1blick in theorie praxis lokal frankfurt am main.
sozialistische studien - interne diskussion. Ende 2003 (P.C.Zwi.)
Hier die erste von zwei Positionen, die zur laufenden Selbstverständnisdebatte um eine genauere und zeitgemäßere Bestimmung der nun schon 4 Jahre zurückliegenden Gründungserklärung der -- damals noch sehr traditionalistisch dominierten -- Studienvereinigung vorgelegt wurden:
Vorschlag für eine fällige Neuformulierung der Grundsatzerklärung der Sozialistischen Studien Vereinigung / Theorie Praxis Lokal
zum 1. Satz:
statt »Die sozialistische Studienvereinigung ist ein Zusammenschluss von Menschen aus verschiedenen Strömungen der antikapitalistischen Linken in Frankfurt und Umgebung, die sich die gemeinsame Aneignung der von MARX datierenden revolutionären Theorie und des Wissens um die Zusammenhänge und Hintergründe der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zum Ziel gesetzt haben.«
wird folgende sinngemäße Umformulierung vorgeschlagen:
»Die sozialistische studien vereinigung THEORIE PRAXIS LOKAL ist ein Ort/Raum für die revolutionäre Kommunikation und Selbstorganisation von Menschen mit antikapitalistischer Zielsetzung, deren gemeinsamer Zweck die THEORETISCHE PRAXIS, oder »Praxis der Theorie« ist, d.h.: REKONSTRUKTION der von KARL MARX datierenden Theoriebildung mit wissenschaftlich-kritischem Anspruch, ihrer verschiedenen Entwicklungsanstrengungen, Richtungen und Schicksale sowie die ANEIGNUNG ihrer Analysemethoden, wobei unser Ziel zunächst die KONTROVERSE Erarbeitung von PROBLEMBEWUSSTSEIN ist -- keineswegs die Propagierung oder gar Schulung irgendeiner parteipolitischen bzw. sektenbildenden ideologischen »Weltanschauung« und ihrer »praktischen Anwendung«.
Deshalb setzen sich die TeilnehmerInnen auch keinen engeren theoriepraktischen Rahmen als den von KARL MARX einmal gegen tagespolitische Vereinnahmungsversuche abgegrenzten Begriff der »Partei Marx« als solcher: Von 'Partei' im ephemeren Sinne eines geheimen oder öffentlichen Vereins weiss ich nichts .. , sondern nur von 'Partei' im großen historischen Sinne -- nämlich nicht mehr und nicht weniger als dem »Parteibildungsprozess des Proletariats« im spontanen und resultativen Sinne »der Partei, die aus dem Boden der modernen Gesellschaft naturwüchsig sich bildet« (vgl. MEW30:490).
Die mehr oder weniger aktiven Mitglieder des Projekts theorie praxis lokal sind in der Regel selber Proletarisierte, da sie ihre Arbeitskraft an irgendeine Form von Kapital bzw. Staat zu verkaufen gezwungen sind, sein werden oder waren. Für diejenigen, die diese elementare Basistatsache nicht als ewig-«naturgegeben« hinnehmen bzw. verdrängen, sondern sich unserem gesellschaftlichen Sein bewusstseinsmäßig und kollektiv stellen und die gesellschaftliche Aufhebungsmöglichkeit von Lohnarbeit/Kapital zum Generalthema machen, ist es keine Phrase, wenn sie von der Kategorie des modernen und aktuellen Proletariats ausgehen, sondern schlichte »Daseinsform, Existenzbedingung« (MARX). Für unsere Motivation zur Aktivität ist das Bewusstsein über die schlichte, harte Tatsache entscheidend: »Die Arbeiterklasse ist revolutionär, oder sie ist nichts.« (MEW 31:446)
Seine historischen Gestalten und Verwerfungen, Emanzipationsversuche, Niederlagen und Irrungen, ja seine säkulare Katastrophe als revolutionäre Arbeiterbewegung im kapitalistisch hochentwickelten Westen, -- die von der Zulassung zweier Weltkriegsabenteuer und Konterrevolutionen der deutschen Bourgeoisie, kulminierend in der Shoah (hebräisch: Katastrophe) an den Juden in Europa, ermöglicht von der deutschen Arbeiterbevölkerung, untrennbar ist, -- sind fuer die Arbeit der Studienvereinigung Gegenstand der theoretischen Überprüfung (= Kritik), um die nächsten Anläufe in den Klassenkämpfen praktisch, effektiv-belehrt und vor allem realistisch-sensibilisiert organisieren helfen zu können -- jede/r in der ihr/ihm individuell gemäßen Form assoziierter Selbstbestimmung.
Deshalb ist eine weitere Zwecksetzung der Studienvereinigung die SELBSTTÄTIGE Befähigung aller TeilnehmerInnen zur radikalen Kritik im MARXschen Sinne, d.h. sich als historische MaterialistInnen kollektiv und solidarisch auszubilden zu Menschen, die zwar »keine besondere Partei gegenüber den anderen Arbeiterparteien« und Organisationsgebilden der Linken sind und die schon gar »keine von den Interessen des ganzen Proletariats gesonderten Interessen haben«, die aber versuchen, darin »praktisch der entschiedenste, immer weiter treibende Teil« zu werden eben in dem Maße, wie sie vor deren Masse »theoretisch die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus« haben (MEW 4:474), denn diese werden niemandem geschenkt, sie können nur selbständig und kollektiv erarbeitet werden. Die Studienvereinigung »organisiert« nicht mehr und nicht weniger als diesen Selbsterarbeitungsprozess. Sie ist somit keine »Organisation«, die den gängigen Organisationen realpolitischer Zweckdienlichkeit vergleichbar wäre. Sie ist aber auch kein Bildungs-Konsum-Verein, noch weniger gibt sie sich als »Forum« (latein.=Marktplatz) apparate-ideologischer Funktionäre oder überallherumgereichter linker PublizistInnen usw. her. Sie ist alles andere als »harmlos«, denn sie hat alle und jegliche Parteivereinnahmung, Sektenbildnerei und Szene-Mentalität zum offen erklärten Feind. Sie braucht keine Gläubigkeit und keine Orthodoxie, im Gegenteil: wer nicht radikal rational ARGUMENTIEREN mag und dies auch nicht lernen möchte, verschwindet in und aus der Studienvereinigung immer sehr bald von selbst, denn »Langeweile ist konterrevolutionär« (so die Situationisten-Devise) vor allem auch weil sie tödlich ist. Im Unterschied zu den gewöhnlichen »richtigen Organisationen« und den informell-ausgrenzenden linken Szenen brauchen wir gar keine »Säuberungen«, Ausschlüsse oder Ausgrenzungs-Intrigen, denn als unsere lebenserhaltende Gründungs-Devise hat sich endgültig durchgesetzt: wir SUCHEN STREIT.
Schon MARX hat die theoretische Praxis zum »Kopf der Leidenschaft« (anstatt zu »einer Leidenschaft des Kopfes«, für die sie von der traditionellen Linken immer noch gehalten wird) erklärt. Die Studienvereinigung sucht nicht den Streit um seiner selbst willen, sie ist keine debating society und auch kein linker Stammtisch, wo man sich mal rauft, um das Zusammensein zu spüren. Sie war nie Gemeinde und will auch keine Gemeinschaft sein. Deshalb ist die Studienvereinigung auch nicht der Ort für wechselseitige linke Bekenntnisse, Gesinnungsabgleich und die entsprechenden linken Abgrenzungsrituale und Vorab-Bezichtigungen (wie: bist du antideutsch oder antiantideutsch ...), sondern ein Ort, wo nur eines gefordert ist: rational für die Sache zu argumentieren, die die Leidenschaft im Kopfe hat: »Radikal sein heisst, die Sache an der Wurzel fassen.« (MEW1:385) Verbindlich ist für diese Leidenschaftlichkeit nur der ANSPRUCH, den FRIEDRICH ENGELS und KARL MARX als »WISSENSCHAFTLICHEN Kommunismus« formuliert haben -- der höchste theoretische Anspruch -- auch wenn das »wissenschaftlich« nach wie vor unklar ist --, den wir nicht hinterschreiten wollen, wenn wir ihn auch noch lange nicht erreichen können. Er gehört für revolutionäre Praxis-der-Theorie zum Kategorischen Imperativ.
Mit akademisch bornierter Wissenschaftlichkeit und »Seriosität« der reputierlichen akademischen Fliegenbeinzähler und Mode-IdeologInnen und ihrer karrieristischen StreberInnen hat das nichts zu schaffen als die ständige Feindberührung, die nicht abreissen darf. »Alle Spezialisierungen der Illusion dürfen an unabsetzbaren Lehrstühlen gelehrt und erörtert werden. Wir lassen uns in dem ausserhalb dieses Spektakels liegenden Wissen nieder -- wir sind keine staatlich anerkannten Denker.« (so hatten sich schon die Situationisten erklärt). Die Universität ist allerdings ein gigantisch hochvergesellschafteter Hochleistungsbetrieb wie andere kapitalistische Firmen auch, die einen oder anderen von uns mögen dort beschäftigt sein. Ausnahmen bestätigen also die Regel unseres erklärten antiuniversitären Verständnisses von kritischer Wissenschaft.
Die sozialistische Studienvereinigung teilt jedoch über diesen Selbstanspruch hinaus mit allen emanzipatorischen Segmenten und Projekten der gegenwärtigen Gesellschaft die unbedingten historisch-moralischen Verbindlichkeiten einer radikalen KRITIK DER PRAKTISCHEN VERNUNFT, welche sich als Reihe dreier historischer Setzungen eines KATEGORISCHEN IMPERATIVs formulieren lassen:
1. KANTs klassisch bürgerlicher kategorischer Imperativ:
für alle vernünftigen Wesen, ihre Handlungen jederzeit »nach solchen Maximen zu beurteilen, von denen sie selbst wollen können, dass sie zu allgemeinen Gesetzen dienen sollen.« Das heisst aber:«Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals als Mittel brauchst.« -- wobei gilt: dieser Imperativ ist »als absolut-, obgleich praktisch-notwendig« ein »Gebot«, dem auch wider die Neigung zu »gehorchen« ist und dessen Wesentlich-Gutes in dem Bemühen um seine Verwirklichung besteht, egal ob und welchen Erfolg er haben mag.
[»Der kategorische Imperativ ist also ein einziger, und zwar dieser: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« oder: »Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte.«] (Zitate nach R.EISLER. KANT-Lexikon. Hildesheim, NewYork 1972, S.267-273)
2. MARX' »Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist«. (MEW 1:385)
3. ADORNOs kategorischer Imperativ, unser »Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.« (»Negative Dialektik«, Frankfurt/M 1982, S.358. ADORNO fügt sogleich hinzu: »Dieser [neue kategorische] Imperativ ist so widerspenstig gegen seine Begründung wie einst die Gegebenheit des KANTischen. Ihn diskursiv zu behandeln wäre Frevel: an ihm lässt leibhaft das Moment des Hinzutretenden am Sittlichen sich fühlen. (...) Nur im ungeschminkt materialistischen Motiv überlebt Moral.«)
Zur Begründung der historisch-materialistisch zwingenden Notwendigkeit dieses dreifachen »kategorischen Imperativs« für revolutionäre Praxis-der-Theorie heute:
Der 1.kategorische Imperativ (KANTs) ist der nicht zu hinterschreitende der bürgerlichen Zivilisation und Demokratie: zu begreifen als überall und jederzeit von uns anzustrebendes Verhalten im Sinne der Aufklärung und Mündigkeit freier und gleichwertiger, selbstbestimmter gesellschaftlicher Individuen, die ihre Assoziation zum gemeinsamen vernünftigen Zweck des transparenten pursuit-of-happiness zu verwirklichen suchen. Er ist zwar noch idealistisch bürgerlich, bleibt aber als Postulat historisch-moralischer Bedingung der Möglichkeit für sozialistische Assoziation solidarischer menschlicher Gattungs-Subjekte konstitutiv. (Den Rückfall des NIETZSCHEanischen Sozial«DARWIN«ismus »Was schwach ist, soll man niedertreten!« gegen das Humansubjekt verbietet er ebenso kategorisch wie dessen irrationalistische Wendung einer »Aufklärung« gegen die Aufklärung, einer »Kritik«, und sei es »der Warengesellschaft«, gegen die Vernunft schlechthin als angeblich je nur bürgerlich mögliche, einer »linken« Zerstörung-der-Vernunft gegen das, was HEGEL »die Vernünftigkeit in der Geschichte« nennt und was MARX zuerst als die historisch-materielle Möglichkeit der Emanzipation des gesellschaftlichen Humansubjekts und des gesellschaftlichen Individuums aus der blind-naturwüchsigen Vorgeschichte eines »automatischen Subjekts«, einer gesellschaftlichen Pseudonatur nachgewiesen hat.)
Der 2.kategorische Imperativ (MARX') spricht die Notwendigkeit der sozialen Revolution zwecks Umsturz und Aufhebung jeder Klassengesellschaft aus: zu begreifen als historisch-materialistisches Erforschen und Praktizieren, Experimentieren der realen Bedingungen für eine vernünftige menschliche Gesellschaftlichkeit, die endlich die bewusste Kontrolle über ihre eigenen Produktionsbedingungen herstellt. Dieses historisch-moralische Postulat fordert von jedem emanzipatorisch tätigen Subjekt »die Waffe der Kritik« auszubilden, damit die radikale Theorie fähig werden kann, »die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem demonstriert« d.h. konkret-menschlich an den Proletarisierten selbst die Wurzel der Klassengesellschaft und der Möglichkeit ihrer Aufhebung sinnlich-evident in der Totalen zeigen kann. Dass dieser Aufweis einer längst fälligen »freien Assoziation freier und selbstbestimmt produzierender gesellschaftlicher Individuen« nur im gesamtgesellschaftlichen, d.h. heute aber weltgesellschaftlichen Maßstab möglich ist, versteht sich ebenso von selbst wie die darin einbeschlossene organisierte Parteinahme, Parteilichkeit für das internationale Proletariat-das-sich-selbst-aufhebt.
Der 3. kategorische Imperativ (ADORNOs) ist endlich zu begreifen als konkrete historische Folgerung aus der Katastrophe, die das 20.Jahrhundert nicht allein für die Arbeiterbewegung und die proletarische Revolution angerichtet hat, sondern allererst für die gesamte menschliche Zivilisation in der hochentwickelten bürgerlichen Welt Europas an den Juden. Der aus dieser Katastrophe des ganzen menschlichen Fortschritts -- aus der Shoah (hebr.: »die Katastrophe«) -- heraus gesetzte historisch-moralische Imperativ ist zugleich ein besonderer, nämlich gegen dieses Resultat der deutschen Geschichte, der »Deutschen Zustände/Misere« (MARX,ENGELS) zu richtender Imperativ im Sinne des schon mit dem MARXschen Kategorischen Imperativ einhergehenden Aufrufs: »Krieg den deutschen Zuständen!« -- und deren Bestandteil, ja Kern sind wir hierzulande unweigerlich, da wir hier als ein Teil des internationalen Proletariats leben, geprägt ob wir wollen oder nicht als historisch-kulturell-mentale Gesellschaftindividuen durch die fatale Besonderheit des deutschen »Volksstaats«, der diese weltgeschichtliche Katastrophe nicht nur angerichtet hat sondern sogar noch weiter davon profitiert.
Aus diesem DREIFACHEN KATEGORISCHEN IMPERATIV allein ergeben sich auch die Abgrenzungen und Ausgrenzungen/Ausschliessungen, an denen die Sozialistische Studienvereinigung mit und innerhalb der heutigen Linken, soweit sie sich zur radikalen Emanzipation des Humansubjekts bekennen möchte(n), kompromisslos festhalten muss:
Der 1.(=KANTsche) Kategorische Imperativ schliesst jede Attitüde einer »Zerstörung der Vernunft« im Ansatz aus: OFFEN irrationalistische akademische Modephilosophien z.B. ebenso wie stillschweigend sektengläubige, antiintellektualistische usw. Ressentiments und Diskriminierungen sowie andere Formen und Untertöne von Theorieverachtung, wie sie in linken Organisationen und Szenen noch immer zum guten Ton gehören oder als lässliche Sünde der »echten Malocher gegen die abgehobenen Hirnwichser« durchgehen, sind in der SSV nicht am Platz. Ebensowenig vulgärfeministische Ranküne gegen theoretisches »Dominanzverhalten« bzw. demagogischer Machismo, der sich mit theorieverachtendem »realpolitischen« Machertum spreizt und »die Praxis« im Sack zu haben beansprucht. Hiergegen kann nur rationales, geduldiges Argumentieren bestehen; wer dagegen politisch korrekte »Diskurse« und Gesinnungs-Konstrukte qua »Definitionsmacht durchsetzen« möchte, ansonsten »geht«, -- der/die gehe.
Der 2.(MARXsche) Kategorische Imperativ schliesst reformistische und etatistische »Modelle« bzw. theoriestrategische Vorgaben aus, SOWEIT SIE ERKLÄRTERMAßEN VORAB den Schluss des Kommunistischen Manifests (MEW 4) VERWERFEN: dass unsere emanzipatorischen »Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.« oder soweit sie jemandem verbieten wollen, diesen Schluss »offen zu erklären« nach aussen hin. NB geht es der Studienvereinigung nicht um die Ausgrenzung oder Stillstellung aller möglichen REVISIONEN der MARXschen oder ENGELSschen Theoreme, noch um eine Diskriminierung der realpolitischen sozialistischen »Reformstrategien«, ob »radikal« oder nicht. Auch und gerade die von LENIN, TROTSKY e.a. datierenden parteistaats-kommunistischen Modelle und Experimente -- mit ihren nie zu retuschierenden Hekatomben -- müssen endlich »grausam-gründlich« aufgearbeitet werden -- aber hier nicht um den Preis, die wissenschaftlich-kommunistische Zielbestimmung als solche a limine zur »blutigen Utopie« erklären zu lassen oder auf Motti wie »Die Bewegung ist uns alles, das Ziel nichts« dogmatisch herunterfixieren zu lassen oder mit »wirtschaftswissenschaftlichen«, »regulationstheoretischen« Weisheiten (»Warenfetischismus und Staat usw. werden sich nie aufheben lassen, als Regulatoren werden sie immer gebraucht«) kathedersozialistisch abzutun.
Ebensowenig lässt es der MARXsche Kategorische Imperativ jemals zu, Denkungsarten, Sprüche und Appelle á la »Bomber-Harris do it again!« unter unseren Diskursen zu dulden, weil sie nicht nur barbarisch und bestialisch dumm, sondern schlicht unmenschlich sind und überdies eine schamlose Massen- und ProletarierInnen-Verachtung und klein-bürgerliche Vernichtungswut (furor teutonicus) und sadistische Ranküne gegen die Massen, die man nicht überzeugen und gewinnen konnte (»die Strafe für die Frankfurter«, »Keine Dräne für Dresden« usw.) an den Tag legen.
Der 3.(=ADORNOsche) Kategorische Imperativ schliesst selbstverständlich von vornherein alle (leider auch in der Linken eingerissenen) Figuren von Auschwitzleugnung (»eine Erfindung imperialistischer Kapitalistengruppen, um das deutsche Proletariat zu erpressen«), Übergehen (»für revolutionäre Proletarier kein Thema« / »radikale Linke können eh keine Antisemiten sein« usw.) sowie Bagatellisieren und Desingularisieren (»nichts als eine Modernisierungsstation der Wertvergesellschaftung«; »die normale bürgerliche Demokratie ist mindestens so schlimm wie die faschistische Herrschaftsform, NS ist ein Popanz« usw.) aus. Er fordert zu höchster Sensibilität und Unversöhnlichkeit angesichts der Shoah auf -- als DER bisherigen, unvergleichlichen Katastrophe der bürgerlichen Gesellschaft, darin kulminierend der ganzen bisherigen Weltgeschichte und darin eingeschlossen auch der proletarischen Revolution und der Arbeiterbewegung, wobei keine andere als die deutsche die historische Verantwortung hat. Historische Materialisten haben sich diesem epochalen Versagen -- je länger seine Auswirkungen andauern und sich kumulieren, um so mehr -- theoretisch und praktisch mit allen ihren Kräften allererst zu stellen, denn es ist nicht nur bis heute weitgehend verdrängt und zugleich staatlich sakralisiert-verwaltet worden, sondern es ist die kumulierte herrschende Grundlage und Gewähr für die Vorbereitung von »ÄHNLICHEM« durch dieselbe Täter-Bourgeoisie, wie die bereits erneut geführten Kriege des Deutsch-Euroland-Projekts beweisen. Was ADORNO um 1940 feststellte: es sei »all das, was wir unterm Aspekt des Proletariats zu sehen gewohnt waren, heute in furchtbarer Konzentration auf die Juden übergegangen« und damit die Frage, ob wir als Historische Materialisten nicht »die Dinge, die wir eigentlich sagen wollen, im Zusammenhang mit den Juden sagen sollten, die den Gegenpunkt zur Konzentration der Macht darstellen« -- ist vollkommen unabgegolten: genau dieser Zusammenhang muss ab der Shoah festgehalten, der Verdrängung entwunden und in revolutionärer Theorie und Praxis aufgelöst werden, bevor die Proletarisierten -- in besonderer Weise, besonders gründlich im »Standort Deutschland« -- diese säkulare Verschiebung wiederum aufheben und ihre Gesellschaftsklasse an und für sich endlich zum bewussten »Gegenpunkt der Konzentration der Macht« von Kapital/Staat (»Volksstaat«) usw. machen können. Alles darunter bleibt Mystifikation, die der kapitalistischen »Alltagsreligion« (MARX), dem antisemitischen Wahn in dieser Gesellschaft nur weiter Vorschub leistet. Der ADORNOsche Kategorische Imperativ unterliegt keiner »proletarischen« Instrumentalisierung, wenn wir durch ihn in ungemildertem Realitätssinn die unstillbare, unerträgliche Wunde offenhalten, die durch JEDE BÜRGERLICHE Barbarei/Zivilisation nur noch vertieft und erst mit der »Erlösung« der Gesellschaftlichkeit durch die kommunistische Revolution ihrer gesellschaftlichen Trauerarbeit in aller Breite und Tiefe bewusst und radikal-menschlich zugänglich gemacht werden kann: darüber, wozu unser Zurückbleiben in der Vorgeschichte der Menschheit bis jetzt »schon« geführt hat, und darüber, dass zu Viele noch immer über den Antisemitismus und Auschwitz reden aber vom Kapitalismus schweigen möchten -- oder umgekehrt.
Alle drei Formulierungen des Kategorischen Imperativs gebieten keineswegs ein Stehenbleiben auf der Ebene einer »Philosophie des Als-ob«, einer mehr oder weniger bequemen abstrakten Moralität, die ja doch nicht praktisch, sondern höchstens aus dem Mute der Verzweiflung heraus »negativ-dialektisch«, polemisch und denunziatorisch-provokatorisch werden könne. Sondern als »Kritik der moralisierenden Kritik« begriffen führen sie dreifach verstärkt direkt zur Praxis-der-Theorie: die Verhältnisse konkreter zu analysieren, das dazu notwendige Durcharbeiten der Methoden und Kategorien seit MARX erneut aufzunehmen, die möglichen Vermittlungen in die vor sich gehenden Praxisformen der Gegenwart hinein zu ertasten und zu erschliessen, sie auf den Begriff zu bringen und schliesslich in experimentelle Formen ästhetischer, sinnlicher Evidenz ... so ist die Aufgabe gestellt, hier müssen wir tanzen und springen. »Den versteinerten Verhältnissen ihre eigene Melodie vorspielen« heisst zusammen lernen und organisieren, die herrschenden Ideologien infragezustellen und an der Aufhebung des kapitalistischen Systems, d.h. an der Überwindung der zerstörerischen Blindheit aller produktiven Prozesse, die es hervortreibt, zu arbeiten. Wir sehen uns bei aller Verschiedenheit der hier vertretenen Ansätze als Teil der emanzipatorischen Traditionen der revolutionären Arbeiterbewegung, deren Ziel wir teilen, weil es sich nach allen bisherigen Erfahrungen mit der blutigen Utopie des »wunderbaren Kapitalismus« als einzig menschlich-realistischer Ausweg erweist: eine weltgesellschaftlich-commune »Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden Individuums die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.«
(NB: dieser Umformulierungsvorschlag ist nur erst ein sinngemäß-inhaltlicher, für eine Einarbeitung in die GRUNDSATZERKLÄRUNG müsste er selbstverständlich extrem kürzer gefasst werden.)