Thesen zum terroristischen Angriff auf das World-Trade-Center und die dort arbeitenden Menschen am 11.September 2001

1.

Diese Aktion war terroristisch und birgt weder in der Form noch in der Substanz irgendetwas Fortschrittliches. Sie steht in der Kontinuität z.B. der deutschen Reichstagsbrandstiftung, des italienischen Anschlags auf den Mailänder Hauptbahnhof, des Münchener Oktoberfestmassakers und ähnlichem. Gezielt wurde auf die Proletarisierten und nicht auf die Bourgeoisie. Beide Klassen werden vielmehr in eins gesetzt, konfundiert. Diese barbarische Aktion, diese konterrevolutionäre Konfusion treibt die Proletarisierten zunächst noch entschiedener in das Lager der kapitalistischen »Weltzivilisation«, die der wirkliche Boden aller heutigen Barbarei ist.

2.

Wenn in einer neuen Qualität pseudo-antiimperialistischer Aktionen heute unabweisbar zutageliegt, dass Terrorismus ein gravierendes Problem fürs Weltproletariat ist, dann gilt für uns Wissenschaftliche Sozialist/inn/en und Communist/inn/en die entscheidende theoretische und praktische Devise: Wer vom Terrorismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Genau dieses Schweigen zu brechen, kann nur unsere vordringlichste Aufgabe sein. Die krisenhafte kapitalistische Produktionsweise ist es, die Verzweiflung, Fanatismus und Terrorismus hervorbringt. Gegen diese ihre Symptome ist die Aufhebung dieser Produktionsweise, dieser Strukturkrise das einzig mögliche Gegenmittel.

3.

Der Anschlag trägt sowohl die Handschrift faschistischer »UNA-Bomber«-Sekten als auch fundamentalistisch-islamistischer Assassinen als auch der organisierten Mörder der Kennedies usw.usf.. Anstatt in Verschwörungs-Spekulationen zu geraten, müssen wir stattdessen ausschliesslich die Frage aufwerfen und offenhalten: Cui bono? Welchen politischen und sozialen Klasseninteressen, welchen strategischen Zielbestimmungen dieser Interessengruppen nützt diese Taktik, diese Aktion?

4.

Das Assassinentum ist Bestandteil der faschistoiden Weltreaktion: Dieser »Antikapitalismus«! ist virtuell und strukturell antisemitisch, er geht gegen »die parasitären Geldmenschen«. Dieser »Antiimperialismus« ist rassistisch, er geht gegen »den Weissen Mann«. Seine Aktionsformen sind zutiefst antimodernistisch-patriarchal gefärbt: Projektile, Introjekte einer Phallokratie gegen eine andere Phallokratie, deren Potenzsymbole sie kastriert. Wer mit derartigem phallosadistischen Sexismus klammheimlich oder offen sympathisiert, verrät sich als Linker selbst.

5.

Am 11.September 2001 ist die latente innere Krise des kapitalistischen Weltsystems in seinem entwickelten Zentrum an die äusserste Oberfläche getreten, herausgeplatzt, hat sich spektakulär manifestiert. Es ist sinnlich-evident geworden für breite metropolitane Schichten der Lohnabhängigen, die das glücklich verdrängt hatten, dass ihre Produktivkräfte sich in Destruktivkräfte verwandeln, solange das kapitalistische Produktionsverhältnis nicht aufgekündigt wird, und sich jetzt gegen diese scheinbar privilegierten Teile des Weltproletariats selber richten. Der lange, trügerische Schein ihrer Sekurität ist dahin. Diesen Schock, die Stillstellung des falschen Bewusstseins für Tage, die Chance des Augenblicks, zur Besinnung zu kommen und uns zu verständigen über unser »Sie wissen das nicht, aber sie tun es«, zu nutzen, ist unsere Aufgabe, auch wenn sie nur erst im Aussprechen abstrakter Wahrheiten zu bestehen scheint.

6.

Der latente Welt(bürger)krieg wird schubweise und unausweichlich zum manifesten Welt(bürger)krieg, und viele Menschen sprechen das Gefühl offen aus, dass »der dritte Weltkrieg« begonnen habe. Die öffentliche Meinung, gerade auch in Euroland und insbesondere der Berliner Kerneuropa-Republik, nutzt diese Stimmung zur Inszenierung einer medialen Generalmobilmachung, möglichst für einen weiteren Deutschen Herbst. Wer immer demnächst als Feindbild eines »Feldzugs für die Weltzivilisation«, eines Search-and -Destroy-Kommandos herhalten muss, unsere Aufgabe ist Bekämpfung und Mobilisierung gegen jeglichen polizeilichen und militärischen Einsatz des herrschenden Machtapparats. Die Staatsbarbarei, das staatliche Gewaltmonopol der herrschenden Kapitalistenklasse kann niemals das Subjekt von »Zivilisation«, »humanitärer Intervention«, »Terrorbekämpfung« oder sonstwelcher gesellschaftlichen Belange sein, die wir nicht selbst in die Hand genommen haben als Weltproletariat. Jeglicher Schulterschluss mit der NATO ist Schulterschluss mit den größten Terroristen im Weltmaßstab. Dabei schält sich immer deutlicher auch jetzt heraus, dass Kerneuropa/Euroland gegenüber dem Angriff auf die USA der lachende Dritte ist, dass die BRD sich immer mächtiger profiliert als das Bollwerk der Weltreaktion. Jede »linke« Bedienung des Antiamerikanismus hierzulande leistet ihm Vorschub, hat sozialpatriotische Funktion. Der Feind steht für diese Abteilung des Weltproletariats mehr denn je im »eigenen« Land.

7.

Vom falschen »Wir«, dem spektakulären Monolog der Herrschenden, - zum Wir des revolutionären Weltproletariats: kosmopolitisch, bedürfnisradikal, direktgesellschaftlich produktiv - müssen wir uns im eigenständigen Dialog wappnen gegen »die feindliche Brüderschaft« (Karl Marx) des Kapitals: Firmen, Staaten, religiösen, nationalistischen, rassistischen Wahn. Mehr denn je brauchen wir Orte, Räume, Stützpunkte und Knotenpunkte für diesen Dialog, echte revolutionäre Kommunikation über unsere Zwecke, Ziele und Mittel als Proletariat-das-sich-selbst-aufhebt. Beginnen wir jetzt damit, aufzuhören, wie die Fliegen an der medialen Scheibe der Gesellschaft des Spektakels klebenzubleiben. Denn die Bilder, die jeden Katastrophenfilm Holywoods durch ihre Realität ausser Gefecht gesetzt haben, markieren das Ende der postmodernistischen Illusion seit der Konterrevolution der Seventies: Den Zusammenbruch des Glaubens an die Allmacht der Simulation, der Allgegenwart der »Simulakren«, der Derealisierungs-Strategie. Der Einbruch der Krisenrealität des Kapitalismus in die Fototapete der spektakulären Waren-/Bilderproduktion hat die Kinder des Spektakels innerhalb weniger Stunden auf den Boden des Realitätsprinzips geschmettert. Der spektakuläre ununterbrochene Monolog gerät ins Stocken. Nutzen wir das für die Organisierung des communistisch-proletarischen Dialogs der Gesellschaft selbst.

8.

Nach der Shoah (hebräisch: »die Katastrophe«), nach Hiroshima und Nagasaki,, nach Tshernobyl - die alle noch verdrängt werden konnten - ist jetzt durch seine mehr symbolische Zerstörungskraft der katastrophische Charakter des modernsten Kapitalismus traumatisierend für die »privilegierteren« Schichten des Weltproletariats ins Bewusstsein gerückt, ja gestoßen worden. Das World-Trade-Center symbolisiert nicht nur sondern repräsentiert und umfasst die ganze Pyramide des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters - wenn auch eher im »Dienstleistungs«- und Zirkulationsbereich - von der Klofrau und Putzkolonne bis zur sich mit der Bourgeoisie verschmelzenden Führungskraft. Die ganze Angestelltenkultur ist in ihrem konstitutiven Verdrängungseskapismus bis ins Mark erschüttert: »Wir haben gelernt«, so der Vertreter eines Brokerhauses, »dass es noch etwas anderes gibt als Aktienkurse.« Diese Segmente des Weltproletariats, die jetzt zutiefst in ihrem Lebensgefühl erschüttert sind, weil sie gemeint haben, dass sie immer so weiter machen können unter der Käseglocke der besten aller möglichen Welten, müssen von nun an noch irrationaler, noch partikularistischer den Kopf in den kapitalistischen Alltagssand stecken oder sich was einfallen lassen und sich selbständig darüber verständigen, wie diese katastrophische Produktionsweise selber aufheben können, Produktion und Verteilung im Weltmaßstab in die eigenen Hände nehmen können. Die Grundbedeutung von communistischer Revolution wird in der Katastrophe neu und radikaler aktualisiert: altgriechisch heisst kata strefein = »den Boden umwälzen, dass das unterste nach oben kommt«, kata strophe = die »Schicksalswende«, wenn das Ruder herumgerissen wird. In diesem materialistischen, historisch zu begreifenden Sinne müsste die fällige communistische Revolution eigentlich Katastrophismus heissen. - Für ihre kapitalistische, blind-negative Seite hat Walter Benjamin schon 1940 festgehalten, was die Desillusionierten sich jetzt endlich eingestehen müssen:

»Dass es 'so weiter' geht, ist die Katastrophe.«

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