6 Thesen zur krisenhaften Entwicklung der kapitalistischen Agrikultur und zu einigen Problemstellungen ihrer kommunistischen Aufhebung (Ende)

6. Von der Agrikultur zum real - existierenden Garten Eden

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lilith Die Abschlussthese wendet sich nochmals der Agrikultur zu. Die Diskussion um eine Agrarwende nach dem »deutschen« Rinderwahnsinn 2001 beschränkte sich in alt bekannter Medienmanie(r) als Klassenkampf von oben auf kurzfristige Sicherung der laufenden Profite des im Ernährungsgewerbe eingesetzten Kapitals, auf die Erhaltung des Landfriedens der deutschen Provinz, auf die Selbstbezichtigung der Massen. Solche Events sind allenfalls Anzeiger der grundlegenden Problemlage der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der Menschheit.

Die 80er Jahre Propaganda, das Reagenzglas könnte den Acker ersetzen, sind längst verstummt. Mit jedem Tag weltweiter kapitalistisch vergesellschafteter Forschung und mit jedem präsentierten Genomprojekt erfahren die Wissenschaftler ihre abgrundtiefe Ahnungslosigkeit darüber, nach welchem Modus sich lebendige Materie tatsächlich selbst organisiert. Die Bio- & Gentechnologie kann den Ackerbau mittelfristig nur modifizieren, der Ackerbau bildet auf absehbare Zeit die Nahrungsgrundlage der Erdbevölkerung, oder genauer derjenigen Hälfte der Lohnsklaven, welche durch den Verkauf  ihrer Arbeitskraft das notwendige Kleingeld haben, sich ihre Lebensmittel zu kaufen.

Der kapitalistische, also profit-orientierte Weg/Pfad einer durch den Lohnsklaven selbst gentechnisch modifizierten Natur nach kapitalistischem Ebenbild ist ein qualitativer Sprung in der Geschichte der Gattung Mensch. Er erscheint kulturgeschichtlich als der vorläufige Höhepunkt der Menschheitsgeschichte, als der Geschichte ihrer gesellschaftlichen Arbeit, durch welche sie sich Schritt für Schritt als Gesellschaft auf wachsender Stufenleiter aus dem anorganischen & organischen Naturzusammenhang herausarbeitet, ohne diese Grundlagen jemals verlassen zu können. 

Zur im Mythos der christlichen Schöpfungsgeschichte gekleideten Arbeit der Gattung

In der Schöpfungsgeschichte des judäisch/christlichen Monotheismus (Das erste Buch Moses; Übersetzung Martin Luther)begegnet uns die Geschichte unserer Arbeit in mythisch verkleideter Form. Im ersten Schöpfungsakt ist der vorgefundene, unverstandene Naturzusammenhang in die Hände Gottes gelegt – als der Allmacht und der absoluten Wahrheit. Als Gottheit schafft sie Himmel, Erde, Wasser, Tier- und Pflanzenarten. Anschließend schuf Gott den Menschen als Mann und Weib zu seinem Ebenbild, auf dass sie sich die Erde untertan machten. Am siebten Tag ruhte Gott von seiner Arbeit.

Demnach schafft Gott den Menschen in einem gesonderten zweiten Schöpfungsakt aus Erde und setzt ihn in den Garten Eden zu dessen Kultivierung nach seinem Plan. Das ebenbürtige Weib wird hierbei allerdings nicht mehr erwähnt. Vielmehr treffen wir nur noch den Menschen als Mann, aus dessen Rippe Gott die Frau als des Mannes Gehilfin formt. Die Allmacht hat sich zu ihrem eigenen Ebenbild ein Menschengeschlecht gemacht, welches noch ohne eigenen Willen ist, als gehorsamer Erfüllungsgehilfe seines göttlichen Plans. Daher braucht dieses Menschengeschlecht keine Ethik in seinem Alltagshandeln. Denn Gut und Böse liegen in Gottes Vorsehung, solange das Geschlecht nicht vom Baum der Erkenntnis ißt. Der Lohn dieses knechtseligen Geschlechts für seine Anerkennung Gottes als absolute Wahrheit und Herrn ist das ewige Leben ohne Mühsal.

Dieser Garten Eden ist die mythische Verkleidung für die unschuldige Einbettung der Vor-Menschheit in die übermächtige Natur. In dieser frühesten Phase der Menschengattung ist die Produktivkraft ihrer Arbeit so gering, dass sie sich nur die mehr oder weniger reichlichen Gaben der organischen Natur unterschiedlichster klimatischer und geographischer Ausprägungen »pflücken« konnte. In diesem Stadium ist die Gattung noch nicht gezwungen & fähig zur ständigen Arbeitsalternative zwischen zweckdienlichem Richtig oder Falsch, Nützlich oder Schädlich, zur Unterscheidung zwischen Gut oder Schlecht (Böse), zwischen gesellschaftlichem & individuellem Handeln, zwischen Unlust  & Lust, Verbot & Gebot.

fDer dritte Schöpfungsakt ist die als Mythos verkleidete Form der Selbstschöpfung des Menschengeschlechts durch die eigene Arbeit. Der Sündenfall als Abfallen von Gott ist die Entscheidung des Menschengeschlechts, nicht mehr vom Baum der Erkenntnis lassen zu können und zu wollen. Es wendet sich von Gottes Plan ab und trifft eigene Entscheidungen über Gut und Böse, entdeckt die Lust der Neugier, Erkenntnis & Forschungstriebe, des Zweifelns und der Sublimierung. Das ist der erste Schritt hin zur Möglichkeit der Überwindung des Sterbenmüssens - als Gattung (»Baum des Lebens«). Indem es seinen eigenen Namen ausspricht: »Adam und Eva«, erkennt es in sich selbst den Erzeuger seiner Gattungsgeschichte. Deshalb wird es aus dem Paradiesgarten Eden vertrieben. Seine Strafen sind Endlichkeit und Maloche. »Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen« ist seither das Los der endlosen Generationenreihe sesshafter Ackerbauern.   

Zum historisch langen Weg des Übergangs zu Kapital und Lohnarbeit

Mit der Steigerung der Produktivkraft der gemeinschaftlichen Arbeit zerfällt der gemeinschaftliche Besitz an Grund und Boden und Vieh der Stammesgesellschaften in parzelliertes privates Eigentum und private Herden. Die monogame, patriarchale Familie bildet sich als entsprechende Verkehrsweise aus. Der Übergang von lokalen Gentilverfassungen zu antiken Sklavenhalter-Klassengesellschaften und zentralisierten Staatsbildungen wird beschleunigt durch den sich entwickelnden Handel und Anhäufung von Handelskapital und Schuldknechtschaft der vorher freien Bauern – ihre massenhafte Verwandlung zu Sklaven.

Hier hat die Produktivität der gentilen gemeinschaftlichen Arbeit jenen historischen Umschlagspunkt erreicht, dass jede durchschnittliche Arbeitskraft ein über ihren eigenen Bedarf hinausgehendes verkaufbares Mehrprodukt zuvorderst in der Agrikultur, dem Wasserbau, dem Bergbau, der Manufaktur, der Handelsschifffahrt erzeugen kann. Vor diesem menschheitsgeschichtlichen Wendepunkt wurden die männlichen Mitglieder besiegter Stämme regelmäßig getötet – es gab keine Verwendung für sie für den Sieger. Frauen und Kinder dagegen wurden als fruchtbringend im eigenen Stamm integriert. Nach diesem historischen Umschlagen der Produktivkräfte zur (klassen)gesellschaftlichen Arbeit lohnt sich die Umwandlung verschuldeter Bauern und Kriegsgefangener zu Sklaven. Im ausgedehntem Sklavenhaltersystem der antiken Staaten (z.B.: Athen 50.000 zu 500.000) entfaltet sich die Geldform in der Gebrauchswertgestalt des Sklaven zu zinstragendem Kapital.

Die Agrikulturarbeit erscheint hier als Plackerei. Der Ackerbau ist jedoch zugleich in-die-Zucht-nehmen von Pflanze und Vieh. Die konkreten Tätigkeiten der Agrikultur fächern sich im Laufe der Zeit arbeitsteilig auf und erhöhen den Ertrag der Arbeit. Diese Arbeit ist zugleich Kreativität und ständige Notwendigkeit zu Entscheidungen, sie bedarf einer Ethik. Die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit treibt eine sich ständig umwälzende gesellschaftlich gegliederte ländliche/städtische Arbeitsteilung hervor. Die unabhängigen privaten Produzenten tauschen ihre Arbeitsprodukte nach Maßgabe der zu ihrer Herstellung gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit. Ihr Tauschwert hat sich zum Geld als selbstständiger gesellschaftlicher Gestalt des Wertes fortentwickelt.

Zu industriellem Kapital kann sich Geld ausschließlich verwandeln durch den Einkauf von Arbeitskraft, die in Verbindung mit entsprechenden Produktionsmitteln gesetzt wird. Die doppelt freie Arbeitskraft erschien erstmals in der Phase nach 1470 im Massenmaßstab auf der historischen Bühne. Die freien Bauern Englands wurden vom Feudaladel von ihrem Boden vertrieben und somit doppelt freie Lohnarbeiter (»frei« von Boden und den dazugehörigen Produktionsmitteln sowie frei von feudaler Leibeigenschaft; gleichzeitig verwandelte sich übrigens der feudale Vogt schon damals zum kapitalistischen Pächter). Massenhaft irrten Vogelfreie durchs Land und Geld vermochte erstmals in der Menschheitsgeschichte freie Lohnarbeitskraft im Massenmaßstab einzukaufen.

Hierbei verselbstständigt sich der Wert, wird produktiver Kapitalwert, der sich selbst verwertet, indem er Arbeitskräfte einkauft und im Arbeitsprozeß verwertet. Die lebendige Arbeit erhält mittels ihrer jeweiligen spezifischen konkreten Ausformungen erstens den alten Wert des fixen Kapitals in Gestalt der Gebäudemassen, Maschinerie  und überträgt zweitens den Wert der Arbeitsgegenstände und Hilfsstoffe und den Verschleißanteil des fixen Kapitals auf die neuen Produkte. Der Selbstzweck der Selbstverwertung des Werts kommt jedoch nur durch den Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft zum Tragen: durch die Arbeit setzt der Proletarier dem Produkt gleichzeitig mehr Wert zu, als seine Arbeitskraft kostet.

Somit verkehrte sich der dritte Schöpfungsakt – die Selbsterschaffung des Menschen durch seine Arbeit – dahin, dass das Kapital als vergegenständlichte, tote, vergangene Arbeit (in den Gestalten Maschinerie, Waren, Geld, Gebäuden, Grund & Boden) über die lebendige Arbeit – als Naturalform des variablen Kapitals – herrscht als ihr fremde Macht – als undurchschaubare zweite gesellschaftliche Natur – scheinbar zum Gott aufgestiegen, welcher als Kapital Zins heckt, wie Gott Vater seinen Sohn – von der im Kopf projizierten Gottesherrschaft der Sklavenhalter- und Feudalgesellschaften zur kapitalistischen Klassenherrschaft des Menschen über Menschen, abgesichert durch den Staat der Bourgeoisie.

Zur Problemlage der Agrikultur im Zeitalter von kapitalistischer Bio- und Gentechnologie  

Ein Milliarden zählendes Lohnsklavenheer vergießt inzwischen kontinuierlich Schweiß, Blut und Tränen – vampirartig ausgesaugt durch das Kapital, welches sich über die Agrikultur hinaus die gesamte materielle Produktion einverleibt hat. Die einhergehende Heraustreibung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit  in Gestalt einer biologisch grundlegend modifizierten Natur nach »kapitalistischem Ebenbild« ist ein qualitativer Sprung in der Geschichte derf Gattung Mensch. Diese technologische Praxis ist geschichtlich nur angemessen zu fassen als »vierter Schöpfungsakt«, als moderne Fortsetzung der mythischen Reihe der drei Schöpfungsakte der Genesis. Denn diese Praxis greift »schöpferisch« modifizierend ein in die Eigenart der sich selbst organisierenden Reproduktion lebendiger Materie, wie sie sich seit Milliarden von Jahren auf diesem Planeten entfaltet. Unter der Fuchtel des Kapitals jedoch erscheint dieser »Schöpfungsakt« eher als eine erneute Öffnung der Büchse der Pandora: der Freisetzung bisher unbekannter, nicht abschätzbarer Plagen.

Die kapitalistisch gepushte Bio- und Gentechnologie verschlimmbessert die vorgefundenen Grundlagen einer Agrikulturepoche, welche selbst schon äußerst problembeladen ist. Der nachgewiesene 8000 Jahre andauernde Ackerbau hat das Gesicht der Erdoberfläche vor allem in den letzten 200 Jahren kapitalistischer Ausprägung grundlegend verändert. Die Jahrhunderttausende währende Züchtung von Steppengräsern zu Getreidearten brachte Sicherheit in der Ernährungs-grundlage einer zunehmenden Population. Sie wurde aus der Not geboren und sichert auf den jetzigen Züchtungserfolgen die Ernährungsgrundlage von 6 Milliarden Menschen – wenngleich gleichzeitig 40.000 unterernährte Kids pro Tag weltweit verrecken. Damit ist das Entwicklungspotential der Getreidearten sicherlich noch nicht ausgeschöpft.

Zugleich führte der moderne Ackerbau zur Versalzung und Versteppung riesiger Territorien; zur Absenkung des Wasserspiegels, durch Rodung der Wälder zur Erhöhung  von Überschwemmungsgefahr; er ist begleitet von der Erosion der Böden durch Wind und Wasser sowie der universellen Verseuchung mit chemischen Langzeitbomben; er reduziert tendenziell die Bodenlebewesen auf Schädlinge (z.B. von ehemals 55.000 Arten Bodenlebewesen europäischer Durchschnittsböden auf jetzt weniger als 5.000). Zur Erzeugung von Getreide mit modernen Anbauverfahren muß mehr fossile Energie zugeführt werden, als in ernährungsphysiologisch verwertbaren Kilojoule letztendlich entnommen werden kann. Die globale Verallgemeinerung metropolitaner, agroindustrieller gentechnologischer Verfahren wird uns die Problemlage der Agrikultur mittelfristig noch drastischer vor Augen führen.

Offensichtlich wird die Menschheit bis heute mit dem Ackerbau schicksalsmäßig verschmolzen. In der gesamten Epoche des Kapitalismus ist die sozialdarwinistische Ideologie der »Überbevölkerung« dementsprechend verknüpft mit der Höhe des Ernteertrags des Ackerbaus. Um 1800 sieht der Pfaffe Malthus die Größe einer Bevölkerung vukgärökonomisch durch den Bodenertrag begrenzt. Anstatt die laufende Produktion von »Übervölkerung« als allgemeines Gesetz der Akkumulation des Kapitals zu begreifen (Erzeugung der industriellen Reservearmee durch ständige Ersetzung lebendiger Arbeit durch tote Arbeit in Form der Maschinerie).  Heute gilt dies für die zahlreichen neomalthusianischen Anhänger des modernen Sozialdarwinismus für den gesamten geldmittellosen Anteil der Weltbevölkerung. Dabei sieht jedes Kind: es handelt sich ausschließlich um Milliarden (über)flüssiger Hände im Sinne & Interesse kapitalistischer Produktionsverhältnisse – keineswegs jedoch im Sinne der Potenzen von 5 Milliarden menschlichen Köpfen, Herzen, Sinnen und paar Händen zur möglichst vernünftigen Entwicklung der planetaren Gesellschaft.

Zu den materiellen Grundlagen des real-existierenden Garten Eden

Wenn die Gesellschaft vom Ackerbau als zentraler Quelle der Grundnahrungsmittel langfristig gezwungenermaßen unabhängig(er) werden muss, dann stehen gegenwärtig randständige Kulturformen als Alternativen zur Auswahl. An erster Stelle stehen dauerhafte Baumkulturen. Ihre Photosyntheseleistung übertrifft jene des Ackerbaus beträchtlich; sie bedürfen jenseits von Monokulturen wenig Arbeitsaufwand und fossilen Energieinput. Genauso wie die Getreidearten sind die Holzgewächse seit hunderttausenden Jahren kultiviert worden zu reichhaltigen Nutzungsformen. Die Entwicklung einer dendritischen (=Holzgewächse-) Kultur kann zurückgreifen auf hochwertige kohlenhydrat-, eiweiß- und fetthaltige Baumfrüchte. Baumkulturen, wie Kochbanane, Eßkastanie, Sago- und Affenbrotbaum, Feigen- und Dattelbaum sind die kohlenhydrathaltigen Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung ganzer Erdregionen seit Menschengedenken. Ebenso die öl-, fett-, eiweißhaltigen Baumkulturen der umfangreichen Nüsse und Samen tragenden Arten. Der heutige Obstverzehr beruht fast vollständig auf Holzgewächsen. Die städtischen Zentren sind von jeher von Gartenstädten umgeben, in denen Gemüse- & Kräuter-Gartenkulturen lokal organisiert und verstreut durchsetzt sind/waren mit fruchttragenden Baum- und Sträucherkulturen. Die höchstentwickelten Oasenkulturen sind geradezu Sinnbild für Gartenkulturen geworden. Nebenbei sind Holzgewächse noch optimale Wasserstand- & Klimaregulatoren sowie Lieferanten hervorragenden Baumaterials und Fasern für Verbundfaser-Werkstoffe der Zukunft etc.

Neben den Holzgewächsen als Quelle kohlenhydrat-, fett-, und eiweißhaltiger, vitamin- & spurenelementreicher  Lebensmittel  ist die Bewirtschaftung der Gewässer – die Aquakultur – als hochwertige Eiweiß- & Mineralsalzquelle heute ebenfalls randständig geworden. Dabei ist gerade sie faktisch unbegrenzt ausbaubar auf Basis einer Mannigfaltigkeit einzelliger Plankton- und Algenarten. Der heutige Stand der Technik von Gewächshauskulturen z.B. sichert pro Hektar die kontinuierliche Versorgung Tag für Tag von 7000 Menschen mit hochwertigem Eiweiß ab, während ein heutiger guter Weizenertrag von 10 Tonnen/ha vielleicht 15 000 Stück 1kg-Brotlaibe/Jahr ergibt (~ 2 Wochen heutiger Brotration für 7000 Konsumenten) und in der Tierproduktion verfüttert den Eiweißbedarf von 7000 Menschen für 2 Tage deckt.

Alles in allem läßt sich als zu diskutierende Arbeitshypothese festhalten, dass das neomalthusianische Gerede von einer Übervölkerung der Erde biologistischer Sozialdarwinismus ist auf Grundlage linearer Fortschreibungen der herrschenden Agrikultur und dass eine Gartenkultur (=hortensische Kultur) auf Basis der Holzgewächse (=dendritische Kultur) sowie Aquakultur die nahrungs-biologische Grundlage einer Gesellschaft bilden können, die keine zahlenmäßige Begrenzung der Weltbevölkerung kennt.

Diese Reflexion einer menschlichen Ernährungsgrundlage jenseits des Ackerbaus ist kein utopisches: »So wird es kommen!« oder/und »So wird die Erde als harmonischer Garten Eden sein, wo die Menschheit unschuldig wie im zweiten Akt der Schöpfungsgeschichte lebt, bar jeder Notwendigkeit einer Ethik«. Vielmehr bezweckt diese historische logische Skizze (von randständigen Kulturen der jetzigen Erzeugung der menschlichen Lebensmittel zu allgemeinen, grundversorgenden Kulturen) die Hirnaufweichung des zementierten, unreflektierten »weiter so«  einer »öko«kapitalistischen Agrikultur. Deren bornierte Fortschreibung kommt nicht hinaus über agrikulturelle Variationen eines grundlegend  kulturpessimistischen Szenarios, dessen Spektrum zwischen ökofaschistischen Gruhl- und ökostalinistischen f Harich-Phantasien aufgespannt ist als Phantasma einer Anti-Wachstums- & Anti-Bedürfnis-Diktatur.

Andersherum, historisch-materialistisch geht es tatsächlich um die angemessene sachliche Unterfütterung & Einlösung des uralten Traums der Menschheit vom Garten »Eden« als einem permanenten Selbstschöpfungsakt der Gattung durch die dynamische Entfaltung der Produktivkraft ihrer gesellschaftlichen Arbeit. Wo der Mensch die Maschinen dasjenige machen läßt, was diese erledigen können, und selbst zuvorderst nur noch regelnd hierin wirkt. Es geht hierbei unter anderem um die Ablösung der 8000 Jahre währenden Epoche seßhafter Agrikultur durch eine höhere weltgesellschaftliche Stufe der gemeinsamen Organisation der Arbeit als Sammler, Jäger, Fischer einer hortensischen, dendritischen, aquaischen Kultur auf dem gegenwärtigen Niveau der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit des real-existierenden Garten Edens. Die auf  vorgeschichtlicher materieller Grundlage gemeinsam organisierte Arbeit als Sammler, Fischer, Jäger – deren gentile ‚Planung’ in den Riten und Erzählungen und im Schamanismus seine mythisch verkleideten Formen erhielt – bestimmte hunderttausende Jahre die durch nur drei Stunden Arbeit pro Tag schon abgesicherte Reproduktion der urkommunistischen Stammesgesellschaften auf sich allmählich entwickelnder Stufenleiter.

Zu den Bedingungen der Umwälzung der agrokapitalistischen Produktionsverhältnisse

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Seien nun vorstehende sachliche Voraussetzungen einer hortensischen (»Garten Eden«-) Kultur für einen Augenblick anerkannt, so öffnet dies schlagartig die Augen dafür, dass der Traum vom Garten Eden eben nicht von der sachlichen Grundlage der Produktion begrenzt ist, sondern durch die diese Produktion beherrschenden kapitalistischen Produktionsverhältnisse = Privateigentum. Diese lassen z.B. nicht zu, dass Millionen Individuen, die heute sporadisch oder symbolisch oder in freiwilliger Aktion Bäume pflanzen als Sinnbild des Lebens und Ausdrucks des Traums vom Garten Eden, dass sie diese Bäume nach gemeinsamem gesellschaftlich vernünftigen Plan pflanzen jenseits aller Gartenzäune und Grenzsteine – weil die kapitalistische Nutzung des privaten Grundeigentums dagegen steht. Es ist gar keine Frage, dass eine universelle hortensische Kulturform das gesellschaftliche Eigentum an Grund und Boden voraussetzt. Wie schon bei allen gesellschaftlichen Aspekten der vorstehenden Punkte, so läuft auch hier die Lösung der gesellschaftlichen Widersprüche auf die gesellschaftlich-ethische Entscheidung zu, die kapitalistischen Produktionsverhältnisse revolutionär umzuwälzen, sprich: das private Klasseneigentum an Grund & Boden & allen Arbeitsbedingungen abzuschaffen und in gemeinsam genutztes  gesellschaftliches Eigentum umzuwandeln – als Selbstorganisation der gesellschaftlichen Arbeit durch die freiwillig assoziierten Produzenten/Konsumenten.

Mit Beginn der Übergangsperiode zum Kommunismus ist keineswegs die aktuelle Wiederkehr eines Garten Eden gewährleistet. Vielmehr liegen alle Problemfelder einer  unmittelbar vergesellschafteten agroindustriellen Produktion auf dem Tisch der Weltgesellschaft und fordern dringenden Handlungsbedarf. Die ererbte kapitalistische Form der Nahrungsmittelerzeugung und deren verhunzter Inhalt, das Wie und Was des gesellschaftlichen Produktionsprozesses kann kurzfristig nur soweit modifiziert werden, dass die sichere Lebensmittelversorgung aller erstmals wieder  gewährleistet ist. Erst mittelfristig wird der gesamte Arbeitsprozess seinen Verwertungscharakter verlieren und human organisierbar.

Doch wie weiter, wenn keine ArbeiterIn jenseits der Lohnsklaverei die Schlachten in den Großschlächtereien und Tiermastanstalten übernehmen will? Wenn die Landwirtschaft und Nahrungsmittelverarbeitung auf den Einsatz aller Stoffklassen verzichten soll, die erwiesener- oder abschätzbarermaßen ernste negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen haben? Wie läßt sich ein Moratorium der Freisetzung gentechnisch veränderten Materials sinnvoll umsetzen, solange, bis der menschheitliche Wissensstand tatsächlich das Stadium der Kurpfuscherei überwunden hat? Wie läßt sich eine gesellschaftliche Debatte darüber führen bis hin zur Entscheidung, wieviele Ressourcen in den Sektor der Biowissenschaften fließen, ohne dass diese gezwungen sind, unmittelbar anwendungsfähige Resultate zu liefern? Kann somit der »vierte Schöpfungsakt« bio- und gentechnischer Modifikation der lebendigen Materie jenseits ihres mythischen »kapitalistischen Ebenbilds« fortgesetzt werden als angemessene Arbeitstechnik einer befreiten Menschheit?

Lassen wir nun solche durch den heutigen Gesellschaftshorizont begrenzte Fragestellungen, da die tatsächliche Geschichte ihre Fragen sowieso selbst aufwirft und die dann Lebenden zu vernünftigen Entscheidungen zwingt. Nachdem die Frage nach dem historischen Gehalt des »Garten Eden« nun zur notwendigen politischen Ebene umschlug, kehren wir nochmals zu der Fragestellung zurück, was denn den Menschheitstraum vom Garten Eden jenseits seiner sachlichen, materiellen Grundlagen ausmacht.

Zum tiefer liegenden Inhalt des Traums vom Garten Eden

Offensichtlich geht der Traum der Menschheit über ein ersprießliches Verhältnis von Mensch und Natur hinaus. Ein gutes Leben erfordert zu allererst die herrschaftsfreie Beziehung der Menschen untereinander, da der Mensch die Radix, die Wurzel für den Menschen ist (siehe MEW 1, S. 385). Diese Herrschaftsfreiheit geht über die formale Gleichheit und Freiheit des bürgerlichen Rechtssubjekts hinaus. Denn heute ist soziale Freiheit, das Frei sein von materiellen Existenzängsten nur der Bourgeoisie garantiert per Staatsgewalt und die Unterdrückung & Ausbeutung der Lohnsklaven, der Frauen und Kinder sind faktisch perpetuiert. Herrschaftsfreiheit hat zur wesentlichen Bedingung die praktische Überwindung des kapitalistischen Privateigentums und der Klasse der Bourgeoisie als dessen geschichtlichem Träger. Der Übergang von der kapitalistisch-erzwungenen zur kommunistisch-freiwilligen Kooperation der Weltproduzenten garantiert die tatsächliche soziale Freiheit aller Menschen als dem Zweck des gesellschaftlichen Eigentums an den Bedingungen der Produktion. Es ist der Übergang von der Klassenherrschaft einer schmalen Minderheit über die proletarisierte große Mehrheit zur klassenlosen Gesellschaft.

Dies wird zugleich dem  patriarchalen Geschlechterverhältnis die materielle Grundlage entziehen (siehe MEW 4, S. 478), da die jetzige bürgerliche Familie hierüber ihren privat ökonomischen Charakter verliert und die Individualliebe als einziges Band der Geschlechter übrig bleibt. Erst durch die gesellschaftliche Existenzabsicherung aller: jedes Mannes, jeder Frau, jedes Kindes werden deren bürgerlich-familiale ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse überwunden und die individuelle emanzipatorische Wahl & Aufhebung der Geschlechterrollen von Ausbeutung & Herrschaft möglich.

fWie sehr der Traum tatsächlicher Gleichheit der Geschlechter in der Geschichte der Menschheit schlummert, brachte die Ausgrabung der Geschichte Liliths ans Tageslicht (z.B. Avica Cantor Zuckoff und Judith Weinberg in der taz vom 19.8.82). Lilith ist die »erste Eva«, welche unter all den staatsreligiösen mythischen Quellen tief in den variantenreichen Niederschriften der judäisch/christlichen Schöpfungsgeschichte verschüttet liegt. Danach war Lilith die erste Frau in der Schöpfungsgeschichte. Wie Adam aus Erde gemacht, rebellierte sie gegen seine herrischen Anmaßungen und haute ab. Adam ging zu Gott und bestellte sich eine neue Frau: er bekam dann Eva, seine »Gehilfin« aus seinem Fleisch und Blut. Hier die sich selbst erhellende Stelle aus dem ALPHABET des BEN SIRA 23 a-b (vermutlich 7-11. Jh.n.Chr.):

»Nachdem Gott das erste menschliche Wesen, Adam, erschaffen hatte, sprach er: `Es ist nicht gut für Adam, alleine zu sein´. Also schuf er aus der selben Erde eine Frau und nannte sie Lilith.

Die beiden zankten sich augenblicklich. Sie sagte: ‚Ich werde nicht unter dir liegen.’ Er sagte: »Ich werde nicht unter dir liegen, sondern über dir, denn du bist geschaffen, unter mir zu sein und ich über dir.«

Keiner hörte auf den anderen. Als Lilith erkannte, was da vor sich ging, verkündete sie den unaussprechlichen Namen Gottes und entschwand in die Lüfte.

Da erhob sich Adam zum Gebet vor seinem Schöpfer und sagte: »Die Frau, die du mir gegeben hast, ist vor mir geflohen.« Unverzüglich sandte Gott drei Engel hinter ihr her. Zu Adam sagte er: »Wenn sie zurückkehren will, ist es gut; wenn nicht - wird sie akzeptieren müssen, daß jeden Tag hundert ihrer Kinder sterben werden!«

Die Engel folgten ihr und fanden sie schließlich in den machtvollen Gewässern, in denen nach der Bestimmung die Ägypter untergehen sollten. Sie berichteten ihr, was Gott gesagt hatte, und sie wollte nicht zurückkehren...« 

Für die kapitalistische Epoche akzentuiert Marx (1844) die Verwirklichung des Menschheitstraums aller bisherig geknechteten, erniedrigten Menschengeschlechter philosophisch materialistisch gekleidet so:

f «Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.«  Marx-Engels-Werke (=MEW) Band 40, S. 536

Walter Benjamin führt jenen Gedanken angesichts der desaströsen geschichtlichen Praxis insbesondere der deutschen Sozialdemokratie kritisch fort in seiner XI. These Über den Begriff der Geschichte (um 1940):

Der Konformismus, der von Anfang an in der Sozialdemokratie heimisch gewesen ist, haftet nicht nur an ihrer politischen Taktik, sondern auch an ihren ökonomischen Vorstellungen. Er ist eine Ursache des späteren Zusammenbruchs. Es gibt nichts, was die deutsche Arbeiterschaft in dem Grade korrumpiert hat wie die Meinung, sie schwimme mit dem Strom. Die technische Entwicklung galt ihr als das Gefälle des Stromes, mit dem sie zu schwimmen meinte. Von da war es nur ein Schritt zu der Illusion, die Fabrikarbeit, die im Zuge des technischen Fortschritts gelegen sei, stelle eine politische Leistung dar. Die alte protestantische Werkmoral feierte in säkularisierter Gestalt bei den deutschen Arbeitern ihre Auferstehung. Das Gothaer Programm trägt bereits Spuren dieser Verwirrung an sich. Es definiert die Arbeit als »die Quelle alles Reichtums und aller Kultur«. Böses ahnend, entgegnete Marx darauf, dass der Mensch, der kein anderes Eigentum besitze als seine Arbeitskraft, »der Sklave der anderen Menschen sein muß, die sich zu Eigentümern…gemacht haben«. Unbeschadet dessen greift die Konfusion weiter um sich, und bald darauf verkündet Josef Dietzgen: »Arbeit heißt der Heiland der neueren Zeit…In der…Verbesserung…der Arbeit…besteht der Reichtum, der jetzt vollbringen kann, was bisher kein Erlöser vollbracht hat.« fDieser vulgär-marxistische Begriff von dem, was die Arbeit ist, hält sich bei der Frage nicht lange auf, wie ihr Produkt den Arbeiter selber anschlägt, solange sie nicht darüber verfügen können. Er will nur die Fortschritte der Naturbeherrschung, nicht die Rückschritte der Gesellschaft wahrhaben. Er weist schon die technokratischen Züge auf, die später in Faschismus begegnen werden. Zu diesen gehört ein Begriff der Natur, der sich auf Unheil verkündende Art von dem in den sozialistischen Utopien des Vormärz abhebt. Die Arbeit, wie sie nun mehr verstanden wird, läuft auf die Ausbeutung der Natur hinaus, welche man mit naiver Genugtuung der Ausbeutung des Proletariats gegenüber stellt. Mit dieser positivistischen Konzeption verglichen erweisen die Phantastereien, die soviel Stoff zur Verspottung eines Fourier gegeben haben, ihren überraschend gesunden Sinn. Nach Fourier sollte die wohlbeschaffene gesellschaftliche Arbeit zur Folge haben, daß vier Monde die irdische Nacht erleuchteten, dass das Eis sich von den Polen zurückziehen, daß das Meerwasser nicht mehr salzig schmecke und die Raubtiere in den Dienst des Menschen träten. Das alles illustriert eine Arbeit, die, weit entfernt die Natur auszubeuten, von den Schöpfungen sie zu entbinden imstande ist, die als mögliche in ihrem Schoße schlummert. Zu dem korrumpierten Begriff von Arbeit gehört also sein Komplement die Natur, welche, wie Dietzgen sich ausgedrückt hat, »gratis da ist«.

Von der Verwirklichung des Kommunismus trennt uns heute mehr denn je nur unsere eigene Borniertheit & Beschränktheit, jedoch keineswegs mehr die stofflichen und arbeitsorganisatorischen  Bedingungen der gesellschaftlichen Produktion. Dies weißt jeder, der zu träumen wagt. Marx faßt 1844 das Verhältnis von Unbewußtem und Bewußtsein so:

»Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen.«

Letzte Änderungen Anfang  2003         jacob feldtcreuz

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