Schriftliche Kritik eines Teilnehmers an der Veranstaltung zu China und der ML-Bewegung

W. Grobe

Notwendige Anmerkungen

zu dem Referat von Peter Christoph auf der sSV-Veranstaltung 23.10.02

{zum Vorschlag des Autors für den 2. Teil → / zum Referat →}

Das Papier ist eine einzige Verleumdung. Ohne auf die materielle Entwicklung der BRD einzugehen, ohne Analyse der konkreten Kampfbedingungen werden hier Anwürfe aneinandergereiht. Der gesamte Kampf gegen den Revisionismus, mit dem die Bewegung historisch recht behalten hat, wird mit keinem Wort erwähnt. Diejenige Bewegung in Deutschland, die seit Ende der 60er Jahre mit allem Ernst und großem Einsatz sich das kommunistische Erbe angeeignet und die bürgerlich-imperialistische Ordnung herausgefordert hat, sie nachhaltig verändert hat, wird hier, ganz ähnlich wie seitens Renegaten vom Schlage Koenen,  von angeblichen ungelösten Problemen ihrer Vorstellungs- und Gefühlswelt, von einem angeblichen durch und durch reaktionären psychischen Erbe her angegriffen. Wenn auch hauptsächlich die (angeblichen) Verhältnisse im KBW zum Ausgangspunkt genommen werden, so ist doch die gesamte Bewegung gemeint, die bekanntlich aus mehreren Richtungen und Organisationen bestand, die z.T. allerdings wesentlich früher und in manchen Fragen auch dezidierter als der KBW die Praxis aufgenommen hatten.

Ein solches Papier ist als Diskussionsgrundlage ungeeignet, wenn das Ziel die Verständigung über heutige Aufgaben und Möglichkeiten der Kommunisten sein soll. Positive eigene Vorstellungen können auf einer derartigen Grundlage nicht entwickelt werden.

Der wichtigste Widerspruch dieses Referats besteht darin, eingangs eine ganz allgemein pro-proletarische, pro-kommunistische Einstellung zu signalisieren oder zu simulieren, jedoch diejenige Bewegung in Deutschland, die ab etwa 1968 mit dem proletarischen Klassenkampf ernst gemacht hat – was auch immer ihre weiteren Entwicklungsstadien gewesen sind – ausschließlich negativ zu beleuchten, und darüberhinaus alle Grundprinzipien der bisherigen kommunistischen Bewegung zu bestreiten. PC geht zu einer direkten Polemik auf anarchistischer Basis gegen diejenigen Kräfte über, die in der Geschichte tatsächlich Sozialismus verwirklicht haben, wie die sowjetische und die chinesische Partei, und gegen die  Bewegung in Deutschland, die in enger Beziehung zu diesen Vorbildern ernsthafte Ansätze gezeigt hat, was zweifellos auch eine Massentendenz im KBW war.  Umgekehrt aber wird das politische Konzept des KBW überhaupt nicht konkret behandelt.

Auf dem Termin v. 23.10. war dieses Papier bereits in einer früheren Fassung schriftlich vorgelegt worden, und PC hat auch Teile davon in freier mündlicher Form bereits vorgetragen. Ohne daß es damals möglich gewesen wäre, das Manuskript genauer einzuschätzen, und nur auf seinen mündlichen Vortrag gestützt, hatte ich bereits als erste Entgegnung gesagt, daß er die Denunziation der Bewegung betreibe. Daß sie derartige Ausmaße hat, wie dieses Papier in seiner Gesamtkonzeption zeigt, war damals noch nicht zu erkennen, zumal PC sich gegenüber dieser Zurückweisung in der ersten Diskussion erschrocken zeigte und signalisierte, daß er das nicht alles so meine.

PC  verteidigt  seinen Terminus »Maoismus« und meint, der sei nicht pejorativ, d.h. abwertend. Er ist jedoch sachlich falsch und irreführend.

»Den Maoismus gab und gibt es tatsächlich, wie es den Marxismus und andere Ismen gab und gibt, daran allein ist nichts Schlimmes, wenn auch die Beschränktheit jeweils zu beachten ist (Marx sah sich bekanntlich ausdrücklich nicht als Marxist, »der Leninismus« kam auch Lenin nicht ins Haus; und gerade Mao war es ja, der seine Lobpreisung durch LinBiao in den »Worten des Vorsitzenden« als »geistige Atombombe« und »der größte Marxist-Leninist unserer Zeit« wohlweislich duldete: also »ismischer« ging's nicht!);«

»Marxismus« ist kein »Ismus«, sondern die Bezeichnung für einen bestimmten historisch gewordenen Komplex von Ansichten, Lehren, Erfahrungen und Prinzipien der revolutionären Arbeiterbewegung. Ebenso ist Leninismus der Ausdruck für einen derartigen Komplex, der den Marxismus für die imperialistische Epoche, ein bestimmtes höhere Entwicklungsstadium des Kapitalismus,  weiterentwickelt. Der Ausdruck hat sich nach Lenins Tod etabliert und wurde im weiteren allgemein anerkannt. »Maoismus« hingegen ist kein entsprechender Begriff. Diejenigen Parteien, die die von Mao Zedong verkörperten und ausgearbeiteten Grundsätze in ihrer Gesamtheit für eine wichtige Weiterentwicklung angesehen haben und ansehen, wie z.B. auch unsere Organisation, haben gleichzeitig immer auf die Feststellung Wert gelegt, daß wir noch immer in der imperialistischen. Epoche des Kapitalismus leben, das bedeutet vor allem, daß der Leninismus  weiterhin die Grundlage bildet. Die KPCh selbst hat das so gesehen und nie diesen Ausdruck gebraucht. Selbst von Lin Biao, der sich bekanntlich später als Verräter herausgestellt hat, nachdem er zeitweise überzogene persönliche Lobpreisungen gegenüber Mao Zedong vorgebracht hatte, kann hier PC nur ein Diktum zitieren, in dem auch er den Marxismus-Leninismus als den Rahmen anerkennt und gerade nicht so etwas wie »Maoismus« postuliert.

Alle diese Organisationen haben die Bezeichnung »Maoismus« abgelehnt. Es gibt hingegen heute bestimmte Parteien, die von Mao Zedongs Politik  nur Teile anerkennen, aber merkwürdigerweise gleichzeitig einen »Maoismus« in den Himmel heben und seine Anerkennung zum Prüfstein machen. Dergleichen findet man bei Organisationen des »RIM«. Was soll also PCs Versicherung, einen »Maoismus« habe es tatsächlich gegeben und gebe es noch? Welcher Zweck wird damit verfolgt, wenn diejenigen Organisationen, die das selbst aus guten Gründen abgelehnt haben, 30 Jahre später noch zu »Maoisten« umgetauft und der Revisionistenverleumdung, es handele sich um »Maoismus«, der mit dem Leninismus gebrochen habe, postum Recht gegeben wird? Was ist die Absicht von PC bei dieser Etikettierungsaktion? Oder soll die damalige Bewegung und diejenigen, die heute an deren positiven Seiten festhalten bzw. daran wiederanknüpfen, in eine Ecke mit gewissen heutigen selbsternannten »Maoisten« gestellt werden, deren Praxis der bürgerlichen antikommunistischen Hetze manche Handhabe bietet? 

Als Beispiele für die Verleumdung der Bewegung aus dem Papier von PC:

PC führt eine ausführliche Polemik gg. die Diktatur des Proletariats im Namen des Anarchismus (S. 7). Er will eine Revolution, die unmittelbar zur »Selbstorganisation der arbeitenden Gesellschaft« führen müsse. So etwas wie der proletarische Staat sei bloß eine Fetisch-vorstellung, in Wirklichkeit sei die Antistaatlichkeit das »übergreifende Moment« dieser Periode mit ihrer »Dialektik von Nichtstaatlichkeit und Nochstaatlichkeit«. Dafür läßt sich jedoch in den Ausführungen, die Marx aufgrund der historischen Erfahrungen der Pariser Kommune und der Auseinandersetzungen mit dem Lassalleanismus in »Der Bürgerkrieg in Frankreich« und »Kritik des Gothaer Programms« formuliert hat, keine Grundlage finden. Die Frage der Dauerhaftigkeit der Diktatur des Proletariats konnte für Marx hier noch kein direktes Thema sein, er analysiert aber bereits sehr tiefe Widersprüche der sozialistischen Periode, deren Lösung implizit eine längere Entwicklung fordert.  PC vermischt die Polemik von Marx gegen den Lassalleschen Glauben an den preußischen Staat mit seiner eigenen gegen die Wertschätzung der proletarischen Diktatur. Er ist völlig Anti-Leninist und versucht Marx als eine Art Anarchisten hinzustellen. Mao Zedong, gerade auch in diesen Fragen entschieden mit Marx und Lenin übereinstimmend, war der dezidierten Meinung, daß die Epoche des Sozialismus mit ihren vielen noch auszutragenden Auseinandersetzungen mit den feindlichen Klassen, Kulturrevolutionen eingeschlossen, eine ganze lange Zeit umfassen werde, in der man auch einen Staat der Diktatur des Proletariats brauche.  Hat - ausgerechnet - Mao Zedong das aus »Staatsfetischismus« gesagt, oder weil die Erfahrungen gezeigt haben, daß der Widerstand der Ausbeuterklassen viele und nur allmählich zu überwindende Quellen hat? Hier spricht auch das Ressentiment der Chruschtschow-Revisionisten aus PC.  Ein Amalgam daraus und aus anarchistischem, direkt probürgerlichem Unsinn. Der deutschen Linken macht PC die Aneignung dieses Grundsatzes von Mao Zedong zum Vorwurf, als Psychomacke aufgrund unentwickelter deutscher Zustände. Eine bestimmte Polemik des Marxismus wird hier mißbraucht, um denen, die ihn ernst nehmen, pseudomaterialistisch-psychologisierend zu unterschieben, daß sie etwas ganz anderes wollen.  Das ist typisch »Frankfurter Schule«.  

»These: Der Maoismus ist ein Militarismus der Partei, aber stets ideologisch von der«orthodoxen« Repräsentation des Hegemons »Proletariat« geführt: »Dem Volke dienen!« , »Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.« und: »Niemals dürfen die Gewehre der Partei befehlen!« sondern immer nur umgekehrt.«

Bei Mao Zedong gibt es keinen »Militarismus der Partei«, sondern er fordert eine den Klassenkrieg anerkennende und bejahende Haltung, nicht nur in der Partei, sondern überhaupt im Volk. Was dann PC als Zitate folgen läßt, sind hervorragende plastische Formulierungen von richtigen Grundsätzen. Wer diese trotz ausgiebiger Kenntnisse bestreitet, hat schon selbst die Lockangebote dieses Staates angenommen.

»In Westdeutschland verselbständigte sich der maoistische Militarismus tendenziell in den »Partei«-(Aufbau-)Organisationen als Repräsentation des »Parteibildungsprozesses des Proletariats« (Marx) zu einer Stellvertreterinnenpolitik  -  die das »aus den Massen schöpfen, in die Massen [wieder] hineintragen«-Prinzip des chinesischen Originals ersetzte durch eine Art fichteanisch-preussisch-befreiungskriegerisch verinnerlichtes Parteisoldaten-Ideal: »dem Volke dienen«, ohne dass »das Volk« diese »Diener« akzeptiert. (Konsequent sind heute viele dieser »Revolutionäre« zu Staatsdienern geworden.)«

PC verbreitet falsche Vorstellungen über einen ganz wichtigen historischen Knackpunkt. Wenn »das Volk« nicht Anfang der 70er Jahre diese Diener zu »akzeptieren« begonnen hätte, was sich bspw. in den zahlreichen kommunistischen Betriebsgruppen in Ansätzen zeigte, wären die radikalen Gegenmaßnahmen des Staates nicht verständlich. In der Tendenz wurde es von der Bourgeoisie als große Gefahr empfunden, daß man mit kommunistischer Propaganda in die Betriebe ging. Die damaligen massiven Zugeständnisse an die Arbeiter und die Umwälzung in der Zusammensetzung der Arbeiterklasse haben sehr viel mit dieser Konfrontation zu tun.

Das Parteisoldaten-«Ideal« gibt es in vielen Kulturen, die mit Fichte, den preußischen »Befreiungskriegen« etc. nichts zu tun haben. Es leitet sich aus der revolutionären Praxis ab. Die Hetze dagegen zeigt, daß man die revolutionäre Praxis nicht liebt.

»- (Besonders konzentriert tritt dieser »kategorische Imperativ« im Maoismus der RAF-Ideologie zutage, die konsequent militaristisch-deutschjakobinistisch unterging. Maoismus als »innere Haltung« in den vernagelten Deutschen Zuständen. Beide Richtungen kreuzten sich im »Deutschen Herbst« für einen Augenblick.)«

Die Absicht, die RAF und ähnliche zweifelhafte Organisierungen, in denen die bürgerlichen Geheimdienste von Anfang an (nachweisbar  teilweise direkt, teilweise über den politischen Charakter ihrer Morde) die Finger im Spiel hatten,  öffentlich mit dem »Maoismus« in Beziehung zu bringen und damit diesen dem Abschuß näher zu bringen, ist überhaupt das Um und Auf dieser ganzen Medien- und Staats-Kampagne gewesen. Was soll denn an der »RAF« überhaupt von Mao Zedong sein? Und nach soviel Jahren, in denen von linker und selbst von bürgerlicher Seite schließlich doch auch genügend über die Machenschaften der »Dienste« im Zusammenhang mit diesen Gruppen aufgedeckt worden ist, noch mit dem gleichen miserablen Identifizierungsversuch anzukommen, heißt Ahnungslosigkeit vorzuspielen und in Wirklichkeit den Staat zu beschönigen und die revolutionäre Bewegung zu verhetzen. Für solche Passagen wird PC jeder Revolutionär »dankbar« sein.

Spitze ist auch die folgende verleumderische Vermischung:

»In dieser historischen Konstellation besonders barbarischer deutscher Reaktion in der Praxis und besonders radikaler Revolutionsgründlichkeit in der Theorie (schon ab den Jakobiner-Preussen  Kant, Fichte, Hegel und ihrer Revolution-des-Geistes) gedieh der Staatsfetischismus inmitten des »Geistes der Rebellion« als anti-Autoritarismus wie in einem Treibhaus »alternativer« Demokratiegläubigkeit in all den in Bewegung geratenen Gesellschaftsklassen-Schichten und -Elementen, die auf einmal »Demokratie und proletarische Revolution wagen« wollten. Sie »durften« es jetzt, weil im maoistischen China der GPKR die mächtige »volksrepublikanische« Gewähr eines »anderen realen Sozialismus« am östlichen, westlich-medialen Horizont »greifbar« schien (»China - die konkrete Utopie«, so nur einer der popularisierenden Buchtitel.« (S. 8)

Versuch, diesen Wortsalat zu entwirren:

PC verrät sich hier zunächst mit der Kombination«Demokratie und proletarische Revolution wagen«. »Mehr Demokratie wagen« war das Motto der Brandtschen Sozialdemokratie, die damals mit der FDP zusammen an der Regierung war, die damit mehr Unterdrückung der revolutionären Bewegung, z.B. durch den enormen Ausbau des BKA-Apparats, und mehr Aufpäppelungs-Spritzen für pseudemokratische, im Kern imperialistisch bestochene bürgerliche und kleinbürgerliche »Initiativen« meinte, um schließlich mit der kommunistischen Herausforderung gründlich fertig zu werden, teilweise auch durch Nutzbarmachung zähmbarer Teile derselben.

Die Gleichsetzung mit der Verfechtung der proletarischen Diktatur ist rational völliger Schwachsinn und eine bewußte Schmähung der damaligen kommunistischen Bewegung, die wirklich proletarische Diktatur wollte und deswegen mit der sozialdemokratisch ‚gewagten’ »Demokratie« schärfstens aneinander geriet und von dieser im Einklang mit der bürgerlichen Konterrevolution, aber effektiver als diese es gekonnt hätte, unterdrückt wurde.

(PC verrät allerdings hiermit auch ein kleines »Geheimnis«: es gab wirklich Richtungen in der damaligen kommunistischen Bewegung, die einen radikalisierten Sozialdemokratismus für proletarisch-kommunistisch ausgaben. Sollten bestimmte Erfahrungen im KBW ihn hier angeregt haben? Trotzdem ist festzuhalten, daß der Drang zum Kommunismus sich auch im KBW niedergeschlagen hat.)

Der andere hier enthaltene Anwurf gegen die damaligen Revolutionäre: weil die VR China damals eine reale sozialistische Macht war, eben ein Staat, sei bei ihnen in Deutschland sozusagen die Saite des »Staatsfetischismus« in Mitschwingung geraten, ihre Rebellion also eigentlich Autoritarismus  gewesen (und natürlich – das steht ja schon an anderer Stelle dieses Papierchens - sei es auch bereits eine grundsätzliche Verirrung in China gewesen, so etwas wie einen Staat der Diktatur des Proletariats zu bilden: das sei in Wirklichkeit eine Fortsetzung des kaiserlichen chinesischen Despotismus.)

Ja, man findet in der Tat bei Menschen, die das in ihrer Zeit Fortschrittlichste vertreten, auch immer irgendwelche Relikte oder Elemente von Reaktion. Anders ist Entwicklung nicht möglich. Jedoch Beimischungen von Autoritätsgläubigkeit, die sich auch in der chinesischen KR und bei den jugendlichen deutschen Revolutionären von vor 30 Jahren natürlich finden lassen, zur Denunziation der Bewegungen in dieser Weise zu nutzen, ist die alte antikommunistische Propagandamasche des bourgeoisen schwarzen Kanals. Das Fazit von PCs umständlichen Darlegungen deckt sich mit dessen Hetze: ‚die Kommunisten sind -psychisch schwer belastete - Autoritäre, unter ihnen wird es nicht besser, sondern schlimmer, und so ehrlich sie ihre Verirrungen nehmen mögen: sie landen am Schluß beim bürgerlichen Staat.’

W. Grobe
(Der Autor ist Mitglied der Redaktion Neue Einheit)

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