und durchaus mit einer hinreichenden gesamtgesellschaftlichen Kompetenz und Macht – diese Auskunft bleiben selbst die radikalsten Linken schuldig, möchten lieber nicht konkret werden dazu, wie denn eigentlich der eingeklagte »Luxus für alle« zu unseren Lebzeiten zu realisieren ist. Der Antikapitalismus der radikalen Linken kommt – bei all seiner Liebe fürs »Konkrete« und die »Praxis«, durchaus nicht auf den neuralgischen Punkt zu sprechen, wo Eigentumsverhältnisse, Klassenverhältnisse und Machtfrage zusammenfallen -- da fällt ihm nichts ein oder da hält er sich bedeckt.

Solange Linke das aber nicht offen aussprechen möchten, um die Masse der Spiessbürger nicht zu erschrecken und um »die Leute abzuholen«, »die Massen zu mobilisieren« und als »Aktivist_innen« in der »Multitude« herumzusurfen, solange machen Linke sich & anderen was vor. Aus Angst vor dem Tode in der angeblichen »Isolierung« im öffentlich-medialen »Abseits« begehen sie politischen Selbstmord im Populismus, im Kampagnenbetrieb des zwanghaften »Dabeisein ist Alles«. Sie mobilisieren niemanden sondern werden wieder mal für die reformistischen Apparate als nützliche Idioten bzw. als Funktionärsnachwuchs mobilisiert. Oder schliesslich – wie wir es bei den ML-Gruppen, den Spontis & dann bei den »Autonomen« gesehen haben: -- landen sie in dieser oder jener Werbefirma, stellen den neuen Formen des Kapitals ihre bewegungslinke Professionalisierung zur Verfügung und gehen mehr oder weniger im Wahlbürgervolk & in der Familiengemeinschaft auf.

Die Antifa teilt diese Einfalt und diesen Zwiespalt der Linken, deren Fleisch vom Fleische sie ist, in besonderer Weise. Denn notwendig existiert sie zunächst einmal als Verteidigung der bürgerlichen Werte, des bürgerlichen Zivilgesellschafts-Horizonts gegen alle Regression auf Ungleichheit, Hierarchie & Demokratiefeindschaft. Die Antifa ist nur wirkliche Antifa, wenn sie vorbehaltlos »antitotalitär« ist; als stalinistischer Antifaschismus, als staatssozialistische »Volksfront« war sie immer unglaubwürdig (sowohl gegenüber der proletarischen Revolutionsbewegung wie gegenüber der rein bürgerlichen Demokratie).

Die Antifa des ausgehenden 20.Jahrhunderts bezeichnete sich von daher gerne als »autonome« oder gar als »revolutionär«, doch wird sie durch diese Zusatzerklärung das innerste Dilemma nicht los, dass Antifaschismus im Allgemeinen und AntiNS im besonderen diese spezifische und breitestmögliche Einheit von zwei Klassenkomponenten verkörpern muss: ohne alles an bürgerlichem Antifaschismus aufzubieten und einzubinden, wird die gesamtgesellschaftliche Abwehr der braunen Pest einfach nicht möglich sein (wenn nämlich die Einheitsfront bzw. Arbeitsteilung von bürgerlichem Staat, sprich Polizei etc., und Bürgertum im weitesten Sinn mit den Nazis weiterhin wie bisher in der Geschichte funktioniert), und wenn nicht zugleich die Abschaffung der bestehenden Produktionsverhältnisse, die täglich und stündlich Faschismus hervortreiben und modernisieren, ihrerseits vorangetrieben wird, sprich: wenn Antifaschismus die communistische Revolution, die proletarische Aufhebung der Lohnarbeitsgesellschaft, nicht vorantreibt. Die Antifa ist also auf bürgerlich-demokratische Defensive und auf proletarisch-revolutionäre Offensive angelegt, sie kann weder bloßer Bestandteil des Angriffs der bürgerlichen Gesellschaft auf Faschisten sein (dann wird sie bloßes Anhängsel einer bürgerlichen Volksfront, Staats-Antifa und alternativer Verfassungsschutz), sie kann aber ebensowenig einfach eine communistisch-revolutionäre Organisation sein (wie die meisten Linkskommunisten es ihr abverlangen; denn wäre »der Antifaschismus das schlimmste Produkt des Faschismus«, wie Bordiga behauptet hat, dann löste sich die Antifa besser endlich auf und träte in die rätekommunistischen Sekten ein). Vielmehr obliegt der Antifa gerade die schwierige Vermittlung des bürgerlich-demokratischen Moments mit dem revolutionär-proletarischen Moment, und diese Vermittlung kann bewusst wiederum nur eine Antifa experimentieren und organisieren, die den bürgerlich-demokratischen Abwehrkampf gegen gesellschaftliche Regression von vorneherein auf den Übergangskampf »für den communismus« hin orientiert, d.h. aber: im Verteidigen der bürgerlichen Zivilisationsstandards selbst schon die Strukturen und Brückenköpfe  /Stützpunkte der proletarischen Klasse-des-Bewusstseins, der communistischen Rätemacht organisiert (oder, mit Clausewitz formuliert: eine Organisierung, die aus der strategischen Defensive heraus zum Angriff und schliesslich in die strategische Offensive übergehen kann. Diese strategische Grundorientierung schliesst taktische Offensivangriffe gegen Nazis oder taktische Defensivoperationen bzw. Rückzüge auch gegenüber der bürgerlichen Staatsmacht oder schwarzrotgoldenen Antinaziallianz im einzelnen natürlich nicht aus).

Damit wäre die Antifa gerade jener prozessierende Ort oder jene Nahtstelle der bestehenden Gesellschaft, wo am Kreuzungspunkt von barbarischer Regression, bürgerlich-zivilgesellschaftlicher Stagnation bzw. Krise und communistischer Progressionsbewegung mit einer zwingenden und militanten Form der Übergangsvermittlung begonnen werden muss und kann. Denn das Unbehagen daran, entweder »revolutionär« im sektierischen Abseits steckenzubleiben oder staatstragend-bürgerlich im Mainstream der anständigen BürgerInnen mitzuschwimmen, ist hier stärker als sonstwo in der Linken, die sich als radikal versteht. Dieses notwendig immer stärkere »Unbehagen in der Antifa« geht aus der Tatsache hervor, dass sich in ihr mehr und konzentrierter als in sämtlichen sonstigen politischen Strukturen dieser Gesellschaft Leute sammeln, denen 1.) die perennierende Nazi-Präsenz & -Vergangenheit, auf der diese Gesellschaft beruht, in höchstem Grade unerträglich ist; die 2.) unter der Hypothek des Versagens der ganzen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sowie der ganzen bisherigen Linken gegenüber der Nazi-Offensive leiden; und die 3.) mit ihrer eigenen zukünftigen oder existierenden Lohnabhängigkeitssituation und dem damit verbundenen langweiligen, abtötenden Alltagsleben zutiefst unzufrieden sind. 4.) Dieses Unbehagen klebt natürlich um so weniger an der unmittelbaren Lebenssituation, als die meisten Antifas zu den jüngsten politisch und kulturell aktivsten und gebildetsten, sensibelsten Teilen der Bevölkerung gehören und die gesamte gesellschaftliche Situation, die ganze politische Weltwetterlage und der Gesamtzusammenhang der Weltmarktgesellschaft ihnen stinkt.

Aus all diesen Gründen ist die Antifa nicht zufällig der Ort, an dem die Vermittlungsfrage von effektiver Praxis und anspruchsvollster Theoriebildung eine Frage von Sein oder Nichtsein ist. Als Frage von Sein oder Nichtsein stellt sich jeden Augenblick die Praxisanforderung, den NS-Strukturen vor Ort militanten organisierten Widerstand entgegenzusetzen, aber zugleich die theoretische Anforderung, diesem Widerstand solche offensiven revolutionären Formen und Inhalte zu geben, dass in jeder vielleicht noch so defensiven Abwehraktion schon das Moment des communistischen Umsturzes der gesamten bisherigen, menschenverachtenden Gesellschaftsordnung (vorbürgerlicher wie bürgerlicher) aufscheint, aufblitzt und »zum übergreifenden Moment« für andere wird. Das zu organisieren  ist eine theoretische Aufgabe und Leistung -- die mit der akademisch-universitären »Theorie«-Vorstellung herzlich wenig zu tun hat --, die direkt zu dem permanenten praktischen Experimentieren führt, mit dem sich eine neuartige, revolutionäre Antifa gegen all die abgestandenen, ausgeleierten Formen der überkommenen »linken Mobilisierung« ab- und durchsetzen muss, will sie nicht in den mainstream-Karawanen der politischen Apparate untergehen. »Antifa heisst Angriff« kann also nur wahr gemacht werden, wenn Antifapraxis auch theoretische Praxis heisst. »Die revolutionäre Theorie ist die Domäne der Gefahr«, fassten schon einmal Situationisten ihre Erfahrung mit der Auslösung des revolutionären Mai 1968 in Frankreich, mit den »neuen Aktionsformen gegen Politik und Kunst«, also den Techniken der »Entwendung« und »Zweckentfremdungen« der herrschenden Kultur, und mit dem Umschlagen der »Praxis der Theorie« in eine gesellschaftlich ausstrahlende »Theorie der Praxis« zusammen.

Der springende Punkt oder der Punkt von dem gesprungen werden muss, ist aber für die radikale Linke wie für die Antifa die richtige theoretische Bestimmung der Gesellschaft, in der wir so leben und handeln müssen: für diese Analyse reicht die Formel »Antikapitalismus« nicht aus. Ebensowenig hinreichend ist jedoch auch noch die Formel von einer »Kapitalismuskritik«.

9.
(»Schau mir in die Augen, Kleiner«:) die Linke weist durchaus keinen »primären« Ak auf.  Diese Unterscheidung »primärer« & »sekundärer« Ak ist verfehlt.

10.                 
falsch, die Verrücktheit auf allein auf »den Nazi« abzuschieben. Die fetischistische Verrücktheit richtig / genauestens orten & analysieren!

11.                      
Alltagsreligion: Massenneurose & Massenpsychose, »ganz normale Männer« & Frauen (& »Kinder«! nämlich infantile Proletarität, siehe Fenichel)

12.                 
Eliminatorischer NS-Ak als Extrempol der Personifizierung – spiegelbildlich/seitenverkehrt dazu: anti-sachlicher & auch noch personifiz. linker Ak als breites Spektralband von Übergängen im Fetischismus

13.                
(S.3 unten:) an diesem Anspruch unsere Kritik festmachen! »Die Argumente« der Ns sind im Kern auch die Argumentationsfiguren des gesamten eliminatorischen Ak – also auch des linken, soweit er es nicht zum Begriff der KPw geschafft hat! Also auch unserer eigenen, d.h. als homme/femme bourgeois/e & homme/femme citoyen/ne in 1.Person. Das heisst selbstverstaendlich nicht, dass wir uns auf die konkreten Ns als den Todfeinden der Menschheit irgendwie »therapeutisch« »einlassen« duerfen. (Zu therapieren ist der mörderische Massenwahn des AS bzw. die Massenneurose der »Verschiebungen« & rituellen »Zwangshandlungen« ... -- wobei aber nie einfach ökonomisch-basierte gesellschaftliche Zustände  zu psychologisieren sind! Sondern komplizierte dialektische Wechselbedingungen: eben Fetischgestalten in ihrer subjektiv-objektiven Wirkungsmacht zu analysieren (theoretisch) & aufzulösen (praktisch) sind ...) Die Kritik muss hier die des Scharfrichters sein (MEW1: 380,385 »Krieg den deutschen Zuständen!«). Wie kann sie das?

14.       
Die Kunst des Krieges (d.h. Strategie & Taktik) hier: das alte Problem aller Antifa: die buergerlichen Elemente des Antifaschismus/AntiNS  zu vermitteln mit den revolutionären=communistisch-proletarischen. In der Ära des klassischen Faschismus & NS (20.Jh.) stellte sich das noch ziemlich eindeutig als äusserliches Verhältnis der Klassen dar & wurde im Ansatz schon richtig, durch die »Volksfront«-Konzeption beantwortet. Doch Anfang 21.Jh. sind fast alle proletarisiert, so dass sich die Klassenfrage stark in die Individuen (zóon politikón) der bürgerlichen »Zivilgesellschaft« (Gramsci's Hegemonie-Frage!) verschoben hat. Jede_r von uns ist trotz Lohnabhaengigkeit zugleich ein Schizo »bourgeois_e/citoyen_ne«, darin wurzelt/entspringt das Festhalten am Bestehenden (buergerl. Horizont), das revolutionäre Begehren (Prol.aufzuheben durch Übergang zu Commun.) aber eben auch der Regressionstrieb (»Todestrieb«: »Viva la Muerte!«) des Faschismus & der Barbarei ... Die falsche/verkehrte »Aufhebung« des unbegriffenen »Kapitalismus« kann  -- in jedem bürgerlichen Individuum! -- zum Durchbruch gelangen als eliminatorische Begierde (furor teutonicus): ob rechts oder links (über die Unterschiede werden wir gleich sprechen) – hier haben wir die Alltagsreligion (Fetischgestalt) des Antisemitismus. Struktur, Latenz, manifester & eliminatorischer AS je nachdem unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen: jedenfalls ist er mit der »Verrücktheit« der normalen Alltagsreligion, der Warenproduktion & Trinitarischen Form, auf vertrackte, gefährliche Weise verbunden (»überdeterminiert«).

15.           
Mobilmachung zur völkischen (oder linken?) Gemeinschaft, Furcht vor der Freiheit: die eigene Identitätsfindung (besser: bewussten, revolutionären Individualität) zu wagen, diese Zumutung anzunehmen, sich zu entwickeln zur freien Assoziation freier & selbstbestimmter Individuen/ Produzent_innen, und zwar in cosmopolitischer Perspektive, auf Basis des fertigen Weltmarkts und der produktiven Weltgesamtarbeiter_in (keine »kleinen Kreisläufe« heimeliger Gemeinschaften oder »sozialistischer Nationen« mehr).

16. 
(Auch zum peinlich berührenden »Aug'-in-Aug'»-Gestus des Aufrufs hier – Kritik: noch Negativfixierung auf den NS-Aktivisten & Prolet-Arier, übrigens gegenseitig auf das streetfighter-Selbstbild »des Autonomen« (»der Anarch«) -- , der aber auf diesem Terrain immerhin einen Versuch darstellt:) festfixierende modernisiert-tradit. Verdinglichungen der Geschlechtstrennung als innerer (libidinöser) Triebgrund des NS: dementgegen beginnen mit der communistischen Aufhebung der krass nichtidentischen Extreme »des unmenschlichen Geschlechts« in die Identität der Pole »des menschlichen Geschlechts« (MEW1:293)!

17.            
(Töten des NS auch durch Lächerlichmachen! bei aller Ambivalenz, siehe Hitlerparodienwelle,  ist diese Technik das allerschwierigste ... : Satire ist »der heilige Hass«. Primär muss aber immer der blanke, militante Hass auf den eliminatorischen Ak sein & ungehindert ausgedrückt / organisiert werden. Also ästhetische Kampfmittel für sich sind nicht hinreichend, erst wissenschaftlich-theoretische Kraft ...) 

18.                  
»Die Unterentwicklung der revolutionären Theorie auf der ganzen Welt ist die erste Unterentwicklung, die jetzt überwunden werden muss.« (S.I.1966 /dt.2:158)
 »Le sous-développement de la théorie révolutionnaire, dans le monde entier, est le premier sous-développement dont il faut maintenant sortir.« (I.S.N°10/Mars1966:p.15[p.427])
»The underdevelopment of revolutionary theory, all over the world, that is the very underdevelopment primarily to be overcome today.«

 

Ambivalenz des Endes des Textes (Aufruf), da communistische globale Organisation zwar sinnvolles, jedoch nicht realisiertes Projekt. Anfangsmöglichkeit: Schwerin, als Punkt wo tatsächliche Personenherrschaft angegriffen werden kann.

Konkretes Fassen der G8 , WTO, IWF, Zusammenhang von Produktivkraftentwicklung und Migration, konkrete Aufhebung planen. Bewusstes dialektisches Verhältniss von (als Notwengigkeit) der gezielten Praxis, Praxis sich stetig ändernde Form.

Aufhebungsmöglichkeit der Revolutionsanläufe, Konzepte + ihre Schwächen, gegen Gefahr der fetischisierten unpraktischen Nachahmung .

 

Was heißt das konkret für den 1. Mai 2007 (Übergang zur Diskussion)

 

 

 

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