Bericht vom Lektürekurs:

Moishe Postone: Zeit, Arbeit, Soziale Dominanz. Neuinterpretation der Marxschen Theorie

Moderation: Tina Meyer, Peter Christoph

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Leider gibt es nur wenige, fragmentarische Protokollaufzeichnungen des vergangenen Halbjahres. Die ursprünglich vorgehabte Protokollführung auf freiwilliger Basis liess sich nicht einhalten, wie das so oft der Fall ist; für reih-um-Festlegung von ProtokollantInnen hatten wir nicht den Mut und die Selbstdisziplin. So gingen einige highlights unserer  Diskussionen wieder mal verloren. So ist jetzt auch nur ein grober, verzerrter, fragmentarischer Überblick möglich.

Die Lektüre=Aneignung selbst absorbierte mehr als erwartet unsere Zeit- und Kraft-Ökonomie. Da auch noch wegen äusserer praktischer Events (Anfang Mai 2002 gegen Nazi-Aufmärsche) ein-zwei Sitzungen ausfielen, kamen wir mit dem in unserer Ankündigungsplanung gesteckten Pensum bei weitem nicht durch. Über den Einleitungsteil des Buches kamen wir nicht hinaus und blieben als Abrundung mit Postone's Kapitel über Marx' »Grundrisse...« stehen.
Immerhin.

Wir verschoben den für die ersten Sitzungen angekündigten«Überblick über die Rezeptionslage zu Postone in der BRD-Linken« auf die letzte Sitzung und machten daraus eine komprimierte Zusammenfassung auch unserer eigenen kritischen Diskussionen, was einen anregenden und spannenden vorläufigen Abschluss unseres Aneignungsexperiments darstellte.

Da die TeilnehmerInnenzahl im Laufe des Kurses ziemlich geschrumpft war  -  nach Aussage der Verhinderten stets nur wegen anderweitiger politisch-theoretischer Arbeitsüberlastung  und keinesfalls aus nachlassendem Interesse - , berieten sich die Anwesenden auf dieser Abschlussveranstaltung dahingehend, eine Fortsetzung des Kurses im Winterhalbjahr erstmal zu suspendieren, sprich: nicht anzukündigen, sondern abzuwarten, bis der (mittlerweile fürs Jahresende) angekündigte Übersetzungsverschnitt durch die Krisis-«Bearbeiter« (im ca-ira-Verlag) in diesem Jahr nun tatsächlich zur Veröffentlichung kommt, und daraufhin dem zu erwartenden relativen Rezeptionsbedürfnis-Sprung durch Anbieten einer erneuten Aufnahme unseres Lektürekurses entgegenzukommen. Bis dahin bleibt es uns und allen weiterhin Interessierten unbenommen, mit der weiteren Erschliessung von Postone's Hauptwerk  in diesem oder dem nächsten Halbjahr fortzufahren, wenn uns danach ist  -- und wenn es die sozialistischen Studien / theorie praxis lokal  in der näheren Zukunft auch noch gibt! Weiter Interessierte können sich ja bei uns gerne melden.

Im folgenden ein fragmentarisches Resümee, damit überhaupt eine Spur von unserer Lektüre nach aussen dringt; so bitten wir den stichwortartigen, abgerissen-verkürzenden und unausgewogenen Charakter dieses Wiedergabeversuchs für diesmal zu entschuldigen. Unterm Gesichtspunkt seines theoretischen Gebrauchswerts hat der Protokollant ihn zudem ziemlich aufgepumpt mit Marxbelegen sowie ein paar Verweisen auf den »westlich-marxistischen« Hintergrund -- auch für diese (möglicherweise didaktisch-penetrante und unglückliche Manier) bitten wir um Verständnis und kritische Stellungnahme.

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Wer hat Angst vor Kategorien?

Die meisten Leser überfällt schon beim Einstieg in das dicke Buch leicht der Eindruck einer gewissen »Redundanz« (d.h., als ob der Autor »immer wieder das Gleiche erzählt«), die Postone gerne nachgesagt wird. Wir haben es da schon mit einer echten theoretischen Zumutung zu tun, der wir uns stellen müssen  - oder es eben bleiben lassen - , wenn wir herausbekommen wollen, was Postone's Kritik und Neuansatz nun eigentlich ist - oder nicht.

Eine Abwehr dieser Neubegründung kann es sich demgegenüber leicht machen (wie mit Marx' »Das Kapital«, das im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere am Ausgang des letzteren von den »Neuen Linken«, als angeblich »unlesbares Buch« behandelt wurde  - damit soll Postone's Werk beileibe nicht schon dem  Marxschen in Lesbarkeit und Qualität vorab gleichgesetzt werden  -  als bloßer Vorwand, um der theoretischen Herausforderung  einer kritischen Lektüre einer kritischen Theorie der bestehenden Zustände aus dem Wege zu gehen: denn »es gibt keine Landstraße für die Wissenschaft, und nur diejenigen haben Aussicht, ihre lichten Höhen zu erreichen, die die Mühe nicht scheuen, ihre steilen Pfade zu erklimmen.« MEW 23, S.31. Auf den billigen Vorwurf der »Schwerverständlichkeit« antwortete schon Marx, dass man da »nichts weiter unternehmen kann, als die nach Wahrheit strebenden Leser von vornherein darauf hinzuweisen und gefasst zu machen.« »Aller Anfang ist schwer, gilt in jeder Wissenschaft. (...) Ich unterstelle natürlich Leser, die etwas Neues lernen, also auch selbst denken wollen.« MEW 23,S.11f ).

Angesichts des »Redundanz«-Problems bei Postone für deutsche LeserInnen sollten wir uns klarmachen, dass wir bei ihm den wissenschaftlichen Prosa-Stil vor uns haben, wie er an den US-Universitäten gelehrt wird und verbindlich ist: streng argumentativer Duktus, indem wie bei eng gelegten Spiralkreisen fortgesetzt gezeigt werden soll, was im Moment behauptet, an was zunächst angeschlossen und was zuerst widerlegt werden soll, was vorläufig ausgeklammert und erst später eingezogen und bewiesen werden wird. Also jeder kleine Schritt der Darstellung bezieht sich wieder auf die vorhergehenden und noch ausstehenden, angestrebten Schritte, die gegenwärtigen Ziele und Zwecke des Argumentationsgangs werden immer erneut ausgewiesen.

Bei Postone haben wir es nicht nur mit einem U.S.amerikanischen Gesellschaftswissenschaftler zu tun, sondern überhaupt mit hardcore akademischem Marxismus. Zugleich ist Postone von der Kritischen Theorie  (er lebte und lehrte bis in die 1980er in Frankfurt/M.) und vom »Hegelmarxismus« geprägt. Die daraus hervorgegangene Sprache wirkt auf heutige linke LeserInnen, die von der philosophischen, dialektischen Denkschule des deutschen Idealismus (Kant, Fichte, Schelling, Hegel) längst enteignet sind, wie auf philosophisch Unbeleckte sowieso, ziemlich »abgehoben« und »abstrakt«. Die gegenwärtig in »der Linken« herrschende, ebenfalls von einer akademischen Linken durchgesetzte Sprachmode und Denkungsart ist streng anti-hegelianisch, hat mit dialektischem Denken nichts am Hut. Kategorien gelten ihr entweder als »spekulativ«-idealistisch oder als pragmatisch-substanzlos: die Hegelsche und Marxsche Unterscheidung von »Wesen«, »Substanzialität«, »Erscheinungsformen«, »Akzidenzien« usf. gelten dieser Linken als »essenzialistisch«, »substanzialistisch«, »ontologisch« und »metaphysisch«, jedenfalls als leere Abstraktionen ohne brauchbaren progressiven, unmittelbar-praktisch relevanten Realitätsgehalt. 

Solchen »linken« Blick mutet Postone eher als »konservativ« und  »traditionalistisch« an. Kein Wunder, dass es schon seit Jahren bei dieser Linken wieder aus der Mode ist, Postone im Munde zu führen. Demgegenüber stellten wir fest, dass Postone eine einsame Stellung hält, die wir  als »Kategorienkritik« bezeichnen: Marx begründete seine ganze kritische Methode mit der Notwendigkeit des wissenschaftlichen Aufweisens der Entwicklung der Kategorien (wie »Arbeit«, »Gesellschaft« usw.) als den bestimmten historisch-ideellen und begrifflichen Ausdrucksformen gesellschaftlicher, historisch-wirklicher »Daseinsformen, Existenzbestimmungen« (Marx: »Grundrisse ...« 26f) in den Köpfen der gesellschaftlich handelnden Menschen und so auch in den Wissenschaften, die es zu kritisieren gilt -- »und alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen -, wenn [es sich also nicht gerade darum handeln würde, dass] diese Verhältnisse um so selbstverständlicher erscheinen, je mehr der innere Zusammenhang an ihnen verborgen ist, sie aber der ordinären Vorstellung geläufig sind.« (MEW 25, 825).

Mit diesen Basis-Kategorien beschäftigt sich Postone erneut fundamental, indem er ihre Erstarrung und Verzerrung im »traditionellen Marxismus« herauszuarbeiten versucht. Was nun den Eindruck »unheimlicher Abstraktheit« betrifft, so geht es nicht an, jeglichen Argumentationsgang anhand von Abstraktionen  gleich als »abgehobenes« sich-Ergehen in »leeren Abstraktionen« zu denunzieren oder vernünftig-abstrakte Kategorien als irreal, unpraktikabel und unkonkretisierbar zu behandeln, solange die notwendige Vorarbeit des Abstrahierens vom Zufälligen und Einzelnen, dem »chaotischen Ganzen« (Marx), für allgemeine Zusammenhänge noch garnicht geleistet ist; so schon Marx: »Bei der Analyse der ökonomischen Formen kann weder das Mikroskop dienen noch chemische Reagenzien. Die Abstraktionskraft muss beide ersetzen. [z.B.:] Für die bürgerliche Gesellschaft ist aber die Warenform des Arbeitsprodukts oder die Wertform der Ware die ökonomische Zellenform. Dem Ungebildeten scheint sich ihre Analyse in bloßen Spitzfindigkeiten herumzutreiben. Es handelt sich dabei in der Tat um Spitzfindigkeiten, aber nur so, wie es sich in der anatomischen Mikrologie darum handelt.« (MEW 23, S.12; - zur »vernünftigen, verständigen Abstraktion« Marx in »Grundrisse ...«S.7!)

Vom Anspruch der Marxschen kritisch-wissenschaftlichen Methode also ist Postone's Herangehensweise allererst zu verteidigen als eine Fortsetzung dieses hohen Anspruchs gerade in einer Gegenwart, in der dieser gerade mal wieder aus der Mode ist (wie bereits zu Marxens Zeit die Hegelsche Dialektik wie ein »toter Hund begraben« wurde). Von daher erst können wir prüfen, wieweit Postone dem Marxschen Anspruch selbst standhält: erweisen sich bei ihm die Abstraktionen auch wirklich als vernünftige, kategorial konkretisierbare, oder werden sie unterderhand zu leeren Abstraktionen ? Wird stringent und konsequent die dialektische Identität und Nichtidentität zugleich von Wesen und Erscheinungsformen an den jeweiligen Kategorien herausgearbeitet -- oder wird, wie im Alltagsdenken und akademischen Betrieb üblich, bloß dualistisch entweder nur in der Identität oder Nichtidentität der wesentlich widersprüchlich prozessierende Erkenntnisgegenstand erscheinungsborniert festgeklopft? (»Wissenschaftliche Wahrheit ist immer paradox vom Standpunkt der alltäglichen Erfahrung, die nur den täuschenden Schein der Dinge wahrnimmt.« MEW 16, 129) Postone's Anspruch geht ja richtig noch weiter: radikale Historisierung all der »festen« Basiskategorien nimmt er sich vor. (»Jede neue Auffassung einer Wissenschaft schliesst eine Revolution in den Fachausdrücken dieser Wissenschaft ein.« MEW 23,S.37f) Hält also sein eigenes kategoriales Arbeiten diesem historischen, dialektischen Postulat durchgängig stand ?

Nach diesem etwas umständlichen, aber notwendigen Vorlauf zu unserer Annäherung an Postone hier nur einige Fetzen aus unseren Diskussionen:

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Das böse Abstrakte

Schon gleich mit der Unschärfe von Postone's Begriff der »Abstraktion« hatten wir Schwierigkeiten. Zwar ist schon für Hegel »abstraktes Denken« eher sowas wie ein Schimpfwort, aber Postone scheint »die Abstraktion« geradezu dämonisieren zu wollen. Noch vom Lektürekurs seines Aufsatzes »Antisemitismus und Nationalsozialismus« hatten wir den Schluss vor Augen, dass er einen rechten (nationalsozialistisch zugespitzten) aber auch verkürzt-linken sogenannten »Antikapitalismus« kritisiert, »der die unmittelbare Negation des Abstrakten versucht und das Konkrete verklärt  --  anstatt praktische und theoretische Überlegungen darüber anzustellen, was die historische Überwindung von beidem bedeuten könnte« (Unterstreichungen von uns): das heisst doch aber, Postone schwebt hier selber ebenfalls die endgültige, letztendliche Aufhebung der dialektischen Dualität von Abstraktem und Konkretem vor, was eine äusserst problematische idealistische Vorstellung wäre, wenn sie gegen die unaufhebbare Permanenz der Vermittlung (der Reflexionsbestimmungen, mit Hegels Logik ausgedrückt) von abstrakt und konkret gesetzt würde.

In der historischen und alltäglichen Wirklichkeit kann es sich ja immer nur um die Spannung und das richtige Umgehen mit ihr handeln, die Postone selbst einen Abschnitt zuvor als Kennzeichnung der jüdischen Kulturtradition sehr treffend hervorgehoben hat: die von NS-Deutschland zielstrebig vernichtete »sehr alte Kultur« des europäischen Judentums »war durch eine Tradition gekennzeichnet, die eine komplizierte Spannung von Besonderheit und Allgemeinheit in sich vereinigte. (...) dieses Spannungsfeld sedimentierte sich im Zuge der Emanzipation in den meisten jüdischen Individuen.

Die schliessliche Lösung dieser Spannung zwischen Besonderem und Allgemeinem ist in der jüdischen Tradition eine Funktion der Zeit der Geschichte, die Ankunft des Messias. Vielleicht jedoch hätte das europäische Judentum angesichts der Säkularisierung und Assimilation jene Spannung aufgegeben. Vielleicht wäre jene Kultur [einer höchst fruchtbaren Vermittlungsfähigkeit der komplizierten Spannung von Allgemeinem und Einzelnem, Konkretem und Abstraktem] als lebendige Tradition verschwunden, bevor die Auflösung des Besonderen und des Allgemeinen verwirklicht worden wäre. Diese Frage wird niemals beantwortet werden können.« (Postone-Aufsatz: »Antisemitismus & Nationalsozialismus« (im folgenden abgekürzt: AS & NS),  in : Autonomie N°14, 10/1979, S.67  -- Unterstreichungen und Einschub [ ] von uns)  Die hier von Postone schon 1979 postulierte »schliessliche Lösung« oder »Überwindung«  kann allerdings nur in einem messianischen Denken vorgestellt werden: auf der Linken, besonders in Deutschland, lief diese Vorstellung über die Hegelsche Geschichtsphilosophie, wo am »Ende der Geschichte« die Arbeit des Begriffs in der erreichten Idee sich mit der Weltvernunft, dem Weltgeist vereinigen würde (eine Art Neues Jerusalem). Marx hat dagegen, wie der Historische Materialist Walter Benjamin zeigte, »in der Vorstellung der klassenlosen Gesellschaft die Vorstellung von der messianischen Zeit säkularisiert. Und das war gut so. Das Unheil setzt damit ein, dass die Sozialdemokratie diese Vorstellung zum 'Ideal' erhob.« (Notizen zu: Über den Begriff der Geschichte. 1940).

In der Marxschen, materialistischen Geschichtstheorie wird die geschichtsphilosophische Vorstellung des deutschen Idealismus von der endlichen »Erlösung« der Menschen aus dem Widerspruch von Konkretem und Abstraktem, »Geist« und »Vergegenständlichung=Entfremdung« (siehe Marx' materialistische Hegelkritik MEW Ergänzungsband 1: 568-588) als schlußendlicher mystischer Verschmelzung im universalen »identischen Subjekt-Objekt« gebrochen: ab Marx kann es den Menschen »nur« noch um  die diesseitige, ununterbrochene Vermittlung (in Praxis und Theorie) von Konkretem und Abstraktem, Hand und Kopf, Gegenständlichkeit und Ideologie, Ökonomie und Zeit, Einzelnem und Allgemeinem, Individualität und Gesellschaftlichkeit, Subjekt und Objekt, »Reich der Notwendigkeit« und  »Reich der Freiheit« ... gehen: gewissermaßen eine Revolution-in-Permanenz, aber keine endgültige »Aufhebung« i.S.v. Er-«Lösung« aus diesen Widersprüchen/Reflexionsbestimmungen aller geschichtlichen Wirklichkeit. Kein »Ideal«, sondern umwälzende Praxis und Wissenschaft können erlösen: von der gesellschaftlichen Klassenspaltung und Herrschaft von Menschen über Menschen, aus der »Vorgeschichte der Menschheit« in ihre bewusst- gemachte menschliche Geschichte.

Diese Marxsche materialistische Geschichtsdialektik ist allerdings deutlich durch die jüdische Denktradition und Kulturpraxis geprägt, die Postone benennt  (und die sich auch in dem Individuum Marx »sedimentiert« hat): diese ist nicht, wie die christliche, jenseits-orientiert, sondern bleibt immer diesseitig, auch in ihrem messianischen Moment (Das Judentum kennt kein Jenseits!): es handelt sich immer um die fortschreitende Abstraktions- und Konkretionsfähigkeit, um die Arbeit der richtigen Vermittlungen von  Allgemeinem und Einzelnem in der jeweils wirklichen Kategorie Besonderheit. (Das war z.B. bei dem bekanntesten »Hegelmarxisten« Lukács der »Weg zu Marx«: er begann 1923 mit einem messianischen »Überhegeln von Marx« in dem Buch »Geschichte und Klassenbewusstsein«, das vor allem auch die »Kritische Theorie« entscheidend beeinflusst hat; ab 1930 entdeckte er den wirklichen Marx (»Grundrisse ...«-Manuskript/Rohentwurf u.a.) und arbeitete in einem materialistic turn den idealistischen Messianismus seit den 1930er Jahren ab, was dann in Werken wie über »Der junge Hegel« und  »Die Besonderheit als Kategorie ...« bis zu dem späten Hauptwerk von 1970 als bis heute unabgegoltene Anregung zu einer historisch-dialektischen »Marx-Renaissance« Gestalt gewann.)

Bei Postone (der wie alle von der Frankfurter Schule geprägten »Westlichen Marxisten« nur den frühen Lukács (von 1923) zur Kenntnis genommen hat -- der Bezug auf das späte, eigentliche Hauptwerk von Lukács fehlt in seinem ganzen Buch!!), kommt die »Besonderheit« als entscheidende Kategorie der Vermittlung von  Allgemeinem und Einzelnem, von  Abstraktem und Konkretem  überhaupt nicht vor, sondern Postone verwechselt sie offensichtlich mit der Einzelnheit -- was noch hinter Hegel zurückfällt.

Schon in dem Aufsatz über AS und NS (1979) sowie in »Necessity, Labor, and Time« (1978) hatte Postone die Unterscheidung  von »abstrakter Arbeit« und »konkreter Arbeit« nicht oder kaum einmal auf die entscheidende (von Marx als seine entscheidende wissenschaftliche Entdeckung bezeichnete) Kategorie zurückgeführt: den »Doppelcharakter der Arbeit«, die »Doppelform der Arbeit«, erscheinend /dargestellt als »Doppelexistenz« im »Doppeldasein« ihrer Produkte, wenn sie als Waren produziert werden (MEW 13, S.53; »Resultate ...« S.20).

An der Unterbelichtung oder anfangs sogar dem Übergehen dieser fundamentalen Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie scheint auch von Anfang an das Hauptwerk Postone's zu kranken. Dabei ist bei den Marx-Lesarten mehr denn je umstritten, ob Marx den Doppelcharakter aller Arbeit (etwa: MEW 23, S.61; 85f) egal in welcher historisch-besonderen Gesellschaftsformation, oder ausschliesslich den Doppelcharakter derjenigen historisch erscheinenden Arbeit bezeichnet, welche sich in Warenform vergegenständlicht, also schon Privatproduktion darstellt und sich unmittelbar ausdrückt/vergegenständlicht als Doppelcharakter der in den Waren dargestellten Arbeit (MEW 23,S.56), der nämlich als »die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert« (MEW 23, S.49; bzw. in seinem abstrakten Moment oder Aspekt im »Tauschwert als Erscheinungsform des Werts«, wie Marx an anderer Stelle präzisiert: MEW 23, S.53; MEW 19, 358,369) erscheint.

Dieser historisch-spezifischen Erscheinungsform sitzen die bürgerlichen Ökonomen allesamt auf, wie Marx noch in seiner letzten, kaum bekannten Arbeit zur Kritik der politischen Ökonomie kurz vor seinem Tod (Randglossen zu Adolph Wagners »Lehrbuch der politischen Ökonomie«) herausgearbeitet hat: »Unter 'Arbeit' unterscheidet [der vulgärökonomische Professor] nicht zwischen dem konkreten Charakter jeder Arbeit und der allen diesen konkreten Arbeiten gemeinschaftlichen  Verausgabung von Arbeitskraft.« Denn in seiner kathedersozialistischen Marxschulmeisterei »hat der vir obscurus [Dunkelmann] übersehn, dass schon in der Analyse der Ware bei mir nicht stehngeblieben wird bei der Doppelweise, worin sie sich darstellt, sondern gleich weiter dazu fortgegangen wird, dass in diesem Doppelsein der Ware sich darstellt zwiefacher Charakter der Arbeit, deren Produkt sie ist: der nützlichen Arbeit, i.e. den konkreten Modi der Arbeiten, die Gebrauchswerte schaffen, und der abstrakten Arbeit, der Arbeit als Verausgabung der Arbeitskraft, gleichgültig in welcher 'nützlichen' Weise sie verausgabt werde (worauf später die Darstellung des Produktionsprozesses beruht)« (MEW 19, 355,370). Da wiederum von Warenproduktion gesellschaftlich-allgemein erst als kapitalistischer die Rede sein kann, sieht die herrschende (akademisch-kathedersozialistisch eingedrillte) Lesart den Doppelcharakter der Arbeit kurzerhand als Synonym für ausschliesslich kapitalistische Arbeit, Lohnarbeit/Kapital-Verhältnis als solchem an.

Auf den Doppelcharakter der Arbeit ist nach dieser Logik dann garnicht mehr zurückzugehen, da nur noch vom Doppelcharakter der Ware gesprochen werden braucht; und noch verkürzter wird dann stets in dieser einfachen logischen Gleichung gedacht: Kapital = Arbeit und Arbeit = Kapital, was »darüber« ist, ist demzufolge vom Übel, nämlich Projektion auf einen »metahistorischen«, »ontologischen« Produzenten namens »Robinson« (vgl. zu diesem typischen falschen Umkehrschluss Marx: »Grundrisse ...«/Einleitung S.1f;7 !). Schon in seinem Einleitungsteil sieht es ganz so aus, als ob auch Postone auf diese letztere, in der herrschenden akademischen Linken und ihrem noch weiter vulgarisierenden ausseruniversitären Anhang verbindliche und gängige Lesart hinauswill. Die von Marx als »das Beste« und für das ganze Verständnis Grundlegendste (Marx an Engels 24.8.1867) an seiner Kritik der politischen Ökonomie herausgestellte »zwieschlächtige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit«, »der Springpunkt, um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht,«(MEW 23, S.56) jedenfalls kommt auch hier nicht vor und bildet schon mal keinesfalls den analytischen Ausgangspunkt, wie es bei Marx der Fall ist. Dieser hatte aber gerade herausgearbeitet, »dass den Ökonomen ohne Ausnahme das Einfache entging, dass, wenn die Ware das Doppelte von Gebrauchswert und Tauschwert [ist], auch die in der Ware dargestellte Arbeit Doppelcharakter besitzen muss, während die bloße Analyse auf Arbeit sans phrase [= Abstraktion Arbeit »als solche«, auf gut englisch: »labour«] wie bei [Adam] Smith, [David] Ricardo etc. überall auf Unerklärliches stoßen muss. Es ist in der Tat das Geheimnis der ganzen kritischen Auffassung.« (MEW 32,S.11; vgl. auch: MEW 23, S.94f)

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Historischer oder verkürzter Arbeitsbegriff ?

Diese Unklarheit drückt sich nun vor allem in der englischen Bezeichnung »labor« aus, die Postone durchgängig für den Begriff »Arbeit« einsetzt, ohne das einzigartige Verhältnis dieses Wortes zum Marxschen Arbeitsbegriff klarzustellen: »labor« und »work« sind jedoch bekanntlich im Unterschied zum Deutschen und anderen Sprachen ausgerechnet den verschiedenen Aspekten »abstrakte« und »konkrete Arbeit« semantisch, denotativ wie konnotativ ziemlich eindeutig  zuzuordnen, was in einer späteren Auflage von »Das Kapital I« F.Engels zu recht in einer extra Anmerkung hervorgehoben hat: »Die englische Sprache hat den Vorzug, zwei verschiedene Worte für diese zwei verschiedenen Aspekte der Arbeit zu haben. Die Arbeit, die Gebrauchswerte schafft und qualitativ bestimmt ist, heisst work, im Gegensatz zu labour; die Arbeit, die Wert schafft und nur quantitativ gemessen wird, heisst labour, im Gegensatz zu work.« (Dieselbe Anmerkung macht Engels in der englischen Übersetzung!) (MEW 23, S.61f) 

Postone aber spricht damit  - schon im Titel seines Buchs -  von Anfang an über »Arbeit« unreflektiert terminologisch so, als verstehe es sich von selbst, dass diese immer schon kapitalistisch-abstrakte Arbeit oder »Arbeit sans phrase« sei. Zumindest legt seine Terminologie diese Lesart stillschweigend nahe und benennt die grundlegende Differenz, den Doppelcharakter als begrifflich-kategorielles Grundproblem ab Marx, nicht vorab, klärt sie nicht, räumt Missverständnisse  nicht  aus, sondern nimmt die eine, in der westlichen akademischen Linken seit langem vorherrschende Lesart offenbar gern in Kauf: das ist eine Art »Definitionsmacht«, die sich so stillschweigend etablieren  kann. Nur äusserst selten einmal ist ausdrücklich von »abstract labor« und einmal sogar von »concrete labor« die Rede - einfach so und ohne weitere Erläuterung -,  womit eigentlich unterderhand die Differenz ja zugegeben wird. An einer zentralen Stelle bei seiner »MarxISMUS«-Kritik spricht Postone sogar plötzlich von »work«, ohne zu erläutern warum und warum nicht wie sonst immer »labor«, als verstünde sich das an dieser Stelle schon von selbst (p.6 unten) -- und in den uns vorliegenden Rohübersetzungen wird das brav-blind wie immer mit »Arbeit« übersetzt: wozu das Lesepublikum irritieren?! Ein gravierender Mangel der uns zugänglichen bisher erstellten Übersetzungen ins Deutsche liegt von vornherein darin, »labor« umstandslos plump immerfort einfach mit »Arbeit« zu übersetzen, ohne auf die Marxsche Differenzierung  - und die der englischen Sprache selbst! -  wenigstens vorab einmal hinzuweisen. Es ist aber der Unterschied-ums-Ganze, dem hier aus dem Weg gegangen,  ja der eventuell vermogelt wird. Mit Sicherheit ein Bärendienst der Übersetzer an Postone.

Postone bezeichnet nun einseitig ausschliesslich diese Kategorie »labor« als das Zentrum der Marxschen Kapitalismuskritik. In der ganzen großen Einleitung wird dies lediglich immer erneut versichert, nirgends einmal begründet und schon garnicht konfrontiert mit der Marxschen Unterscheidung zwischen der »Arbeit selbst«, »unabhängig von jeder Form des menschlichen [historisch-gesellschaftlichen] Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam«, d.h. dem »Arbeitsprozess ... in seinen einfachen und abstrakten Momenten« einerseits, und der »Unterordnung der Arbeit unter das Kapital«, dem Arbeitsprozess als Verwertungsprozess, d.h.«wie er als Konsumtionsprozess der Arbeitskraft durch den Kapitalisten vorgeht,« (MEW 23,198) andererseits.

Da Postone sich offenbar bewusst weigert, die Marxsche fundamentale dialektische Differenzierung zwischen »Arbeit, in ihren allgemeinsten Momenten dargestellt«, »die allgemeinen Momente des Arbeitsprozesses, von jedem historischen und spezifisch gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses unabhängige und für alle möglichen gesellschaftlichen Entwicklungsformen desselben gleich wahr bleibende Bestimmungen, in der Tat unveränderliche Naturbedingungen der menschlichen Arbeit (,...) in der Tat absolute Bestimmungen der menschlichen Arbeit überhaupt, sobald sie sich aus dem rein tierischen Charakter herausgearbeitet hat« (Marx: »Resultate ...«S.48) einerseits und der kapitalistisch formbestimmten Arbeit, dem Arbeitsprozess als Verwertungsprozess, mitzuvollziehen und analytisch-kategorial zwischen historisch-substanziell durchgängigem Gattungs-Konstituens Arbeit und historisch-akzidenziell spezifischer jeweiliger gesellschaftlicher Form dieser Arbeit zu unterscheiden, scheint er »die Unfähigkeit, den Arbeitsprozess selbständig und doch zugleich als eine Seite des kapitalistischen Produktionsprozesses zu begreifen«, die Marx immer wieder so entschieden an dem metahistorischen Dualismus der politischen Ökonomen herausarbeitet (»Resultate...«S.27), sogar absichtlich festzuklopfen und damit gewissermaßen »von links«, ultra- und pseudo-«arbeitskritisch«, der altbekannten erscheinungsfixierten (=unwissenschaftlichen, undialektischen, vulgären) »Verquickung« von Form und Inhalt der Arbeit abermals Vorschub zu leisten, die Marx so entschieden auseinandergenommen hat:

»Auf der einen Seite nennen wir die Elemente des Arbeitsprozesses verquickt mit den spezifischen gesellschaftlichen Charakteren, die sie auf einer bestimmten historischen Entwicklungsstufe besitzen, und auf der anderen Seite fügen wir ein Element hinzu, das dem Arbeitsprozess, unabhängig von allen bestimmten gesellschaftlichen Formen, als einem ewigen Prozesse zwischen Mensch und Natur überhaupt zukommt. Wir (...) sehen, dass diese Illusion des Ökonomen, welche die Aneignung des Arbeitsprozesses durch das Kapital mit dem Arbeitsprozess selbst verwechselt und daher die gegenständlichen Elemente des Arbeitsprozesses schlechthin in Kapital verwandelt, weil sich das Kapital u.a. auch in die gegenständlichen Elemente des Arbeitsprozesses verwandelt,  -- wie diese Illusion (...) aus der Natur des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst entspringt. Es ergibt sich aber sofort, dass dies eine sehr bequeme Methode ist, die Ewigkeit der kapitalistischen Produktionsweise oder das Kapital als ein unvergängliches Naturelement menschlicher Produktion überhaupt zu beweisen. Arbeit ist ewige Naturbedingung menschlicher Existenz. Der Arbeitsprozess ist nichts als die Arbeit selbst, im Augenblick ihrer schöpferischen Tätigkeit betrachtet. Die allgemeinen Momente des Arbeitsprozesses sind daher von jeder bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung unabhängig. Arbeitsmittel und Arbeitsmaterial, wovon ein Teil schon Produkte früherer Arbeit, spielen ihre Rolle in jedem Arbeitsprozess zu allen Zeiten und unter allen Umständen. Hänge ich ihnen daher den Namen Kapital an (..), so habe ich bewiesen, dass die Existenz des Kapitals ein ewiges Naturgesetz der menschlichen Produktion ist« (»Resultate ...«,S.25f), und umgekehrt: bezeichne ich »die Arbeit« als »immer schon« und »immer nur« warenproduzierende, privat produzierende, kapitalistische, Lohnarbeit/Kapital reproduzierende, proletarisch-entfremdete,  »labor« im Sinne von  »Arbeit sans phrase«, »abstrakte Arbeit« usf., so bediene ich dieselbe Illusion »von links«, die eine Aufhebung des Kapitalverhältnisses nurmehr ausschliesslich als »fundamental«-historische Aufhebung der Arbeit selbst, der ewigen Naturbestimmung menschlich-gesellschaftlicher Produktion und also der Geschichte selbst sich vorstellen kann. Diese Logik, emanzipatorisch gedacht, ist nun allerdings eine »überhegelte« messianische: das »Ende der Geschichte« als Ende der »Vergegenständlichung« schlechthin (vgl. immer wieder Marx' Kritik an Hegel: MEW Erg.bd.1: 568-588).

Einer derartigen Verengung und »Verwechslung« (Marx) des Arbeitsbegriffs scheint Postone in der Einleitung Vorschub zu leisten , wenn er beispielsweise apodiktisch behauptet: »Weit davon entfernt, die Arbeit als das Prinzip gesellschaftlicher Konstitution und die Quelle des Reichtums in allen Gesellschaft(sformationen)en zu betrachten, legt die Theorie von Marx stattdessen nahe, dass gerade, was genau den Kapitalismus einzigartig ausmacht, die Tatsache ist, dass dessen grundlegende gesellschaftliche Verhältnisse durch die Arbeit konstituiert sind und sich von daher in letzter Instanz [ultimately] fundamental unterscheiden von den sozialen Verhältnissen, die nichtkapitalistische Gesellschaften kennzeichnen.« (Postone, S.6)   Wobei das Marx fälschlicherweise Unterschobene (die Arbeit sei angeblich keine historisch durchgängige Konstitutionsbasis aller Gesellschaften) nebenbei konfundiert wird (=verquickt wird) mit der von Marx selber energisch kritisierten (MEW 19, S.15), sozialdemokratischen Vorstellung von »der Arbeit als Quelle allen Reichtums« (bei sozialdemokratischer Unterschlagung der Natur selbst als ebenfalls Quelle). (Zur geschichtstheoretischen Kritik an jener sozialdemokratischen Vorstellung und zugleich materialistischen Rehabilitierung/Rekonstruktion von Marx siehe den Historischen Materialisten Walter Benjamin: These XI der »Thesen Über den Begriff der Geschichte«!)  

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Sack »oder« Esel: Was genau ist »traditionaler Marxismus« ?

Das weist auf eine weitere, grundlegende Verfahrensweise und Problematik der Postoneschen Einleitung hin: seine Unterscheidung dessen, was er »der Theorie von Marx« selbst einerseits, was er »dem traditionalen Marxismus« andererseits an Theoremen, Prinzipien oder Fundamentalaussagen  zuweist (oder abspricht: z.B. »eine angemessene kritische Analyse« des 'Realsozialismus' (p.11), auch wo ein »traditioneller  Marxismus«, sei es was es sei, sich dabei noch so sehr anstrengt !!), ist nur zu oft nicht erkennbar, wirkt undifferenziert. Um es etwas grob auszudrücken: oft gewinnen die LeserInnen den Eindruck: Den Sack (»der traditionale Marxismus«) schlägt er  -  den Esel (die Theorie von Marx selbst) meint er. (Manche LeserInnen mag das in ihrem ignoranten, vorgefassten Marxbild eher auf bequeme Art bestätigen (Klischee »der doppelte Marx« usw.), andere empört es aufgrund ihrer direkten, notwendig mühselig erarbeiteten Marxkenntnisse fortgesetzt und macht ihnen die Postone-Lektüre ausgesprochen unbehaglich.

Das »Ärgernis Postone« zwingt jedenfalls zu erneutem Marxbezug und kann deshalb nur fruchtbar sein. Dabei wird auch klar, warum »Linke«, die mit der Aneignung von Marx original nichts im Sinn haben, auch dann nicht zur Postone-Lektüre neigen, wenn sie wegen seiner Marx-Ambivalenz gerade mit ihm sympathisieren: eben »auf Anhieb« oder »von vornherein«, was lediglich für ihre Marx-Ranküne reicht; nicht für Postone-Aneignung oder gar wissenschaftliche Kritik). Auf diese Grundschwierigkeit stiess unsere Lektüre auf Schritt und Tritt; sie wird dadurch sogar noch verdoppelt, dass Postone (zumindest in der Einleitung, die immerhin sein ganzes Projekt begründen soll) auch kaum je einmal innerhalb seiner Pauschal-Kategorie »der traditionale Marxismus« selbst differenziert (p.7unten, 10 Mitte).

So nimmt sich dieser fürs erste eher wie ein Popanz aus. So trifft es für die besten »traditionalen« MarxistInnen   - wie eine Róza Luksenburg, einen G.Lukács, Karl Korsch, W.Benjamin, eine Raya Dunayevskaya ... und schon gar auf die klassische »Frankfurter Schule«, die Postone der gleichen Grundirrtümer und Verkürzungen zeiht  -  jedenfalls in keinem Falle zu, dass sie dem sozialdemokratischen Schmarrn von der »Arbeit als einziger Quelle des Reichtums« usw. gefrönt hätten, haben sie doch diese Denkfigur gerade in der »Traditionslinie« von Marx kompromisslos immer neu radikal kritisiert ... Aber der arme Marx fiele ja schliesslich selber ganz und gar unters Verdikt des »traditionalen« MarxISMUS, folgten wir blindlings Postone's  Dekret: »Den Kern des traditionalen Marxismus bildet der transhistorisch gefasste Arbeitsbegriff.« (p. 5f, 7f) Denn diesen definiert er exakt und vollständig so, wie Marx die Arbeitskategorie selber nun mal bestimmt (MEW 23: 192,198)! Die  - diesmal eindeutige -  Marx-Paraphrase dient Postone tatsächlich zur »fundamentalen« Kernbestimmung seines »traditionalen Marxismus« sui generis! Wir sind gespannt, ob die weitere »Neuinterpretation« oder »Rekonstruktion« der Postoneschen »Kritischen Theorie von Marx« doch noch zeigen kann, wo für ihn »der wahre Marx« eigentlich aufhört und »der traditionale MarxISMUS« anfängt ...

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Distribution, Produktion, Sphärenborniertheit, Sphärenverschlingung oder was ?

Weiter erhob sich hier die Frage, ob die »Distributionsfixiertheit« für allen und jeden »Traditionsmarxismus« zutrifft, wie Postone geradezu als Grundkriterium für dessen Borniertheit versichert. Dabei nennt er immer wieder »die Kategorien Markt und Privateigentum« (z.B. p.16) als Kategorien  »der bürgerlichen Distributionsweise« allein, also verteilungsbornierte Vorstellungen: diese würden den Kapitalismus einzig als Ausdruck von Verhältnissen sehen, die dem 19.Jahrhundert entsprachen. Inwieweit Postone mit dieser Distributionsfixiertheit zugleich die Fixiertheit und Borniertheit in termini von Klassen, Klassenkampf und Staatsfixiertheit (Staatsplanungswirtschaft der »realsozialistischen« Modelle) verbindet, wird noch zu diskutieren sein; jedenfalls wird er zunächst der ganzen Dialektik der Sphären von Produktion, Distribution, Austausch/Zirkulation und Konsumtion nicht so gerecht, wie Marx selbst sie geradezu programmatisch-methodologisch in seiner Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie entwickelt hat (»Grundrisse ...« S.10-21).

Es geht nicht an, eine Kategorie wie das Privateigentum an den Produktions- und Lebensbedingungen, das private Klasseneigentum an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln etc., schlicht der Distributionssphäre zuzuschlagen und mit dem »Markt«, also der obersten Oberfläche der Werterscheinungsform als Preisbewegungen ..., auf eine Ebene zu bringen; diese Kategorien werden dann unterschiedslos eingeebnet -- was wohl bei einigen »realsozialistischen« Vulgarisatoren von Marx der Fall sein mochte, was uns aber um so weniger berechtigt, diese Kategorien per se dem »Verteilungsgerechtigkeits-Sozialismus« zuzuweisen.

Der gründlicheren Entfaltung dieser konstitutiven Kategorien, Sphärentotalität und Modi gesellschaftlicher Arbeit/Produktion wird also bei Postone erst noch nachzugehen sein; die vorab-Zuweisung irritiert schon sehr, und die »De-Fundamentalisierung«, kategoriale Relativierung, Erklärung zu bloßen Epiphänomenen der Marxschen Kritik kann zunächst nicht überzeugen, bleibt in der gesamten Einleitung bloße Versicherung (»Diese Neuinterpretation der reifen kritischen Theorie von Marx verschiebt nun den entscheidenden [primary] Focus seiner Kritik weg von den Betrachtungen des Eigentums und des Marktes. Ganz anders als traditionelle marxistische Ansätze ...« p.7 unten). 

Bei Marx jedenfalls ist das Privateigentum nie nur juristische Kategorie oder bloße Aneignung, sondern erstmal historisch spezifisch vorgefundenes basierendes Produktionsverhältnis selbst, das zugleich Produktions- und Distributions-Sphären zugehört bzw.«eingeschrieben ist«. Es ist historisch hergestellt durch »Dominanzverhältnisse« und befestigt, reproduziert, modifiziert diese und wird durch diese verwirklicht. Privateigentum gilt Marx gerade als die gesellschaftliche Form in der gesellschaftlichen Reproduktionstotalität, welche »die Arbeit«, diese historisch-durchgängige Kategorie, als kapitalistisch-warenproduzierende angenommen hat (Privatproduktion; privates Klasseneigentum an den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen).

Marx hat schon in seinen grundlegenden Methodenreflexionen »dem rohen Auseinanderreissen von Produktion und Distribution und ihrem wirklichen Verhältnis« (»Grundrisse ...«S.9), wie es bei den bürgerlichen Ökonomen üblich ist insbesondere hinsichtlich der »beiden Hauptpunkte, die alle Ökonomen unter diese Rubrik stellen, [nämlich]: 1.) Eigentum; 2.) Sicherung desselben durch Justiz, Polizei etc.«, »sehr kurz zu antworten«: »Alle Produktion ist Aneignung der Natur von seiten des Individuums innerhalb und vermittels einer bestimmten Gesellschaftsform. (...) Dass aber von keiner Produktion, also auch von keiner Gesellschaft die Rede sein kann, wo keine Form des Eigentums existiert, ist eine Tautologie. Eine Aneignung, die sich nichts zu eigen macht, ist eine contradictio in subjecto. (...) Die flach auf der Hand liegende Vorstellung [der bürgerlichen Ökonomen]: (...) Produktion, Distribution, Austausch, Konsumtion bilden so [= nach der Hegelschen Schlusslogik rubriziert] einen regelrechten Schluss; Produktion die Allgemeinheit, Distribution und Austausch die Besonderheit, Konsumtion die Einzelnheit; [ein Schluss,] worin sich das Ganze zusammenschliesst. Dies ist allerdings ein Zusammenhang, aber ein flacher. (...) Die Gegner der politischen Ökonomen  - seien es Gegner innerhalb oder ausserhalb ihres Berings - , die ihnen barbarische Auseinanderreissung des Zusammengehörigen vorwerfen, stehn entweder mit ihnen auf demselben Boden oder unter ihnen. Nichts gewöhnlicher als der Vorwurf, die politischen Ökonomen fassten die Produktion zu ausschliesslich als Selbstzweck ins Auge. Es komme ebensosehr auf die Distribution an. Diesem Vorwurf liegt gerade die ökonomische Vorstellung zugrunde, dass die Distribution als selbständige, unabhängige Sphäre neben der Produktion haust.« (»Grundrisse ...«/Einleitung S.10f)
»Steht nun die Distribution als selbständige Sphäre neben und ausserhalb der Produktion?

(...) Die Distributionsverhältnisse und  -weisen erscheinen (...) nur als Kehrseite der Produktionsagenten. Ein Individuum, das in der Form der Lohnarbeit an der Produktion teilnimmt, nimmt in der Form des Arbeitslohns an den Produkten, den Resultaten der Produktion teil. Die Gliederung der Distribution ist vollständig bestimmt durch die Gliederung der Produktion. Die Distribution ist selbst ein Produkt der Produktion, nicht nur dem Gegenstand nach, dass nur die Resultate der Produktion distribuiert werden können, sondern auch der Form nach, dass die bestimmte Art der Teilnahme an der Produktion die besonderen Formen der Distribution, die Form, worin an der Distribution teilgenommen wird, bestimmt.

(...) Die Distribution in der flachsten Auffassung erscheint als die Distribution der Produkte, und so weiter entfernt von und quasi selbständig gegen die Produktion. Aber ehe die Distribution Distribution der Produkte ist, ist sie 1.) Distribution der Produktionsinstrumente und 2.) - was eine weitere Bestimmung desselben Verhältnisses ist - Distribution der Mitglieder der Gesellschaft unter die verschiedenen Arten der Produktion (Subsumtion der Individuen unter bestimmte Produktionsverhältnisse). Die Distribution der Produkte ist offenbar nur Resultat dieser Distribution, die innerhalb des Produktionsprozesses selbst einbegriffen ist und die Gliederung der Produktion bestimmt. Die Produktion abgesehn von dieser in ihr eingeschlossenen Distribution betrachten ist offenbar leere Abstraktion, während umgekehrt die Distribution der Produkte von selbst gegeben ist mit dieser ursprünglich ein Moment der Produktion bildenden Distribution. (...) Welches Verhältnis diese die Produktion selbst bestimmende Distribution zu ihr einnimmt, ist offenbar eine Frage, die innerhalb der Produktion selbst fällt. (...) Der Einfluss der Gesetze zur Festhaltung von Distributionsverhältnissen, und dadurch ihre Einwirkung auf die Produktion [ist] besonders zu bestimmen.« (Marx: »Grundrisse ...«/Einleitung S.16-19)

Mit der gleichen Methode zeigt Marx die Identität und Nichtidentität von Austauschsphäre (»der Austausch verteilt wieder das schon durch die Distribution gesellschaftlich Verteilte nach dem einzelnen Bedürfnis« ibid.S.10f - so die platte, erscheinungsfixierte ökonomische Vorstellung von der bedarfsgerechten Vermittlung zwischen »Produzenten« und »Verbrauchern« über »den Markt«) - also »des Marktes« als der Sphäre der Zirkulation der fertigen Produkte (als Waren) (»die Zirkulation selbst nur ein bestimmtes Moment des Austauschs; oder auch: der Austausch, in seiner Totalität betrachtet« ibid.S.19) - und Produktionssphäre: »Es ist klar, dass der Austausch von Tätigkeiten und Fähigkeiten, der in der Produktion selbst geschieht, direkt zu ihr gehört und sie wesentlich ausmacht. Dasselbe gilt zweitens vom Austausch der Produkte, soweit er zur Herstellung des fertigen, für die unmittelbare Konsumtion bestimmten Produkts Mittel ist. Soweit ist der Austausch selbst in der Produktion einbegriffener Akt.

(...) Der Austausch erscheint nur unabhängig neben, indifferent gegen die Produktion in dem letzten Stadium, wo das Produkt unmittelbar für die Konsumtion ausgetauscht wird. Aber 1.) kein Austausch ohne Teilung der Arbeit, sei diese nun naturwüchsig oder selbst schon geschichtliches Resultat; 2.) Privataustausch setzt Privatproduktion voraus; 3.) die Intensität des Austauschs wie seine Extension wie seine Art [ist] durch die Entwicklung und Gliederung der Produktion bestimmt. (...) Der Austausch erscheint so in allen seinen Momenten in der Produktion entweder direkt einbegriffen oder durch sie bestimmt. Das Resultat, wozu wir gelangen, ist nicht, dass Produktion, Distribution, Austausch, Konsumtion identisch sind, sondern dass sie alle Glieder einer Totalität bilden, Unterschiede innerhalb einer Einheit. Die Produktion greift über, sowohl über sich in der gegensätzlichen Bestimmung der Produktion, als über die anderen Momente. Von ihr beginnt der Prozess immer wieder von neuem. [Zur Zirkulation siehe dazu besonders klar »Grundrisse ...« S.441!] Dass Austausch und Konsumtion nicht das Übergreifende sein können, ist von selbst klar. Ebenso von der Distribution als Distribution der Produkte .Als Distribution der Produktionsagenten aber ist sie selbst ein Moment der Produktion. (...) Allerdings wird auch die Produktion, in ihrer einseitigen Form, ihrerseits bestimmt durch die anderen Momente. Z.B. wenn der Markt sich ausdehnt, d.h. die Sphäre des Austauschs, wächst die Produktion dem Umfang nach und teilt sich tiefer ab. Mit Veränderung der Distribution ändert sich die Produktion; z.B. mit der Konzentration des Kapitals, (...) Es findet  Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Momenten statt. Dies [ist] der Fall bei jedem organischen Ganzen.« (Marx:«Grundrisse ...« S.19ff)

Die Postonesche apriori-Zuordnung von »Markt und Privateigentum« zur »Distributionssphäre« statt zur Produktionssphäre / zu den Produktionsverhältnissen, und die Unterschiebung dieses Dualismus sei's (mit positivem Vorzeichen?) an Marx, sei's (mit negativem Vorzeichen) an die staatssozialistischen Verteilungsgerechtigkeits-«Marxisten« (p.9) oder sogar an deren westlich-marxistische und kritischtheoretische Kritiker (p.16) -- übergeht also bereits in der Einleitung die Marxsche dialektische Differenzierung dieser Sphären (p.8f); wir sind mal gespannt, ob und wie Postone in der Folge diese Konfusion wieder entwirrt. Jedenfalls ist in der Bezichtigung »Distributionsfixiertheit bzw. -borniertheit« nicht nur die Relativierung der Marxschen Klassenkategorie vorab enthalten (s.o.: »Privataustausch setzt Privatproduktion voraus.« - »Die Distributionsverhältnisse und  -weisen erscheinen daher nur als Kehrseite der Produktionsagenten.« - »Distribution der Mitglieder der Gesellschaft unter die verschiedenen Arten der Produktion; Subsumtion der Individuen unter bestimmte Produktionsverhältnisse«  - »Als Distribution der Produktionsagenten aber ist sie selbst ein Moment der Produktion.« - Das Individuum hat von Haus aus kein Kapital, kein Grundeigentum. Es ist von Geburt auf die Lohnarbeit angewiesen durch die gesellschaftliche Distribution. Aber dies Angewiesensein selbst ist das Resultat, dass Kapital, Grundeigentum als selbständige Produktionsagenten existieren.« »Grundrisse ...« S.17) sondern unterderhand auch die Relativierung, wenn nicht Suspendierung der Frage der Eigentumsverhältnisse, der kommunistischen Kernfrage der Aufhebung des Grundwiderspruchs zwischen gesellschaftlichen Produktionsbedingungen und privater Verfügung, Herrschaft, Aneignungsform dieser modernen Gesellschaftlichkeit (Produktions- und Lebensmittel, Reichtum).

Die Verabschiedung des sogenannten Marxschen »Klassen(kampf)paradigmas« und der Eigentumsfrage als solcher deutet sich hier schon an. Die Tür zu einem bisher angeblich von »den traditionellen Marxisten« doppelt gesehenen (im Sinne der ihnen zugeschriebenen angeblich historischen optischen Täuschung), »doppelten (tatsächlich aber halbierten) Marx« geht auf:  zur »fundamentalen« Neuinterpretation der Fundamente, die Marx für die Kritik der politischen Ökonomie gelegt hat, aber darüber hinaus auch deren geschichtstheoretische, wissenschaftstheoretische, methodologische Fundamentierung selbst (»Die deutsche Ideologie« MEW 3), zu einer sozusagen einsinnigen »Marxschen Kritischen Theorie«, die angeblich nur von Wert-und Warenform gesprochen hätte und dabei »nicht wirklich« die modernen Produktionsverhältnisse aufs »private Klasseneigentum an den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen«(MEW 4: 475f, 493) basieren, »sondern« der Distribution zuweisen würde -- und die Austauschsphäre sui generis, »den Markt«, gleich mit.

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Historische Abstraktionskraft oder ethnographische Strukturbeschreibung? Neue Runde im alten Methodenstreit um die Kritik

Bei Postone gerät schon im Verlauf der Einleitungskapitel »die« Arbeit, verengt auf  »labor« als  abstrakter Dimension (am ehesten der »Arbeit sans phrase« entsprechend, wie Marx sie in »Grundrisse ... » S. 25 erklärt), zu einer Art universaler kapitalistischer Struktur, die so aussieht, als ob sie (strukturalistisch gesprochen: ) nur synchron beschreibbar wäre, keine historische Genese in der Vergangenheit und auch keinen historischen Ausweg, Ausbruch oder Alternativhorizont in der Zukunft hätte, sondern nur eine totale und homogene Gegenwart, die höchstens ideologisch auf die Geschichte als eine immanent-kapitalistische »Logik« geschichtstheoretisch zurückprojiziert werden könne (p.17/18; »epistemologisch« begründet mit Anthony Giddens (!): explizit p.5:

»Ich schlage also im großen und ganzen vor, die Marxsche Theorie nicht mehr als eine universell anwendbare Theorie zu verstehen, sondern als eine für die kapitalistische Gesellschaft spezifische kritische Theorie. Diese analysiert dann [allein] die spezifische Besonderheit des Kapitalismus und die Möglichkeit seiner Überwindung/Aufhebung [overcoming] vermittels solcher Kategorien, die seine besonderen Formen (von) Arbeit [labor], Reichtum und Zeit erfassen/begreifen [grasp]. [Verweis hier - zustimmend - auf den Vorschlag von A.Giddens 1981 zur Marxbehandlung/Marxverortung/Marxrelativierung!] Darüber hinaus ist die Marxsche Theorie dann diesem Ansatz nach selbstreflexiv (...)«) 

--  auch wenn Postone von der Transformation des 20.Jh.-Kapitalismus als Staatsinterventionismus, von »Neuen Sozialen Bewegungen« als Ablösung des traditionellen Proletariats sprechen möchte: nur aus dieser Struktur und ihrem »struktiven Zentrum« (Lukács 1923) »labor« heraus, aus deren intrinsischer Krise heraus werden hier ein Umbruch und menschliche Emanzipation denkbar, und zwar  aber gerade so, dass »labor« als universale Strukturgebung, als »abstrakt Allgemeines« schlechthin aus der Gesellschaft verschwinden muss. Die Struktur muss irgendwie quasi implodieren oder explodieren, »die« Arbeit sich auflösen, wenn die Entfremdung, von der Postone hinsichtlich der »proletarischen Arbeit« grundsätzlich spricht, aufgehoben werden soll.

Das ganze »Produktionsparadigma« (p.18) - eine Formel, die Postone zunächst ohne weitere Begründung von Habermas übernimmt - soll aber aufgekündigt werden (p.9f), »die« Arbeit (labor) aus dem Zentrum der gesellschaftsformbestimmenden totalen Struktur selbst eigentlich herausgenommen werden und nur noch auf die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie »Wert«, »Ware« und »Kapital« bezogen ihre basierende Geltung behalten, sie rangiert dort eben bloß noch als »abstrakte Arbeit« (NB: diese Kategorie ist jedoch überhaupt erst von Marx entdeckt, herausentwickelt worden und zwar zur Kritik jener zuerst genannten, genuin bürgerlich-ökonomischen Kategorien »Wert- und Warenform«, »Geld«, »Kapital« sowie »Grundrente«!), die Kategorie Arbeit figuriert jetzt also gewissermaßen nur unter »ferner liefen« zwischen den verkehrten ökonomischen und ideologischen Ausdrucksformen der politischen Ökonomie, eingeebnet in ein Verweisungsgeflecht: diese von Marx als theoretischer Ausdruck gesellschaftlicher »Daseinsformen, Existenzbestimmungen« (»Grundrisse ...« S.22,25ff) der jeweiligen (Marx zufolge nicht unbedingt nur bürgerlichen!: »Ca dépend.«) Gesellschaft bezeichneten Basiskategorien der zu kritisierenden politischen Ökonomie gelten Postone nun ihrerseits als weit über diese (basierende ökonomische) Sphäre hinaus formbestimmende »Kategorien einer kritischen Ethnographie der kapitalistischen Gesellschaft, die aus ihrem Inneren heraus entwickelt wurden« (NB: »die« Arbeit, sprich: »das Produktionsparadigma«[p.18], ja: »die Produktion« selbst [p.9] -- wurden demnach erst aus dem Inneren der kapitalistischen Gesellschaft heraus entwickelt, sind Ausdrücke einer »Ethnographie« ihrer Oberflächenerscheinungsformen --  anders als in diesem sozio-ethnologischen Sinne kann dies wohl kaum verstanden werden) --, und er behauptet: »sie waren und sind« weit über die Ökonomiekritik hinaus totalitätsbestimmende »Kategorien, die die grundlegenden Formen sozialer Objektivität und Subjektivität ausdrücken sollten, die die sozialen, ökonomischen, historischen und kulturellen Dimensionen des Lebens in dieser Gesellschaft strukturieren und die ihrerseits durch bestimmte Formen gesellschaftlicher Praxis konstituiert werden.« (p.18)

Hiermit scheint die von Postone entworfene Kritik des Kapitalismus, die keine »Kritik vom Standpunkt der Arbeit« mehr sein möchte, offenbar zu einer Kritik vom Standpunkt phänomenologischer Beschreibung oder »strukturaler Analyse« der modernen Gesellschaft werden zu wollen: aus dem Blickwinkel und mit den Methoden der ethno- und soziologischen Feldforschung, die etwa von der soziologischen Handlungstheorie, der Phänomenologie oder von der klassischen »strukturalen« Methodologie eines Lévi-Strauss herkommen und z.B. eine Art von »Habitus«-Theorie einbeziehen könnten (»Klassifizierende, die sich durch ihre Klassifizierungen selbst klassifizieren« - so z.B. Pierre Bourdieu über den Gegenstand seiner ethnosoziologischen Forschungsmethode; »Habitus: Vermittlungsmechanismus zwischen gesellschaftlicher Struktur und konkreter Handlung als eine strukturierte, aber auch strukturierende Struktur« - so dann z.B. der »postfordistisch«-regulationstheoretische »Sozialstrukturforscher« Ben Diettrich): nach diesen allen gilt es  - und ist es einigermaßen gut möglich - eben die jeweils vorfindlichen »bestimmten Formen gesellschaftlicher Praxis« zu beschreiben, durch welche - wie Postone sie versteht: - die Basiskategorien der Marxschen Theorie überhaupt erst konstituiert werden, die dann ihrerseits alle die »Dimensionen des Lebens in dieser Gesellschaft«, die Postone aufzählt, »strukturieren«.

Nicht die sozialen, historischen »Daseinsformen, Existenzbestimmungen« (Marx) der »Produktion der materiellen Lebensbedingungen der Menschen« selbst sind es demnach also, die sich in der Praxis und Ideologie (insbesondere in der Theorie und Wissenschafts-) Geschichte der Menschen, der Gesellschaft, »dieses Subjekts ausdrücken« als Kategorien (Marx: »Grundrisse ...«26f), sondern umgekehrt scheinen sich für Postone  -  wie für die empiristischen, positivistischen, phänomenologischen Soziologen, Ethnologen usw.  -  die Kategorien als reine Gedankendinge irgendwo -- getrennt, jenseits von den Daseins-, Existenz-, Praxisformen der Menschen in ihrem materiellen und kulturellen gesellschaftlichen Lebensprozess --abzuspielen (stattdessen letzten Endes in den Köpfen irgendwelcher Philosophen der »grauen Theorie«), während diese bunte Vielfalt »der sozialen, ökonomischen, historischen und kulturellen Dimensionen des Lebens« und die den Kategorien zugrundeliegenden, sie überhaupt erst konstituierenden »Formen gesellschaftlicher Praxis« (also »des Lebens grüner Baum«) durch eine »Ethnographie« aus der Oberfläche, dem Erscheinungsgewimmel des Kapitalismus heraus - also aus sich selbst heraus - zu kritisieren wäre. Und seien die Beschreibungen der »Konstitution« dieser Kategorien auch nur feldforschungsartig, »ethno«-«geographisch« zu liefern, so »strukturieren« die so gewonnenen Kategorien doch immerhin alle »Dimensionen des Lebens«!

Es scheint also: hat Postone einmal die Marxsche Grund- und Kardinalkategorie zur Kritik der politischen Ökonomie (die Arbeit, und zwar unverkürzt in ihrer Totalität, in ihrem historisch durchgängigen wie in ihrem Doppelcharakter MEW 23,S.61) ins Prokrustesbett der restlichen Kategorien der klassischen bürgerlichen Ökonomie (Wert, Ware, Kapital ..) eingeebnet und eingezwängt, so geraten ihm nun alle diese »Basiskategorien« zu einer einzigen, mehr oder weniger auswechselbar aufeinander bezogenen »strukturierenden Basis-Struktur« und die von ihr strukturierten gesellschaftlichen Lebens-, Praxis-, Gesellschafts-«Dimensionen« in einen undifferenzierten Brei, der nun wiederum erst durch eine »Ethnographie« für die Kritik des Gesellschaftsganzen (des Kapitalismus) hergerichtet werden müsste.

Das scheint nun allerdings eher ein Rückgang hinter die Marxschen Kategorien der Kritik zu sein: »Finge ich also mit der Bevölkerung an,« entwickelte doch Marx in den »Grundrissen...« die offenbar »wissenschaftlich richtige Methode« (S.21), »so wäre das eine chaotische Vorstellung des Ganzen, und durch nähere Bestimmung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen; von dem vorgestellten Konkreten auf immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten Bestimmungen angelangt wäre. Von da wäre nun die Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung anlangte; diesmal aber nicht als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen. Der erste Weg ist der, den die Ökonomie in ihrer Entstehung geschichtlich genommen hat. [Die klassischen bürgerlichen Ökonomen, die immer mit dem lebendigen Ganzen, der Bevölkerung etc, anfingen,] enden immer damit, dass sie durch Analyse einige bestimmende abstrakte, allgemeine Beziehungen - wie Teilung der Arbeit, Geld, Wert etc. herausfinden. Sobald diese einzelnen Momente mehr oder weniger fixiert und abstrahiert waren, begannen die ökonomischen Systeme, die von dem einfachen - wie Arbeit, Teilung der Arbeit, Bedürfnis, Tauschwert -  aufstiegen bis zu Staat, Austausch der Nationen und Weltmarkt. Das letztere ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode.« Statt diese Methode mit Marx entlang den von diesem entwickelten Kategorien weiterzuverfolgen, wendet sich Postone zur »Ethnographie« des chaotischen Ganzen zurück und weist die schon so  weit ausdifferenzierten Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie »dem traditionalen Marxismus« zu.

Postone teilt offenbar mit Marx schon nicht einmal das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse »einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen«, denn er lehnt die Kategorie der Totalität a limine als traditionssozialistisch zusammen mit dem von ihm inkriminierten Arbeitsbegriff ab: »Die Kritik des Kapitalismus vom Standpunkt/Blickwinkel der Arbeit ist eine Kritik, in der die herrschenden/dominierenden sozialen Verhältnisse (das Privateigentum) als partikularistisch(e) von einer universalistischen Position aus kritisiert werden: was universal und wahrhaft sozial ist, wird [hier] durch die Arbeit [labor] konstituiert, wird aber [zugleich] durch partikularistische kapitalistische Verhältnisse an seiner vollen Realisierung gehindert. Die Vision von Emanzipation, wie sie diesem Kapitalismusverständnis entspringt, ist, wie wir sehen werden, eine totalisierende.« (p.10)

Gewiss hat gerade die säkulare Krise »des« traditionellen MarxISMUS und das Scheitern des »realen Sozialismus« die immer wieder notwendige »Rückkehr«, das »Aufsteigen« zur empirischen Erscheinungsformenoberfläche der weiterprozessierenden modernen Gesellschaft allen emanzipatorischen KritikerInnen aufgedrängt, und das macht für sie gerade Postones's Neuansatz zu einer Herausforderung, weil er von den hart und mühevoll wissenschaftlich erarbeiteten Marxschen Fundamentalkategorien der Kritik, deren Wesen »unter« den »neuen« Erscheinungsformen -- in denen es allerdings nur da sein kann (Hegel: »Das Wesen muss erscheinen.« »Das Wesen ist in den Erscheinungen.« usw) -- »überwuchert« oder »verlorengegangen« zu sein scheint, »jetzt erst recht« auszugehen beansprucht. Sein erneutes Aufsuchen des Wesens (der Kritik-Kategorien) in den empirischen Erscheinungen des veränderten Kapitalismus, seine »umgekehrte Reise wieder an die Oberfläche (Bevölkerung etc.)« der Totalität, wie sie die Marxsche Methode als zweite Forschungsetappe einfordert, ist genau das, was längst anstehen würde.

Um eine ideenrealistische Kategorien-Auffassung (»universalia sunt realia« oder doch nur bloße »nomina«? wie die Formeln des uralten erkenntnistheoretisch-ontologischen »Universalienstreits« noch immer wieder - vor und nach Kant - lauten) kann es der materialistischen Kritik gesellschaftlich-historischer Formen sicher nicht gehen, wie es zum größten Teil den doktrinären »Marx«-Ismen allerdings gegangen war. Um so dringender ist zu fragen, ob bei dieser lange fälligen »Reise zurück an die Oberfläche«  - die ja nun nicht der erste »Entdogmatisierungsversuch« ist, der sich entweder im guten alten »chaotischen Ganzen« wieder verlor oder im guten alten bürgerlichen Kategoriengeflecht opportunistisch wieder landete  -  die von der Marxschen Kritik herausgearbeiteten Kategorien gerettet, wieder scharf gemacht, »plastischer« (Hegel) und konkreter entwickelt werden  -- oder als Sandsäcke abgeworfen, zu »leeren Abstraktionen« enthülst werden statt weiter als »verständige, vernünftige Abstraktionen« (Marx) entwickelt zu werden zur gesellschaftswissenschaftlichen »Abstraktionskraft« auf der Höhe der Marxschen Kritik und unserer Zeit.

Wir stellten in der abschliessenden Diskussion vor allem um die geschichtstheoretischen Äusserungen Postones seine problematische Zwischenstellung in gefährlicher Nähe zum Hegelschen »Logizismus« fest (vgl. z.B. p.17f), wobei ein »Nominalismus«-Verdacht geäussert wurde, der strittig blieb (als »Nominalismus« wird gemeinhin irrtümlicherweise gerade der »Ideenrealismus« der scholastisch-dogmatischen »Realisten« bezeichnet: d.h. die idealistische »Erkenntnistheorie« derer, welche die Kategorien (»universalia«) für identisch mit den wirklichen Dingen (»realia«) halten, die sie mit den Bezeichnungen schon real zu »haben« glauben; während die wirklichen »Nominalisten« die Kategorien als bloße Zeichen, sprachliche/ideelle »Ausdrucksformen« der Wirklichkeitsformen auffassen: »die Universalien sind nur Benennungen, nicht schon die realen Dinge selbst«! Ohnehin ist dieser Streit ein metaphysischer, scholastischer: ein Dualismus, den spätestens Marx in seinen Feuerbachthesen durch das Kriterium der gesellschaftlich umwälzenden Praxis aufgelöst hat!). Auch hier konnte die Postonesche Große Einleitung uns nurhellhöriger machen für alles folgende, was er mit den Marxschen »Basiskategorien« anstellen wird.

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Schon wieder ein »Abschied vom Proletariat« ?

Die am deutlichsten kontroverse Diskussion unter den TeilnehmerInnen gab es bei der Kategorie »Proletariat«. Schon im Einleitungsteil spaltet Postone diese Kategorie dualistisch auf: einerseits stopft er sie umstandslos in den von der Marxschen Arbeitskategorie abgespaltenen verengten Arbeitsbegriff (abstrakte Arbeit, Arbeit sans phrase, kapitalistische/warenproduzierende Arbeit, kurz: labor) hinein (p.9unten,10); sie läuft damit in die Formel von der »proletarischen Arbeit« aus, bei Postone synonym mit »entfremdeter Arbeit« (p.6f). (Wir werden später sehen, dass Postone »das Proletariat« schlicht ökonomisch im variablen Kapitalanteil aufgehen lässt: als ein ökonomischer Aggregatzustand, ein Objekt, eine bloße ökonomische Komponente des »automatischen Subjekts« Kapital, von wo aus keinerlei klassenbewusst-universal-gesellschaftlich handelnde Subjektrolle zu erwarten ist. Kapitel 9 Abschnitt 11) 

Andererseits weist Postone den ursprünglichen unverkürzten Marxschen Proletariatsbegriff (der im folgenden zu rekonstruieren ist) wieder mal »dem traditionellen Marxismus« in Bausch und Bogen zu, um ihn mit diesem zusammen als Subjekt der »Emanzipation der Arbeit« (Marx) zu verabschieden (p.10); dafür wendet sich Postone »dem Entstehen neuer sozialer Bewegungen« und ihren subjektiven Befindlichkeiten zu. Er verfolgt und »erledigt« also die Marxsche Kategorie gewissermaßen »bis ans Ende« und wendet sich gleichzeitig schon von Anfang an von ihr weg und der »ethnographischen« Feldforschung zu.

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(Exkurs zum Marxschen Proletariatsbegriff )

Die originäre Kategorie »Proletariat« bei Marx begreift demgegenüber eine ebenso historisch und logisch komplexe Totalität in sich, wie es der unverkürzte Marxsche Arbeitsbegriff tut. Im ökonomischen Kern bezeichnet Marx diese Kategorie eher und in der Regel als »Arbeiterklasse«. Wo er in der »Kritik der politischen Ökonomie« einmal vom »Proletarier« spricht, bestimmt er ihn sogleich genau ökonomisch als kapitalproduzierenden Lohnarbeiter (Anmerkung zu Kapitel 25 der französischen Ausgabe »Das Kapital«I letzter Hand: »In der politischen Ökonomie ist unter Proletarier der Lohnabhängige zu verstehen, der das Kapital produziert und es Früchte tragen lässt --  und den 'Monsieur Capital' aufs Pflaster wirft, wenn er ihn nicht mehr braucht.«(vgl.MEW 23,642: »Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats. Unter 'Proletarier' ist ökonomisch nichts zu verstehn als der Lohnarbeiter, der 'Kapital' produziert und verwertet und aufs Pflaster geworfen wird, sobald er für die Verwertungsbedürfnisse ...überflüssig ist.«)

Ökonomiekritisch ist das Proletariat also streng gefasst der »produktive Gesamtarbeiter«-Kern (»Resultate ...«S.55ff) in der Gesamtheit der geschichteten Klassentotalität, die Marx ansonsten als »Lohnarbeiterklasse« (MEW 24,S.39) bestimmt: die spezifisch moderne »Klasse der freien Arbeiter«(MEW 23,185), welche die Akkumulation des Kapitals ebenso voraussetzt wie hervorbringt und in einem direkt proportional wachsenden Prozess in immer neuen Schüben und immer neuen Aggregatzuständen, Erscheinungsformen zur »Klasse reiner Lohnarbeiter« (MEW 23, 734) macht. Alle übrigen, vormodernen und bürgerlich-modernen Gesellschaftsklassen, die von diesem im Kapitalismus global unaufhaltsamen, unabschliessbaren Prozess erfasst werden, »alle diese Klassen fallen ins Proletariat hinab (...)

So rekrutiert sich das Proletariat aus allen Klassen der Bevölkerung. Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen durch. (...) Es werden (...) ganze Bestandteile der herrschenden Klasse ins Proletariat hinabgeworfen« (MEW 4: 465,469ff); die Tendenz der weiteren Klassenpolarisierung lässt Marx sogar perspektivisch von einer Art naturwüchsiger Selbstaufhebung oder Transformation der Klassenspaltung sprechen: »Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager« (MEW 4, 463)! In der Marxschen Bestimmung, schon rein ökonomiekritisch, schliesst also die Kategorie »Proletariat« eine ungeheure Identität und Nichtidentität in sich: identisch bzw. homogen sind alle Menschen, die/insofern sie als »Klasse der Verkäufer« (ihrer eigenen Arbeitskraft) der »Klasse der Käufer« (Kapital-Agenten) auf einem Arbeitsmarkt gegenüberstehen (MEW 6, 400f; MEW 23, 181ff); die individuellen Verkaufsbedingungen ändern an dieser Klassengemeinsamkeit nichts: »Vom gesellschaftlichen Standpunkt ist also die Arbeiterklasse, auch ausserhalb des unmittelbaren Arbeitsprozesses, ebenso Zubehör des Kapitals als das tote Arbeitsinstrument.

Selbst ihre individuelle Konsumtion ist innerhalb gewisser Grenzen nur ein Moment des Reproduktionsprozesses des Kapitals.« (MEW 23, 598f). Ihre jeweils konkreten Ausbeutungs-, Arbeits-Bedingungen im kapitalistischen Gesamtproduktions=Verwertungsprozess , die »verschiedenen Schichten der Arbeiterklasse« (MEW 23, 666) aber ebenso wie ihre soziohistorische, ethnische, kulturelle ... Genese in ihrem jeweiligen besonderen Proletarisierungsprozess, ihre Degradation »zu einer unterschiedslosen Masse ruinierter armer Teufel, denen keine Erlösung mehr hilft« (MEW 16, 151) einerseits, zu akkomodierten LohnspießersklavInnen, bei denen »der Umfang und die Wucht der goldenen Kette, die der Lohnarbeiter sich selbst bereits geschmiedet hat, ihre losere Spannung erlauben« (MEW 23, 646), andererseits, zu »Führungskräften« und »Scheinselbständigen« sowie auch zu denjenigen, mit denen der Proletariatsbildungs- als gesellschaftlicher Auflösungsprozess soziokulturell »dem Proletariat eine Masse Bildungselemente zuführt«, schliesslich auch solchen, »welche zum theoretischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben« (MEW 4, 471f), usw. -- bilden eine wachsend unübersichtliche Gemengelage der extremsten Heterogenität, der nichtidentischen »Identitäten«, Segmentierungen und Lebenslagen, Bewusstseinsformen und Lifestyles, Irrungen und Wirrungen, die als Erscheinungsoberfläche des »chaotischen Ganzen« auf den ersten Blick die Rede von »der Klasse« absurd oder - klebt er an einem historischen (z.B. »industriearbeiterischen«,«fordistischen«) Erscheinungsbild »des Proletariers«, seit den 1970er Jahren zunehmend anachronistisch bzw. mythologisch erscheinen lässt.

Um so weniger ist die streng ökonomiekritische Kategorie entbehrlich geworden, welche überhaupt erst den wirklichen, wesentlichen Klassenzusammenhang, »das innere Band« in »dem buntscheckigen Haufen der Arbeiter von allen Professionen, Altern, Geschlechtern« (MEW 23, 268), dieser augenscheinlichen »Milchstraße der Klassenströmungen« auf den Begriff bringen kann.

Der Marxsche dialektische Proletariatsbegriff leistet aber weit mehr: über die wissenschaftlich-analytische Bestimmungsmöglichkeit der objektiven ökonomischen Lage, konkreten Situation und Interessen des segmentierten Gesamtarbeiters des blinden Vergesellschaftungsprozesses hinaus greift diese Begrifflichkeit in die Sphäre der Subjektivität, entmystifizierend und ideologiekritisch, als zentrale Kategorie für das Verhältnis von gesellschaftlichem Sein und Bewusstsein in einer Formation, die auf totalisierter Warenproduktion und dadurch auf der kompliziertesten, suggestibelsten Verkehrung des Subjekt/Objekt-Verhältnisses der Menschen in ihrer Arbeit und ihrem Alltagsleben selbst beruht: dem »Fetischismus« der Warenproduktion, dem Geldrätsel und den Fetischgestalten der »trinitarischen Form« (MEW 25, 822ff), wobei besonders der Lohnfetisch die Proletarität selber - als Grundverhältnis der Eigentumslosigkeit und darauf beruhenden Ausbeutung und Entfremdung - verbirgt.

Damit rückt zugleich das proletarisierte Klassenindividuum (als »Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse«- so Marx) ins Zentrum, ohne dass die Problemstellung der Klassenlage damit verlassen wäre: die Kritik der politischen Ökonomie erfasst »die individuelle Arbeitskraft an ihrer Wurzel«, indem sie analysiert, was der kapitalistische Verwertungsprozess als Arbeitsprozess mit dem »Gesellschaftsindividuum« macht: »das Individuum selbst wird geteilt, (...) Was die Teilarbeiter verlieren, konzentriert sich ihnen gegenüber im Kapital.« (MEW 23, 381f), »innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehen sich alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters, (...) verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, (...) entfremden ihm die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses, (...) verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, (...) verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit« usw. (MEW 23,674).

Hier überschreitet der Marxsche Begriff des Proletariats die immanent-ökonomische Kritik der politischen Ökonomie und geht über in radikal-historische Kritik der politischen Ökonomie vom Blickwinkel der ArbeiterInnen als historisch besonders herausgebildeten Menschen, als gesellschaftlichen Naturwesen, Bedürfniswesen und gesellschaftlichen Individualitäten mit »einer Welt von produktiven Trieben und Anlagen«, realen Möglichkeiten, die sie verkörpern als Resultat eben der gesellschaftlichen Arbeit, die sie historisch in der Form des Kapitals geschaffen und herausgebildet haben als von ihnen selbst entfremdete Potenzen, als ihre eigene fremd und feindlich-despotisch ihnen entgegen wachsende Macht.

Die »reife«, d.h. ökonomiekritisch wissenschaftlich konkretisierte Marxsche Theorie führt damit schlußendlich »zurück« zum Proletariatsbegriff des beginnenden Marx, der durch die kategoriale Arbeit der »vernünftigen Abstraktion« zunächst philosophiekritisch, d.h. eher »logisch« (»spekulativ«) die Bestimmungen, die historischen Resultate, die zunächst »einfachen Momente« des gigantischen realen Proletarisierungsprozesses seiner Zeit herausarbeiten konnte und musste: aus der überwältigenden Phänomenologie der ersten industriellen Revolution, des Pauperismus, der Arbeiteraufstände usw. heraus die historisch-ökonomische und zugleich anthropologisch-subjektive Umwälzung materialistisch allererst auf den Begriff zu bringen, in ihrer historischen Dialektik diese Klassenbildung wesensmäßig überhaupt sichtbar zu machen.

Die kommunistisch-radikalhumanistische Kritik an der Entmenschlichung und Entfremdung der Proletarisierten und der politischen Ökonomie, die sie auf diese bloß-ökonomische und bloß-staatsbürgerliche condition prolétarienne fixiert und reduziert, hat die spätere, auf dieser fundamentalen Begrifflichkeit aufbauende und sie wissenschaftlich konkretisierende, füllende, präzisierende Kritik der politischen Ökonomie bei Marx nie wieder hinterschritten: »Es versteht sich von selbst, dass die Nationalökonomie den Proletarier, d.h. den, der ohne Kapital und Grundrente, rein von der Arbeit und einer einseitigen, abstrakten Arbeit lebt, nur als Arbeiter betrachtet. (...) Sie betrachtet ihn nicht in seiner arbeitslosen Zeit, als Mensch, sondern überlässt diese Betrachtung der Kriminaljustiz, den Ärzten, der Religion, den statistischen Tabellen, der Politik und dem Bettelvogt. Erheben wir uns nun über das Niveau der Nationalökonomie und suchen aus der bisherigen, fast mit den Worten des Nationalökonomen gegebenen Entwicklung zwei Fragen zu beantworten: 1.Welchen Sinn in der Entwicklung der Menschheit hat diese Reduktion des größten Teils der Menschheit auf die abstrakte Arbeit? 2. Welchen Fehler begehn die Reformatoren en détail, die (...) die Gleichheit des Arbeitslohns (wie Proudhon) als den Zweck der sozialen Revolution betrachten?

Die Arbeit kommt nur in der Gestalt der Erwerbstätigkeit in der Nationalökonomie vor. (...) Aber die Nationalökonomie kennt den Arbeiter nur als Arbeitstier, als ein auf die striktesten Leibesbedürfnisse reduziertes Tier.« (MEW Erg.bd.I, 479f). Die bewusst-sinnvoll gemachte Entwicklung der Menschheit heraus aus der - trotz ihres ungeheuren Vergesellschaftungs- und Produktivkräfte-Fortschritts und gerade angesichts dessen: -  unmenschlichen Reduktion ihrer Möglichkeiten in der kapitalistischen Form der Produktion-um-der-Produktion willen, die soziale Revolution des Proletariats mit dem Zweck der Aufhebung von Lohnarbeit, Kapital, Geld und Wert-undWarenform überhaupt und damit seiner Selbstaufhebung als Proletariat, d.h. als unmenschlich reduzierte »Ware Arbeitskraft« -- diese radikalhumanistischen Bestimmungen blieben die Leitlinien auch der späten wissenschaftlichen Kritik von Marx; etwa wenn er 1875 das generelle und programmatische Postulat formuliert »nachzuweisen, wie in der jetzigen Gesellschaft endlich die materiellen usw. Bedingungen geschaffen sind, welche die Arbeiter befähigen und zwingen, jenen geschichtlichen Fluch zu brechen.« (MEW 19,S.17: Kritik des Gothaer Programms).

Damit liegt auf der Hand, dass die Marxsche Theorie zu keinem Zeitpunkt, weder »früh« noch »spät«, den Begriff vom modernen Proletariat als der »universellen Klasse«, die auf Gedeih und Verderb die ganze Gesellschaft, ja die bewusst gemachte Geschichte der menschlichen Gattung repräsentieren muss, zurückgenommen oder nur mal so eine zeitlang »idealistisch« mitgeschleppt hat (wie ziemlich einhellig von den akademischen Bruchmarxologen behauptet wird, dass er es getan hätte). Im Gegenteil erklärt Marx für seine Kritik der politischen Ökonomie selbst: »Soweit eine solche Kritik überhaupt eine Klasse vertritt, kann sie nur die Klasse vertreten, deren geschichtlicher Beruf die Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise und die schliessliche Abschaffung der Klassen ist - das Proletariat.« (MEW 23, S.22) 

Bevor auf Postones Zurückweisung dieses originären Marxschen Theoriepostulats eingegangen wird, muss aber noch besonders die Leistung des Marxschen Proletariatsbegriffs für die Subjektivitätstheorie angedeutet werden, denn mit dem Verweis auf die momentane Bewusstseinslage »des« gerade vorfindlichen Proletariats oder vielmehr ihm in Bausch und Bogen zugeschriebener subjektiver Aggregatzustände einzelner Segmente im ausgehenden 20.Jahrhundert wird üblicherweise sowohl von den »linken« Soziologen als auch von der restlichen Bauchlinken die objektive Kategorie (sprich: soziale, historische »Daseinsform, Existenzbestimmung«) Proletariat empiristisch-phänomenologisch »positiv« zu erledigen versucht.

Weil sowohl der frühe wie der späte Marx materialistisch und historisch seine gesamte wissenschaftliche Kritik unablösbar motiviert und entwickelt »mit der Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist,« (MEW 1,386) -- die peinliche partie honteuse der Marxschen Theorie seit jeher für alle ihre bürgerlichen und akademischen Liebhaber, gegen deren steril(isierend)en »Wissenschaftlichkeits«-Anspruch der revolutionäre Humanismus dieser Theorie als Bestandteil dieses Kategorischen Imperativs verteidigt werden muss -- , geht für Marx die Kategorie Proletariat nicht in ihrem ökonomischen Moment auf.

Die innere Widersprüchlichkeit von Arbeitsprozess und Verwertungsprozess im Kapitalverhältnis entfaltet sich überhaupt nur von der lebendigen Arbeit her, welche die tote Arbeit als erzwungene Mehrwertproduktion aufhäuft sich selbst gegenüber als fremde blind-aneignende Macht, deren Akkumulation notwendig »auf Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert,« im globalen Massenmaßstab Bedürfnisfrustration, Arbeitsqual, Konkurrenz-Vereinzelung, Entzug von Lebensmöglichkeiten, soziale Depravation und Verweigerung von Möglichkeitsverwirklichung  -- mit einem Wort: Entmenschlichung in immer ungeheuerlicherer Quantität und Qualität erzeugt (MEW 23, 675).

Die real geschaffenen menschlichen Möglichkeiten der Proletarisierten werden also durch die kapitalistische Form des Arbeitsprozesses im Ansatz auch wieder radikal negiert. Auf diese Negation ihres Menschseins reagieren die Proletarisierten natürlich spontan auch durch die vielfältigsten Gesten und Revolten der Negation und Destruktion der bestehenden Zustände. Was die ausgereifte Kritik der politischen Ökonomie als historisch-logisches objektives Resultat des kapitalistischen Akkumulationsprozesses mit einer dialektisch-logischen Formel von Hegel abstrakt am historischen Horizont aufblitzen lassen kann, ohne einen Augenblick lang die wissenschaftliche Immanenz der Methode aufzugeben: »Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre eigene Negation. Es ist Negation der Negation.« (MEW 23,791), -- das ist als subjektives Resultat der Entfremdungen der Proletarisierten und Pauperisierten von ihren menschlichen Wirklichkeiten und Möglichkeiten schon in den ersten materialistisch-kritischen Proletariatsbegriffen des sich konstituierenden wissenschaftlichen Kommunismus herausgearbeitet:

»Das Proletariat (...) ist die negative Seite des Gegensatzes [der Welt des Privateigentums], seine Unruhe in sich, das aufgelöste und sich auflösende Privateigentum. Die besitzende Klasse und die Klasse des Proletariats stellen dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar. Aber die erste Klasse fühlt sich in dieser Selbstentfremdung wohl und bestätigt, weiss die Entfremdung als ihre eigne Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz;  die zweite [Klasse] fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz. Sie ist, um einen Ausdruck von Hegel zu gebrauchen, in der Verworfenheit die Empörung über diese Verworfenheit, eine Empörung, zu der sie notwendig durch den Widerspruch ihrer menschlichen Natur mit ihrer Lebenssituation, welche die offenherzige, entschiedene, umfassende Verneinung dieser Natur ist, getrieben wird. Innerhalb des Gegensatzes ist der Privateigentümer also die konservative, der Proletarier die destruktive Partei. Von jenem geht die Aktion des Erhaltens des Gegensatzes, von diesem die Aktion seiner Vernichtung aus (...) es siegt nur, indem es sich selbst und sein Gegenteil aufhebt.« (MEW 2,S.37f) 

Diese ersten wissenschaftlichen Bestimmungen des Proletariats von Marx sind bei den akademischen Bruchmarxologen deshalb so verpönt, weil sie keine ökonomistische, funktionalistische Verengung der Kritik auf die bloße Immanenz von synchronen »Strukturen« oder formaler »Logik des Kapitals« oder »des Werts« zulassen, sondern grundlegend für die später daraus entwickelte Marxsche Kritik der politischen Ökonomie die Proletarität aus der Gattungsgeschichte heraus als Negation des wirklich bereits herausgebildeten gesellschaftlichen Individuums einerseits, des möglichen kommunistischen Gesellschaftsindividuums andererseits innerhalb und gegen die kapitalistische Produktions- und Vergesellschaftungsform des Reichtums auf den Begriff bringen.

Dieser Begriff vom Proletariat als dem negatorischen Moment im Kapitalverhältnis lässt sich nicht polit-ökonomisch reduzieren auf »variablen Kapitalanteil« in der Produktion, »freier Warenbesitzer« in der Zirkulation oder »Konsument«, gleiches freies Rechtssubjekt usw., wobei allerdings auch hier jeweils die Widersprüchlichkeiten und Antinomien hervorgetrieben sind (vgl. z.B. MEW 23:249,319). Vielmehr geht es bei Marx durchgängig um das historisch »explosive« Bedürfniswesen Mensch (Marx spricht vom historischen Movens nicht nur »notwendiger«, sondern darüber hinaus zunehmend »radikaler« und »enormer Bedürfnisse«), das als gesellschaftliches Naturwesen seines wirklichen und vor allem möglichen Reichtums beraubt, depraviert wird, entfremdet wird, solange es als Privateigentümer-ohne-Eigentum auf sein Arbeitsvermögen und damit auf sein ganzes Leben und seine ganze Persönlichkeit als Ware reduziert ist, in der Form des Proletarisierten mithin entmenscht: als Mensch verdinglicht, entfremdet, vernichtet. Das sind keine ökonomisch-immanenten, politischen Bestimmungen mehr, sondern politökonomie-kritische, aus der Totalität von Gattungsgeschichte, Gesellschaft und wirklich-möglichem Individuum heraus entwickelte Kriterien gegen die Trennungen, Zerstückelungen der gesellschaftlichen Individuen in den Formen der kapitalistischen Reichtumsproduktion: in der Rolle des Proletariats.

Weil Form und Inhalt sich nicht äusserlich gegenüberstehen, ist diese Kritik zugleich streng immanenter wissenschaftlicher Aufweis der Widersprüche in der Form (Arbeitsprozess in der Form von Verwertungsprozess; gesellschaftlich produzierende Menschen in der Form von privaten Klassen-KonkurrentInnen usw.), wie sie mit ebenso wissenschaftlicher Stringenz die wirklich-materielle  inhaltliche Tendenz zur Auflösung, Aufhebung derselben formbedingten Widersprüche durch das wirkliche Objekt (bloße LohnarbeiterInnen) und mögliche Subjekt (gesellschaftliche Individuen als gattungsgeschichtliche Totalität) -- also das Übergehen der Form-Immanenz in formsprengendes Transzendieren der bestehenden Form  -- aufzeigt: »Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.  Übrigens setzt die Masse von bloßen Arbeitern  - massenhaft von Kapital oder von irgendeiner bornierten Befriedigung abgeschnittene Arbeiterkraft -  und darum auch der nicht mehr temporäre Verlust dieser Arbeit selbst als einer gesicherten Lebensquelle durch die Konkurrenz den Weltmarkt voraus.

Das Proletariat kann also nur weltgeschichtlich existieren, wie der Kommunismus, seine Aktion, nur als 'weltgeschichtliche' Existenz überhaupt vorhanden sein kann; weltgeschichtliche Existenz der Individuen, d.h. Existenz der Individuen, die unmittelbar mit der Weltgeschichte verknüpft ist.« (MEW 3, S.235f) Diese neue historische Unmittelbarkeit einer Weltgesellschaft bewusst zu machen und zu vollenden ist »bei Strafe des Untergangs«, so Marx, vom Proletariat selber zu leisten, womit von Anfang an das Moment der Subjektivität, ja sogar der sozialpsychologischen Konstitutionsformen (Ideologie, Mystifikationen, Phantasmagorien, Fetischismus, Religion, Verblendungen, Unbewusstes und Vorbewusstes usw.) in den Vordergrund rückt (»die sinnlich vorliegende menschliche Psychologie« müsse erst noch »zur wirklichen inhaltvollen und reellen Wissenschaft werden.«MEW Erg.bd.1,542f), wo es darum gehen muss, die Kategorie Proletariat als menschliche Negation seiner kapitalistisch-unmenschlichen Negation überhaupt erst historisch plastisch-konkret herauszuarbeiten. Die Kritik der politischen Ökonomie - selbst erst ein Anfang, ein Torso - ist zu dieser Konkretisierungsarbeit erst der Anfang gewesen.

Der Marxsche Theorieansatz wird gemeinhin auf den Kopf gestellt, indem die ersten Bände des »Kapital« zum Schwarzen Loch der »wissenschaftlichen Immanenz« erklärt werden, die jegliche Weiterentwicklung der Proletaritätskritik erübrigt und aufsaugt, die in der Kapitallogik angelegte, dort auch schon historisch aufgewiesene Tendenz zum Transzendieren des Kapitalverhältnisses als angeblich »von aussen herangetragene Geschichtsphilosophie« oder »vorwissenschaftlichen Humanismus« usw. abweist und alle subjektiv-ideellen sowie bedürfniswesenhaften historisch-anthropologischen Komponenten der Kategorie Proletariat  - im positiv-«wissenschaftlichen« Einklang mit der politischen Ökonomie selber - abspaltet und entfernt, vernichtet.

Der Proletariatsbegriff von Marx wird damit auf eine ökonomistische sowie eine politizistische Eindimensionalität zurechtgestutzt, und während man sich über die Perspektivierung auf »Negation der Negation« alteriert statt sie aus der einstweiligen Abstraktheit zu befreien, beruft man sich auf die »positiven« Erscheinungsformveränderungen in der Bewusstseinslage des Weltproletariats, um den gigantischen Prozess der Negation, der sich in dieser »Psychogeographie« (eine treffende Formel der Situationisten) doch in vielfach gebrochenen, »überdeterminierten« Formen ausdrückt und überhaupt erst zu dechiffrieren wäre, zugleich mit dem ganzen Sein des heutigen Proletariats zu eskamotieren (kurzerhand verschwinden zu lassen).

Diese ebenso gigantische soziologische Eskamotierung des »Negativen der bestehenden Gesellschaft«, das Vergessen und Verdrängen des »alten Maulwurfs« (Metapher von Shakespeare, Hegel, Marx), der unterirdisch-blind »weiterwühlt«, passt aber selber in die Landschaft der Re-Affirmation der bestehenden Welt-Bürgergesellschaft, in der zwar objektiv-ökonomisch »das Proletariat mehr und mehr fast die ganze Welt umfasst« (wie die Situationisten bereits 1966 feststellen konnten; S.I.dt.1976: Bd.I,266; Bd.II,296), sich aber in neuen Formen mehr denn je wieder mal atomisiert und ideologisch-verkehrt in den Selbstbildern von Karriere-«BürgerInnen« und /oder FundamentalistInnen irgendeiner politischen, kulturellen, genderistischen oder sonstwie »korrekten«, sinnstiftenden und konkurrenzgetriebenen »Identität« sehen. Dass dieser Prozess alle möglichen Gesten, Ausdrucksformen und auch Fortschritte gesellschaftlicher Emanzipation dieser Gruppen vereinzelter Einzelner darstellt, bestreitet ausser konservativen Gemütern kein Mensch.

Dass die elementare Forderung von Marx an wissenschaftliche KommunistInnen, immer erneut »genau Rechenschaft abzulegen über die Strikes, Koalitionen und die anderen Formen, unter welchen die Proletarier vor unseren Augen ihre Organisation als Klasse vollziehn« (MEW 4,181), schon lange nicht erfüllt worden ist, fast nur noch als staatlich-halbstaatlich angeeignetes Herrschaftswissen betrieben wird und hier wenigstens von den akademischen sozio-ethnographischen FeldforscherInnen, Cultural Studies etc. zu lernen, zu nutzen und zu entwenden wäre, ist ebenso offensichtlich. Eher ist es wieder mal so: die Herrschaftsapparate von Soziologiebetrieben bis Gewerkschaften, »attac« etc. -- denken wir etwa an die Ereignisgeschichte seit der Jahrhundertwende vor und nach »Genua« -- sind den Massenbewegungsformen gegenüber »von einer wirklichen Furcht befallen, während die anderen eine transzendentale Geringschätzung an den Tag legen.« (ibid.) Marx fasst den langen, komplizierten Weg, der »Sozialisten« immer wieder in spontaneistischer, attentistischer oder sektenbildender Transzendental-Ideologie abdrehen liess, in der kurzen Kennzeichnung der Ausgangslage für jeden »Parteibildungsprozess des Proletariats« (nicht als irgendwelche »KP« sondern »im großen welthistorischen Sinne« als proletarisch-selbstbewusste »Partei, die aus dem Boden der modernen Gesellschaft naturwüchsig sich bildet« MEW 30,490) nur in zwei kurzen, alle Phasen zwischen vielfältigen »Koalitionen« der Proletarisierten und politischem Charakter bewusster Klassenorganisierung äusserst formelhaft verkürzenden Sätzen zusammen: »Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen geschaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf, den wir nur in einigen Phasen gekennzeichnet haben, findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf.«(MEW 4,180f)

Durch die neuen, heterogener und komplexer gewordenen Formen der Akkumulation und Herrschaft des Kapitals im globalen Prozess seiner reellen Subsumtion (Regulierungs- und Stimulierungstechniken der Gegentendenzen gegenüber dem tendenziellen Fall der Durchschnittsprofitrate) sowie durch den Alltag der dadurch entstandenen globalen Reproduktionstotalität ist die Spannweite zwischen der vernünftigen Abstraktion dieser Marxschen Formel jeder »Klassenkonstitution« und der Konkretisierung ihres durch die alten und neuen Formen der Konkurrenz zwischen den Lohnabhängigen, die bis heute kaum geleistet wurde, natürlich ungeheuer ausgedehnt: Ökonomisch, sozial und kulturell-psychomental ist die condition prolétarienne als »eine verwüstete Landschaft, die einen Krieg gegen ihre eigenen Lebensmöglichkeiten führt« (wie es die Situationisten ausdrückten), nicht zu übersehen (»Die Umweltverschmutzung und das Proletariat sind heute die beiden konkreten Seiten der Kritik der politischen Ökonomie.« stellten sie in ihrem letzten Dokument 1972 lapidar fest), es ist in der Tat »die negative Seite der bestehenden Gesellschaft«, die sich selber als »Zivilgesellschaft« feiert und durch wissenschaftlich-technologische Entfesselung der Barbarei den globalen Krieg für ihr »Ende der Geschichte« führt.

Aber »die destruktive Partei«, von welcher der frühe Karl Marx spricht, ist gegenwärtig politisch »eine abwesende Partei« geworden, wie sie der späte Guy Debord charakterisiert: »Die Negation wurde so perfekt ihres Denkens beraubt, dass sie seit langem zerstreut ist.« (»Kommentare zur Gesellschaft des Spektakels« 1988, These XXX).

Der langwierige Prozess des Zusammenfindens dieser immer wieder neuartig zerstreuten Klassenindividuen, mehr oder weniger bewusst proletarischen Kampf-«Koalitionen«, proletarischer Assoziierung und Entdeckung geeigneter neuer Selbstorganisierungsformen der »Klasse-für-sich« ... wurde von Marx schliesslich auf die einfachste Formel gebracht, die die Spannung logisch und historisch zwischen objektiv-materieller Anwesenheit und subjektiv-politischer Abwesenheit der »Daseinsform, Existenzbestimmung« Proletariat überhaupt begrifflich fassen kann, ohne in (»überhegelnde«)Transzendenz zu geraten:
»Die Arbeiterklasse ist revolutionär oder sie ist nichts.« (MEW 31,446)

Das bringt am präzisesten die harte dialektische Dualität auf den Punkt, wo es sich bei der Neuentfaltung der Kategorie Proletariat eben keinesfalls um bloße Beschreibung ihrer gegenwärtigen Bewusstseinsformen und Bewegungsformen allein handeln kann, weil man dann ins transzendentale Nichts abstürzt, sondern allererst um das materialistische Festhalten, Begreifen und Herausarbeiten des gesellschaftlichen, im Kern ökonomisch durch den gattungsgesellschaftlichen Arbeitsprozess wie durch den kapitalistischen Verwertungsprozess »gesetzten«, geschaffenen, selbstgeschaffenen Seins. Erst von diesem hergeleitet können auch die oberflächlich erscheinenden Bewusstseinsformen und ihrer (verkehrenden, dem herrschenden Bewusstsein der Herrschenden entsprechenden) ideologischen Praxisformen in ihrer Widersprüchlichkeit und komplex-gebrochenen Richtungsandeutung gedeutet werden, und zwar gerade erst in ihrer notwendigen dialektischen Spannung als historisch-konkrete Reflexionsbestimmungen von Bewusstsein und gesellschaftlichem Sein:

»Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird. Sein Ziel und seine geschichtliche Aktion ist in seiner eigenen Lebenssituation wie in der ganzen Organisation der heutigen bürgerlichen Gesellschaft sinnfällig, unwiderruflich vorgezeichnet.« (MEW 2,S.38)

Bei Postone reisst diese dialektische Spannung schon in seinem Einleitungsteil -- wie einige meinten. Liest es sich doch in Postones Einleitung geradezu so, als bürde er dem Marxschen Begriff der Arbeiterklasse bzw. des Proletariats wieder mal zweierlei Verflachungen des ausgehenden 20.Jh. auf: einmal die staatsapologetische Überhöhung der »Realsozialismen«, die aus begreiflichen Gründen die Selbstaufhebung des Proletariats, die Marx klar perspektivierte, ebensowenig denken konnten wie die Aufhebung der Lohnarbeit. Wie Postone nämlich diese Aufhebung formuliert, wendet er sie gegen den Begriff von der ebenso notwendigen wie möglichen proletarischen Revolution als Subjekt des Übergangs zur kommunistischen Produktion und Verteilung in der ganzen Marxschen Theorie selbst: die Kategorie selbst geht Postone dabei verloren; und indem er das Proletariat objektivistisch nur noch als bloßen »Gegenstand« des Kapitals fasst, es auf die negative Seite der bestehenden Gesellschaft »als das wesentliche Konstitutionselement jener Verhältnisse selber« (die Produzenten des Werts, die die allumfassende Gesellschaftsstruktur »Wert« konstituieren) reduziert (vgl. Kapitel 9 Abschnitt 11), schliesslich aber auch noch alle Emanzipation von diesem Klassen-Sein »durch die Menschen« von der Klasse strikt dualistisch trennt  -- anstatt das Identische und Nichtidentische der menschlichen Emanzipation und der proletarischen Negation zu entwickeln, wie Marx es im Begriff der »Klasse für sich«, der Negation der Negation usw. dialektisch aufweist -- , scheint Postone mit dem Vorwurf an »den traditionellen Marxismus«, er habe in der Analyse der sozialen Bewegungen versagt, soweit er eben an diesem Begriff vom Proletariat festhalte, tatsächlich die ganze Marxsche Klassenanalyse aufzukündigen:

»Der traditionelle Marxismus hat nicht nur bei der Grundlegung einer angemessenen historischen Analyse des 'tatsächlich existierenden Sozialismus' (oder seines Zusammenbruchs) versagt, sondern (...) sich immer weiter entfernt / wurde immer abgehobener  von den Themen und Quellen der gegenwärtigen Tendenzen / Strömungen des Unbehagens / der Unzufriedenheit in (den) fortgeschrittenen Industrieländern. Dies gilt in besonderem Maße für seine ausschliessliche und positive Zentrierung der Klasse [focus on class] und für seine Affirmation industriell-proletarischer Arbeit sowie für die spezifischen Formen von Produktion[sprozess] und technologischem 'Fortschritt', die den Kapitalismus auszeichnen. Zu einer Zeit wachsender Kritik an dieser Art 'Fortschritt' und 'Wachstum', erhöhten Bewusstseins ökonomischer Probleme, weitverbreiteter Unzufriedenheit mit (den) bestehenden Formen von/der Arbeit [labor], wachsender Sorge um die politische Freiheit und der zunehmenden Bedeutung nicht klassenbasierter / nicht klassenbezogener sozialer Identitäten [non class based social identities]  (wie z.B. gender  oder Ethnizität) scheint der traditionelle Marxismus mehr und mehr anachronistisch zu sein. Im Osten wie im Westen gleichermaßen ist er von den Entwicklungen des Zwanzigsten Jahrhunderts als historisch unangemessen bloßgestellt worden [revealed].« (p.12)  Postone hält also Sein und Bewusstsein des zeitgenössischen Proletariats, Klasse-an-sich und einstweilige Vorstellungen der Proletarisierten von sich selbst (die sich natürlich zunächstmal keineswegs als ProletarierInnen begreifen können und wollen), Objektives und Subjektives in dem widersprüchlichen Negationsprozess ... kein bisschen auseinander, sondern fährt ebenso irritiert wie alle Soziologen in der Aufzählung ihrer neueren Erscheinungsformen und Tendenzen fort: »Umfassen sie doch Entwicklungen, die den anachronistischen und unangemessenen Charakter der traditionellen Theorie in ein grelles Licht setzen: so beispielsweise das Aufkommen von neuen sozialen Bewegungen wie den ökologischen Massenbewegungen, den Frauenbewegungen, den Bewegungen für die Emanzipation von Minderheiten ebenso wie dem wachsenden Unmut/Unbehagen (und der Polarisierung) angesichts bestehender Formen der Arbeit [labor] und traditionellen Wertsystemen und Institutionen.« (p.12f)

Wir sind jedenfalls gespannt, wie Postone dem gängigen »patchwork der Minderheiten« und ähnlichen »postmodernistischen« Versuchen, seit der Neuzusammensetzung des Proletariats ab den 1970ern die Marxsche Klassenanalyse loszuwerden, entkommen wird.

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Fragen zur Theorie-Verortung

Streitpunkt in unserer Diskussion war noch, ob Postone einer strikt »Negativen Dialektik« verpflichtet ist oder diese aufgibt zugunsten »positiver Letztbestimmung«, wie auch Zweifel an der »Letztbegründung« seiner Kapitalismuskritik an dieser Stelle, in diesem Einleitungsteil, bei einigen TeilnehmerInnen  sich einstellten (...)

Denn eine »positive Praxis« zu entwerfen verdächtigten letztere Postone hier, wenn er »die Basis für eine Theorie der Praxis« (p.4) zu legen beanspruchen will  -- eine Formel von Gramsci entlehnend, die dem »negativ-dialektischen« Verbot utopisch-aktionistischen Bilder-Erstellens, der unbedingten Skepsis gegenüber einer »positiven Dialektik« des naiven, vermeintlichen Alternativen-Auswegs aus der kapitalistischen Durchdringung aller Bereiche und Regungen, zuwiderläuft. Andere TeilnehmerInnen dagegen fragten, wie denn die von Postone als »zunehmend abstrakte Form« gezeichnete kapitalistische »labor«-basierte Universalstruktur überhaupt noch komparativ, an anderen Gesellschaftlichkeitsformen - vergangenen und möglichen  -  zu »messen«, zu kritisieren und praktisch zu transformieren, zu revolutionieren wäre. Immerhin haben wir die Vorstellung von Entwicklungen der Kapitalgestalt vor Augen wie Aktiengesellschaften, Börse, neuartig sich verbreitendes Teamwork usw., die schon Marx als Picken von innen an den Eierschalen beschrieb: »Da haben wir wieder den kapitalistischen Kommunismus« ! (MEW 32,S.73: an Engels 30.4.1868; wobei Marx auch die »Kooperativfabriken«, Produktionskommunen der Arbeiter selbst zu einer dieser Formen präkommunistischer Firmen-Vernetzung zu zählen pflegte, z.B.MEW 25, 456).

Frage war auch, woher bei Postone diese alles durchformende gesellschaftliche Herrschaft (soziale Dominanz) abgeleitet ist. Als dünnen Hinweis auf historische Herleitung sahen wir in der Einleitung die Beziehung von Struktur und Handeln aufscheinen (p.3). Unter der Fragestellung »wie gehören gesellschaftliche Struktur und Lebenswelt zusammen« usw.  neuerlich wieder von dem bürgerlichen Soziologen Anthony Giddens aufgeworfen, erfüllen diese Debatten schon das ganze vergangene Jahrhundert.  In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff der »Anomie« (griech.: »Gesetzlosigkeit, Regellosigkeit«) gestreift, den Postone aufgreift, ohne ihn (wie die heutigen regulationstheoretischen »Anomie«-Forscher à la Heitmeyer-Schule und ihr soziologischer Vorvater Émile Durkheim) evolutionistisch zur Kennzeichnung einer »krankhaften«, ano(r)malen Gesellschaftskonflikte-Entwicklung im Sinne seiner Krisenandeutung einzusetzen. (...)

Soweit die  - zugegeben sehr mit Marxbelegen über unsere Originaldiskussionen hinaus ausgestopfte -  vorläufige Rekonstruktion unserer Protokollfragmente zum Einleitungsteil von »Time, Labor, and Social Domination«.  Über die Abschlussveranstaltung zur Postone-Rezeption in der BRD-Linken, die sich zunächst an seiner ASundNS-Deutung ab 1979 festmacht, können wir hier aus Gründen der Ökonomie-der-Zeit noch nicht berichten.

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