Zu Peter Brückner. Veranstaltungen & Materialien

zu den HörspielenBrückner Veranstaltungsreihe Teil 1&2 (2004)

Vorträge von theorie praxis lokal und der Gruppe Gegenhegemonie zu Möglichkeiten und Grenzen kritischer Wissenschaft in der BRD am Beispiel des Professors Peter Brückner:

Peter Brückner


Über Peter Brückner (1922-1982) – kritischer Wissenschaftler in den deutschen Zuständen : Leben, Werdegang, Selbstverständnis, gesellschaftlich-politisches Engagement und wissenschaftliche Kritik-im-Handgemenge. Veranstaltung am 2.11.2004.

 

Professor Peter Brückner, ein radikaler Sozialpsychologe und mehr -- Forschung, Werküberblick, Kritik. Veranstaltung am 9.11.2004.

 

Ankündigungstext:

Peter Brückner - kritischer Wissenschaftler in den deutschen Zuständen.

»Peter Brückner war der coolste Professor der Studentenbewegung«, so die Spex 1995 in einer Zusammenschau zu dem damals schon verschütteten Werk des radikalen kritischen Wissenschaftlers. »Er war selbst für die APO noch zu antiautoritär und brachte es nie zum Polit-Star. Dabei war er einer der wenigen Linken, die (sub)kulturelle Strategien nicht mit Argwohn beäugt haben. 'Klassenkampf' und neue soziale Bewegungen haben sich schon damals für ihn nicht ausgeschlossen.« Beides war für das Universitätsregime der BRD nicht akzeptabel, so dass PB in den 70er Jahren wegen seines politischen Engagements mit einem Strafprozess verfolgt, mit Berufsverbot schikaniert, von seiner Forschung und Lehre suspendiert wurde, galt er doch als eine 'Art Symbolfigur für den linken Professor' (so die FAZ 1982, nachdem er im Alter von 59 einem Herzversagen erlegen war).

»Sie haben ihn um die Ecke gebracht. An uns ist es, ihm um diese Ecke nachzuschauen, bevor er am Ende der Straße gänzlich verschwindet.« schrieb Fritz Güde damals in einem Nachruf. Dieses Verschwinden scheint mehr als zwanzig Jahre später perfekt zu sein, sind doch inzwischen die bestallten Kriegsgewinnler der APO mitsamt den akkomodierten Protagonisten der »Neuen Sozialen Bewegungen« längst in den akademischen Betrieb der Gesellschaftswissenschaften der Berliner Republik eingerückt, um ihre Stellungen als mehr oder weniger »kritische GesellschaftswissenschaftlerInnen« zu verteidigen.

Denjenigen dagegen, die als – studierende, lehrende wie außeruniversitär theoriepraktische – KritikerInnen der bestehenden »zivilgesellschaftlichen« Zustände gegenüber dem beanspruchten kritischen Potenzial staatlich bezahlter Wissenschaft zunehmend wieder skeptischer werden, kann Peter Brückners engagiertes Leben, Lehren und Forschen zum Kriterium dienen, wie weit die Marxsche Parole emanzipatorischer Kritik: »Krieg den deutschen Zuständen!« in der BRD schon mal durchgedrungen war, wieweit sie isoliert und abgestumpft worden ist und ob ihre Radikalität im Handgemenge endlich doch aktualisiert werden kann. Denn mit seiner Erforschung und Darstellung der Sozialpsychologie des Kapitalismus im allgemeinen und der deutschen Miserabilität im besonderen – vom NS über den Post-NS bis zur BRD-Linken – hat er einen unverrückbaren Maßstab gesetzt.

TheoriePraxisLokal wird im Rahmen einer im Hörsaal des IVI an den ersten beiden Dienstagabenden im November 2004 stattfindenden Veranstaltung über Leben, Engagement und Forschung von Peter Brückner informieren. Angesichts seiner subversiven und turbulenten Biografie wie seiner vielseitigen wissenschaftlichen Produktion haben wir uns für eine Darstellung in zwei Teilen entschieden, um auch Raum & Zeit für Diskussion und Kritik zu gewinnen.

zu den HörspielenBrückner Veranstaltungsreihe Teil 3 & 4 (2005)

Peter Brückner – kritischer Wissenschaftler in den Deutschen Zuständen (Teil 3). Als Fortsetzung der Brückner-Reihe seit November 2004 wird die Kritik der deutschen Linken durch den revolutionären Sozial- & Psychohistoriker »im Handgemenge« vor & nach dem »Deutschen Herbst« dargestellt & diskutiert. Veranstaltung im Rahmen der ›2. Gegen-Uni‹ im institut für vergleichende irrelevanz [ivi] am 7.11.2005.

 

Peter Brückner – kritischer Wissenschaftler in den Deutschen Zuständen (Teil 4). Kritik der deutschen Linken durch den revolutionären Sozial- & Psychohistoriker »im Handgemenge« vor & nach dem »Deutschen Herbst«. Im Fokus stehen die Ansprüche »des bewaffneten Kampfes« innerhalb der herrschenden deutschen Kontinuität. Veranstaltung im Rahmen der ›2. Gegen-Uni‹ (7.-11. November 2005) im institut für vergleichende irrelevanz [ivi] am 10.11.2005.

 

zu den HörspielenBrückner Veranstaltungsreihe Teil 5 (2006)

Peter Brückner – kritischer Wissenschaftler in den Deutschen Zuständen (Teil 5): Revolution als Psychotherapie? - Die kritische Stellung & Parteinahme im Kampf der Psychiatrisierten um ihre Politisierung. Zu »Emanzipationsdebatte« & SPK (Sozialistisches Patientenkollektiv) im Niedergangsprozess der BRD-Linken.

 

 

Materialien  {noch in Arbeit}

Keine Solidarität

Antwort der Abteilungskonferenz der päd. Hochschule Lüneburg auf den Antrag einer Solidaritätserklärung für Brückner. Lüneburg, den 21.12. 1977

Zum Antrag Röseler, Stoller, Wernecke:

Eine Behandlung ist abzulehnen aus formalen und inhaltlichen Gründen.

1. Der formale Grund:

Alle »Verwaltungsmaßnahmen« gegen Brückner müssen Gegenstand juristischer Auseinandersetzung sein.Für diese fehlt den AK-Mitgliedern die Kompetenz ebenso wie eine demokratisch begründete Befugnis. Es ist undemokratisch, fehlende Fachkompetenz durch Gesinnung ersetzen zu wollen.Wer die politisch beeinflusste Justiz nicht will, sollte ihr nicht Vorschub leisten und jeden Anschein vermeiden, dies tun zu wollen.

2. Die inhaltlichen Gründe:

2.1. Demokratie verbürgt nicht das Recht, dass jeder öffentlich und in beliebiger Form zu einem beliebigen Zeitpunkt zu jedem Thema seine Gesinnung  verkünden kann, ohne Rücksicht auf die Folgen. Die Folgen werden weniger durch die Gesinnung und mehr durch die Kommunikationsstrukturen bestimmt, die sich aus den allgemeinen politischen Strukturen ergeben.Wer sich öffentlich äußert, hat dehalb letzlich nicht seine eigene Gesinnung zu verantworten, sondern die einschätzbare und die faktische Wirkung, die seine Äußerung im System der Kommunikationsstrukturen hat.Wer also die öffentliche Hysterie anheizt, trägt an dieser Hysterie schuld; es ist dabei gleichgültig, ob er das wollte oder ob seine Gesinnung edel ist.

2.2. Durch die vorhandenen Kommunikationsstrukturen sind einige Gruppen und Personen stark in ihrem Spielraum eingeschränkt, öffentliche Äußerungen zu deuten und darauf zu reagieren; so z.B. ein Minister, der staatliche Ordnung zu repräsentieren hat, Mitglied eines Kabinetts ist, Chef einer Abteilung ist, Maßnahmen der Regierung der Öffentlichkeit plausibel machen muss usw.

Es gibt auch Gruppen, die relativ großen Spielraum haben, deren gesellschaftliche Funktion es ist, einen zugemessenen Spielraum verantwortlich zu nutzen; zu diesen gehören Hochschullehrer. Das Kriterium ihrer Verantwortlichkeit ist nicht die Gesinnung, sondern Wissenschaftlichkeit. Diese schließt die besonders gut ausgebildete Fähigkeit und Bereitschaft ein, auch die jeweils gegebenen Kommunikationsstrukuren zu erforschen und mögliche Wirkungen von öffentlichen Äußerungen zu berechnen. Wer also den Spielraum des Hochschullehrers so benutzt, dass dadurch z.B. die öffentliche Hysterie  vergrößert wird, hat entweder die Wirkung nicht berechnet (d.h. er hat als Wissenschaftler versagt) oder er hat die Wirkung beabsichtigt; dann muss seine Gesinnung an dieser Absicht gemessen werden.

2.3. Immer wenn ein Hochschullehrer seinen Spielraum benutzt, um »seinen« Minister, der einen geringen Reaktionsspielraum hat, zu provozieren, führt dies zu dem Ergebnis, dass legitime Machtmittel zur Anwendung kommen, bzw. erweitert werden, wo sie nicht ausreichen. Dadurch wird im Endeffekt der Spielraum z.B. in den Hochschulen auf legale und in der Öffentlichkeit motiviert erscheinende Weise ständig eingeengt, d.h. eine negative Entwicklung wird vorangetrieben.

2.4. Aus den genannten Gründen muss ich mich von Brückner und anderen Hochschullehrern deutlich distanzieren, denn sie haben als Wissenschaftler und Hochschullehrer unverantwortlich gehandelt. Diese Feststellung gilt für den Fall, dass sie die Wirkung ihrer öffentlichen Äußerung nicht berechnet hatten.

Sollten sie diese Wirkung beabsichtigt haben (vielleicht um auf diese Weise selbst  »Macht auszuüben«), hielte ich eine deutlich öffentliche Korrektur für erforderlich.

2.5. Aus den selben Gründen muss ich jede Erklärung der Abteilungskonferenz ablehnen, die eine positive Einstellung zu Brückner bzw. eine negative Eisntellung zum Minister erkennen lässt, denn sie könnte unter den gegebenen Kommunikationsbedingungen nur dazu führen, dass die öffentliche Hysterie verschlimmert, das Misstrauen gegen die Hochschulen vergrößert und die Reglementierung verschärft wird. Und nur auf solche Wirkungen, nicht auf die Gesinnung der AK-Mitglieder, hat sich die Verantwortlichkeit der AK zu beziehen.

Alternativen:

  1. Unterschrift der AK-Mitglieder unter den Brief einer studentischen Gruppe, mit dem der Minister zu einem Gespräch eingeladen wird.
  2. Oder: Antrag an die AK: sie möge eine Kommission einsetzen, die von der TU Hannover  und dem Ministerium Informationen zum Verbot einer Senatskommission an der TU verschafft. Ziel ist eine Diskussion, in der auf beiden Seiten Vorurteile abgebaut werden und das wechselseitige Rollenverständnis geklärt werden kann.

[Anm. Pohrt: Der Kommunikationsexperte unter den in die Abteilungskonferenz Delegierten, der Professor für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik, nahm die Mühe auf sich, die Mehrheitsentscheidung zu begründen.]

Juristische Verfahren gegen Brückner 1972-1982

1. Aufgrund der Beschuldigung durch Lockspitzel und Kronzeugen Ruhland Strafverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

1.1 Zugleich Suspendierung vom Dienst in Erwartung eines Urteils von über einem Jahr Gefängnis ( Damit wäre automatisch die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis verbunden; ein Disziplinarverfahren wird aus Ersparnisgründen dem strafrechtlichen Verfahren nachgeordnet. Die einstweilige Suspendierung kann, muss aber nicht mit der Einleitung eines Verfahrens wegen Verdachts eines Dienstvergehens verbunden sein )

1.2 Aufhebung der Suspendierung im Jahre 72, nachdem die staatsanwaltschaftliche Anklage von "Unterstützung" auf "Begünstigung" ermäßigt wurde. Das Strafverfahren wird gegen Zahlung einer Geldstrafe  eingestellt. Die Dienststrafkammer verlangt noch einmal 1000. DM Bußgeld extra.

1.3 Verbot der Übernahme einer Gastprofessur in Heidelberg während der Suspendierung.- Die Gewerkschaft der Polizei B-W erhebt pressöffentlich flammenden Protest gegen die Beschäftigung des "Komplizen von Polizistennmördern."

1.4 Verwaltungsgerichtlich bestätigte Auftrittsverbote in den Universitäten Heidelberg und Konstanz. Das Verwaltungsgericht wußte prophetisch voraus, dass er über seinen eigenen Fall reden werde - und hielt dies dienstrechtlich korrekt für unzulässig.

2. 1977 : 43 Professoren und vier Rechtsanwälte veröffentlichen zusammen den Text des sog. Bubacknachrufs, in dem die Tötung des Generalbundesanwalts in der Wortwahl zwar emotional begrüßt, im Endeffekt aber politisch verurteilt wird.

2.1 Es wird strafrechtlich Anklage erhoben wegen "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener"  und wegen Verunglimpfung des Staates als Verfassungsorgan (§90) gegen alle Unterzeichner. Gegen die Niedersächsischen Unterzeichner wird strafrechtlich verhandelt im OLG Oldenburg. Dort erfolgt ein Freispruch.

2.2. Alle anderen Unterzeichner müssen ihrem Dienstherrn Pestel in einem Revers versprechen, dass sie strikt gegen "Gewaltanwendung und Entführung" sind und sich vom dmaals unbekannten Autor des Nachrufs entschieden distanzieren. Und kommen davon.

2.3. Brückner erhält diese Möglichkeit des Freikaufs nicht. Ihm werden alle kommentierenden Äußerungen der Professoren als persönliche angerechnet.
Er wird neuerlich vom Dienst suspendiert und erhält Hausverbot in der Universität.

2.4. Verweigerung der Arbeitserlaubnis durch Pestel an der Universität Amsterdam (für zwei Jahre Gastprofessur). Das Verwaltungsgericht hebt das Verbot auf, nur leider zu spät: die Stelle war vergeben.

2.5. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hält die Disziplinierung im Jahre 78 aufrecht. 1980 - der Landesdisziplinarhof  hebt zwar die Gehaltsküzung um ein Drittel während der Zeit der Suspendierung auf, weigert sich aber - trotz inzwischen erfolgtem strafrechtlichem Freispruch - die Suspendierung aufzuheben, wegen der noch zu prüfenden Gesamtpersönlichkeit des Antragsstellers.

2.6. Kurz vor Brückners Tod 1982 Aufhebung der Suspendierung.

Nur wie Kafka sagt: das Verfahren ging allmählich ins Urteil über. Brückner stirbt vor Wiederantritt seiner Vorlesungen an der Universität.

 

 

{weitere Materialien werden folgen}

 

 

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