Mittwoch 12. April 2000, 19.30 Uhr

Peter Christoph

Proletariat als Prozess. Von den Marx´schen Kategorien zur Aktualität.

Das Verhältnis der westlichen Linken zum Proletariat glich im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts einer Achterbahnfahrt: zwischen dem Jammertal des »Abschieds vom Proletariat« und der himmelhochjauchzenden »Wiederkehr der Proletarität« - oder umgekehrt. Bei der verzweifelten Suche von immer weniger Unentwegten nach der empirischen Existenz und atomisierten Strukturierung dieser fundamentalen Gesellschaftsklasse scheint der Begriff selbst längst verlorengegangen: unter dem soziologischen Datenschutt wurde die »Daseinsform, Existenzbestimmung« (Marx über die Kategorie) unsichtbar, während die Proletarisierung immer weiterer Teile der Weltbevölkerung als Prozeß der Negation und Destruktion extensiv und intensiv ein nie gekanntes Ausmaß angenommen hat. Wir sehen also den Wald vor Bäumen nicht mehr. Hier geht es deshalb erst einmal um eine Rekonstruktion des Begriffs in der wissenschaftlichen Annäherung ab Marx. Die verschüttete Dimension kommunistischer Theorie und Praxis wird über die Marx´sche Kategorie des »Produktiven Gesamtarbeiters« freigelegt. Zu entdecken sind historische MaterialistInnen wie Rosa Luxemburg, Walter Benjamin, Raya Dunayevskaya, der unbekannte Lukács, der nichtrezipierte Hans-Jürgen Krahl und die Situationisten... Kritisch zu würdigen sind dabei auch mehr oder weniger strukturalistische Positionen und einzelne Vertreter der Regulationstherorie. Überraschend kann die Rekonstruktion des gleicherweise verschütteten, entstellten und diskriminierten psychoanalytischen Zugangs (Otto Fenichel u.a.) eine Alternative provozieren zum gängigen postmodernistischen Abschied vom Subjekt.
»Das Proletariat ist revolutionär oder es ist nichts.« (Karl Marx) Daß es heute hierzulande einstweilen nichts ist und warum - diese Diskussion ist zu eröffnen.

 

 

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