Arbeitspapier zur Veranstaltung am 26.10.2001:

Die Kommunistische Linke

von Norbert Sanden

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Inhalt

  1. Kommunistische Linke gegen die Identifikation von Staatskapitalismus und Kommunismus
  2. Exkurs 1: Kommunistische Linke und Marxismus
  3. Exkurs 2: Kommunistische Linke und Dekadenz-Theorie
  4. Politische Geschichte der Kommunistischen Linken bis zum Zweiten Weltkrieg
    1. Deutsch-Holländische Kommunistische Linke
    2. Kommunistische Linke in Russland
  5. Exkurs 3: Kommunistische Linke und Trotzkismus
    1. Italienische Kommunistische Linke
      1. Bilan-Gruppe
    2. Rätekommunisten
  6. Exkurs 4: Kommunistische Linke und Rätekommunismus
  7. Politische Geschichte der Kommunistischen Linken seit dem Zweiten Weltkrieg
    1. Holländische Kommunistische Linke
    2. Italienische Kommunistische Linke
    3. Französische Kommunistische Linke
  8. Charakteristische Positionen der Kommunistischen Linken
  9. Fazit
  10. Literatur und (Internet-) Adressen

 

1. Die Kommunistische Linke und die Ablehnung einer Identifikation von Staatskapitalismus mit Kommunismus

Aus der Perspektive der Kommunistischen Linken betrachtet, wurden seit dem Ende des internationalen revolutionären Aufbruchs, der 1917 begann und bis 1927 dauerte, die Begriffe Marxismus, Sozialismus und Kommunismus immer stärker in falsche Zusammenhänge gebracht. Zunächst in einen Kontext mit der staatskapitalistischen und stalinistischen Sowjetunion. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Mythos von der »Verteidigung des Sozialistischen Vaterlandes«, das heißt der Sowjetunion, zusammen mit dem Antifaschismus und der »Verteidigung der Demokratie« zur Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse für das bislang größte Massaker der menschlichen Geschichte genutzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Kommunismus mit den ebenfalls staatskapitalistischen - wenn auch unterschiedlich ausgeprägten - Regimes zum Beispiel in China, Nord-Korea, Kuba, Jugoslawien oder in der DDR identifiziert. Diese Gleichsetzung diente einerseits der ideologischen Rechtfertigung der imperialistischen Ziele der Sowjetunion. Die Erweiterung ihres Einflussbereiches wurde mit der Verbreitung und Verteidigung des Sozialismus identifiziert. Die herrschende Klasse der Sowjetunion brachte es zur einer -wenn auch vergänglichen - Meisterschaft, mit marxistischen Begriffen und kommunistischen Slogans und Symbolen, ihre Klassenherrschaft zu verschleiern. Andererseits diente diese Identifikation den westlichen Demokratien, sowohl zur ideologischen Begründung eigener imperialistischer Interessen, die als Verteidigungsmaßnahmen gegen den Totalitarismus begründet wurden, wie auch als ein Mittel zur Kontrolle der Arbeiterklasse. Indem nämlich der Kommunismus mit dem sowjetischen Arbeitslagersystem, dem Massenmord, der Mangelwirtschaft und der auch gegen Arbeiter gerichteten Repression gleichgesetzt wurde, konnte sich der demokratische Kapitalismus des Westens, als ein attraktiver Hort von Wohlstand, Freiheit und Demokratie darstellen.

Der Zusammenbruch der politischen Regime Osteuropas und der Sowjetunion um das Jahr 1989, wurde von den herrschenden Klassen des Westens, als logischer und globaler Sieg des Kapitalismus, als endgültiger Beweis für die Funktionsuntüchtigkeit des Sozialismus, als vollständiger Bankrott des Marxismus und als historischer Tod des Kommunismus interpretiert.

Diese Gleichsetzung von Staatskapitalismus und Kommunismus gilt der Kommunistischen Linken als die Große Lüge des vergangenen Jahrhunderts. Eine Lüge übrigens, die -wenn auch unterschiedlich orchestriert - von allen politischen Fraktionen des Kapitals, von der Extremen Rechten bis zur Extremen Linken, verbreitet wurde. Die Kommunistische Linke entwickelte ihre Positionen nicht zu letzt auch in vehementer Ablehnung dieser Identifikation.

Exkurs:  Die Kommunistische Linke und der Marxismus

Der Marxismus gilt nicht als Produkt isolierter Denker, sondern als theoretischer Ausdruck des Klassenkampfes, d.h. der wirklichen Bewegung des Proletariats. Er ist demnach eine Theorie der Verteidigung der unmittelbaren und historischen Interessen der globalen Arbeiterklasse. Der Marxismus gründet einerseits auf gewissen Prinzipien, wie zum Beispiel dem Internationalismus. Andererseits ist diese Theorie darauf angewiesen, in ständigem Austausch mit den tatsächlichen Erfahrungen der internationalen Klasse zu stehen. Demzufolge kann der Marxismus - nach Auffassung der Kommunistischen Linken - keine dogmatische, unveränderliche und von der Praxis des Klassenkampfes getrennte Doktrin sein. Sowohl Luxemburg, als auch Pannekoek forderten einen »beweglichen Marxismus«. Die Marxschen Schriften dürften nicht als »Heilige Schriften« oder als »Rezeptbücher« angesehen werden. Für beide ist der Marxismus vor allem eine Methode zur wissenschaftlichen Erforschung der Gesellschaft.

Die Entwicklung des Marxismus kann, so wurde immer betont, nicht von isolierten Individuen, sondern nur in Form einer kollektiven Anstrengung, d.h. von revolutionären Organisationen erfolgen.

Exkurs:  Die Dekadenz des Kapitalismus

Die Positionen der Kommunistischen Linken wurden teilweise in einem engen Zusammenhang mit der Theorie des historischen Niedergangs, »der Dekadenz« des Kapitalismus entwickelt. Nachdem der Kapitalismus zunächst ein »fortschrittliches« und aufstrebendes System gewesen sei, trat das kapitalistische Weltsystem zu Anfang des 20. Jahrhunderts in seine »Niedergangsphase« ein. Dies sei die entscheidende Ursache gewesen für die Entstehung des Ersten Weltkrieges, als einer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten. Von dieser Annahme ausgehend wurde die Notwendigkeit einer neuen Strategie und Taktik der revolutionären Arbeiterbewegung begründet. Die Theorie des historischen Niedergangs geht auf Luxemburgs Schrift »Die Akkumulation des Kapitals« (1913), aber auch auf Lenins »Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus« (1916) zurück. Heute bezieht sich vor allem die Internationale Kommunistische Strömung (IKS) und teilweise das Internationale Büro für die revolutionäre Partei (IBRP) explizit auf die »Dekadenz-Theorie«. Von den bordigistischen Gruppen wird dieses Konzept abgelehnt.

Auf der Grundlage der »Dekadenztheorie«, die den Kapitalismus seit Beginn des Ersten Weltkrieges als ein System im historischen Niedergang ansieht, nahm die Kommunistische Linke eine Strategie an, die die alte parlamentarische und gewerkschaftliche Taktik ablehnte.

So wurde von der Deutsch-Holländischen Kommunistischen Linken z. B. betont, dass die von ihr formulierte und marxistisch begründete Ablehnung des Parlamentarismus und der Gewerkschaften - als reale Möglichkeiten des Kampfes und der Organisation - etwas anderes bedeute, als die Position der Anarchisten. Vor allem Pannekoek war nicht grundsätzlich gegen den Parlamentarismus und die Gewerkschaften - ebenso wenig war er grundsätzlich dafür. Er bezog sich auf ihre relative historische Bedeutung und damit zusammenhängend auf ihren Bedeutungsverlust in einer neuen historischen Phase, die er als Niedergangsphase des Kapitalismus interpretierte

2. Politische Geschichte der Kommunistischen Linken bis zum Zweiten Weltkrieg

2.1 Die Deutsch-Holländische Kommunistische Linke

Die Entwicklung der Kommunistischen Linken kann nur verstanden werden im Zusammenhang mit der internationalen politischen Geschichte der marxistischen Linken insgesamt. Sie entwickelte sich zunächst als Reaktion auf die sogenannte »opportunistische und reformistische Degeneration« der Zweiten Internationale vor und während dem Ersten Weltkrieg. Auf theoretischer, organisatorischer und persönlicher Ebene gab bereits vor 1914 Verbindungen zwischen der Linken in Deutschland und Holland, zum Beispiel zwischen Rosa Luxemburg und Anton Pannekoek. Beide verband eine ähnliche Kritik an den Positionen Kautskys und Lenins. Zu den bekanntesten Vertretern der Holländischen Linken zählten neben Pannekoek, Herman Gorter und Henriette Roland-Holst. Seit der 1920 erfolgten Gründung der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD, bzw in Holland der KAPN) kann von einer wirklichen theoretischen und organisatorischen Fusion der Deutschen und Holländischen Linken gesprochen werden.

Die Parteien der Zweiten Internationale gründeten - im Unterschied zu jenen der Ersten Internationale - auf dem Marxismus. Sie agierten zunächst in der Phase eines allgemeinen kapitalistischen Aufschwungs, waren stark auf die Durchsetzung von Reformen ausgerichtet und tendierten mehrheitlich zu einer faktischen Integration in das kapitalistische Weltsystem. Der allmähliche und friedliche Übergang vom Kapitalismus zu einer Art Staatssozialismus, schien eine realistische Möglichkeit zu sein.

Gegen diese Politik bildeten sich allerdings seit Ende des 19. Jahrhunderts linke Minderheiten, mit der Absicht, das, was sie als »revolutionären Marxismus« ansahen, innerhalb der Sozialdemokratischen Parteien aufrechtzuerhalten. Sie bezogen sich dabei zwar immer auf »die Grundlagen des Marxismus«, versuchten aber mit Hilfe der »marxistischen Methode«, die sich verändernden Bedingungen des Klassenkampfes, in ihre Positionsbestimmungen einzubeziehen. Diese Veränderungen ergaben sich nach Auffassung der Linken daraus, dass das kapitalistische Weltsystem in die Phase seines historischen Niederganges, d.h. in die Phase seiner der Dekadenz (Luxemburg) und des Imperialismus (Lenin) eingetreten ist.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Krise an seinem Ende und die Oktoberrevolution erweckten unter den Linken den Eindruck, dass der Kapitalismus definitiv am Ende sei und die »Epoche der Sozialen Revolution« beginne. Diese Einschätzung führte zu einer tiefen Spaltung innerhalb der marxistischen Arbeiterbewegung. Teile der Sozialdemokratischen Parteien begründeten ihren Patriotismus und ihre Unterstützung der eigenen Bourgeoisie mit Marxschen Schriften, die nach Ansicht der Linken, einer vergangenen Periode angehörten. Große Teile der Sozialdemokratischen Parteien waren 1914 als Kriegstreiber und als sozialpatriotische Rekrutierungsorganisationen für den Krieg des Kapitals aktiv. Nach dem Krieg lehnten diese Parteien die Oktoberrevolution mit der Begründung ab, sie sei verfrüht, da es in Russland noch keine bürgerlich-demokratische Entwicklung gegeben habe. Nach dem Krieg waren diese Parteien - aus Sicht der Linken - zu »Bluthunden der Konterrevolution« geworden. Der Bruch mit der Sozialdemokratie schien vollständig und endgültig zu sein.

Denn es waren die Linken innerhalb der Sozialdemokratie, die während des Krieges auf der Gültigkeit des proletarischen Internationalismus bestanden, die jede Unterstützung einer Kriegspartei verwarfen. Sie ergriffen Partei für die Revolution in Russland und waren an den revolutionären Kämpfen in der unmittelbaren Nachkriegszeit sogar mit einem gewissen Masseneinfluss beteiligt. Folgerichtig gehörten diese »westlichen« Linken zusammen mit den Bolschewiki, zu den enthusiastischen Initiatoren der 1919 gegründeten Dritten Internationale, der Kommunistischen Internationale. Zu den Wurzeln dieser Internationale gehörten also nicht nur die bolschewistische Partei Lenins, sondern auch die linken Strömung um Luxemburg und Pannekoek, nicht nur die Oktoberrevolution, sondern auch die revolutionären Kämpfe in Deutschland. Es war der Beginn einer Periode, die mit einer einmaligen Welle proletarischer Aufstände und revolutionärer Bewegungen begann und in einer tiefen und alles zermalmenden Konterrevolution endete.

Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde Anfang Januar 1919 gegründet. Im September wurde durch ein bürokratisches Manöver die antigewerkschaftlich und antiparlamentarisch orientierte Mehrheit der Partei von der Minderheit ausgeschlossen. Außerhalb der KPD befanden sich danach drei sich jeweils auf den Marxismus berufende Strömungen: Die sogenannte »Berliner Tendenz«, die politisch orientiert und von Pannekoek und Gorter beeinflusst war. Die antipolitische Strömung um Pfemfert und Rühle hatte ihre Basis in den Arbeiterunionen. Ihr Motto lautete »Die Revolution ist keine Parteisache«. Als dritte Strömung muss auch die nationalistische und antisemitische »nationalbolschewistische« Strömung um Wolffheim und Laufenberg genannt werden. Sie befürwortete einen »nationalrevolutionären Krieg«gegen die Entente, der zusammen mit der russischen Roten Armee geführt werden sollte. Diese drei »Gruppen« gründeten im April 1920 die KAPD, wobei die »nationalbolschewistische Strömung« sehr schnell, nach nur vier Monaten, aus der Partei ausgeschlossen wurde. Ebenfalls im April 1920 verfasste Lenin seine Schrift »Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus«, die sich kritisch mit der Kommunistischen Linken auseinandersetzt. Lenin habe allerdings - so der von Pannekoek erhobene Vorwurf - die Positionen der Linken sehr verzerrt darstellt und sie einer - vom marxistischen Standpunkt aus gesehen - niveaulosen Kritik unterworfen.

Herman Gorter antwortete auf die Kritik Lenins mit dem »Offenen Brief an den Genossen Lenin.«

Das Jahr 1919 galt der Kommunistischen Linken als Höhepunkt der revolutionären Welle im Anschluss an den Ersten Weltkrieg, die bis etwa 1924 andauerte. Die von der Dritten Internationale zu diesem Zeitpunkt formulierten Positionen galten als die einzigen revolutionären Positionen innerhalb der (marxistischen) Arbeiterbewegung. So wurde der vollkommene Bruch mit den Sozialdemokratischen Parteien und mit dem Parlamentarismus gefordert. Dagegen wurde die Bedeutung von Massenstreiks und die Notwendigkeit der Zerschlagung des (bürgerlichen) Staates betont, an dessen Stelle die internationale Macht der Arbeiterräte treten sollte.

Der Deutsch-Holländischen Linken galt Russland nach der Oktoberrevolution als eine Art revolutionärer Außenposten, der aufgrund seiner ökonomischen und sozialen Rückständigkeit, seinem hohen Anteil bäuerlicher und ländlicher Bevölkerung in seiner Isolation nicht zu verteidigen war. Das russische Beispiel konnte deshalb auch nicht als ein gültiges Modell für die Revolution in den entwickelten Zentren dienen. Die von den Bolschewi-ki in die Dritte Internationale eingebrachten »Schemata« wurden von den Linken innerhalb der Internationale nicht als allgemein geltende stategisch-taktischen Richtlinien anerkannt.

Allerdings sah sich die Deutsch-Holländische Linke selbst keineswegs als eine besondere »westliche«, sondern immer als eine marxistische, internationale und internationalistische Strömung. Pannekoek und Gorter haben die »objektive und potentielle« Einheit des Weltproletariats hervorgehoben. Beide folgerten daraus, dass es in der imperialistischen Epoche, sowohl in den kapitalistischen Zentren, als auch in den Peripherien, grundsätzlich die gleichen Taktiken zur kommunistischen Revolution führen.

Der internationale Rückzug der revolutionären Welle in den Jahren 1924 bis 1927 und die damit im Zusammenhang stehende tragische Isolation der Revolution in Russland wurden als die entscheidenden Ursachen sowohl für den Niedergang der Rätemacht in Russland, als auch für die »opportunistische« und schließlich »konterrevolutionäre« Entwicklung der Dritten Internationale interpretiert. Hinzukam, dass die Bolschewiki ein immer engeres Bündnis mit dem sozialistischen Staatsapparat eingingen, bzw. immer stärker von diesem Apparat absorbiert wurden. Damit einhergehend, wurde der Einfluss der Fabrikkomitees und der Räte, das heißt der kollektiven Instrumente der Arbeiterklasse, durch Partei und Staat immer stärker zurück gedrängt.

Innerhalb der Dritten Internationale wurden dagegen von Kongress zu Kongress jene Kräfte immer dominierender, die die Sowjetunion unter allen Umständen als »sozialistischen Staat« erhalten wollten und zwar auch dann, wenn dieser Staat zunächst wenig und später gar nichts mit der sozialen Befreiung der Klasse zu tun hatte. Außerdem sollte auch in einer Phase des Rückzugs der revolutionären Welle Masseneinfluss erzielen werden. Nach Auffassung der Linken konnte eine Unterstützung durch größere Teile der Klasse nur mit Hilfe opportunistischer Positionen gewonnen werden. Die Linke lehnte diese Methode kategorisch ab.

Die von der Dritten Internationale nun angewandte Methode beinhaltete vor allem, eine erneute und grundsätzlich positive Bewertung des Parlamentarismus und der Gewerkschaften. Auch die jetzt forcierte Politik der Einheitsfront mit Teilen der - durch ihre Kriegsteilnahme und durch ihre konterrevolutionäre Rolle in der unmittelbaren Nachkriegszeit kompromitierten sozialdemokratischen Parteien, stieß auf eine scharfe Ablehnung durch die Linken. Das gleiche gilt auch für den an die »Völker des Ostens« (d.h. Asiens) gerichteten Aufruf, sich gegen den Imperialismus zu erheben und zunächst für ihre nationale Befreiung zu kämpfen. Die Kommunistische Linke sah in dieser neuen Linie nichts anderes, als eine opportunistische und gefährliche Kehrwende. Sie begann zunächst innerhalb, dann außerhalb der Dritten Internationale dagegen zu opponieren. Die Auseinandersetzungen der Linken innerhalb der Zweiten Internationale hatten dabei Vorbildcharakter, zumal Theoretiker der Kommunistischen Linken, wie Amadeo Bordiga oder Pannekoek, bereits oppositionelle Erfahrungen innerhalb dieser Internationale gemacht haben.

Deutschland war für die Deutsch-Holländischen Linke, wie zunächst auch insgesamt für die Dritte Internationale, von überragender weltrevolutionärer Bedeutung. Deutschland war das am stärksten industrialisierte Land Europas. Hier lebte eine zahlreiche, in bestimmten Regionen und in Großbetrieben konzentrierte und - aufgrund des jahrzehntelangen Einflusses der Sozialdemokratischen Partei - relativ gut gebildete und klassenbe-wusste Industriearbeiterklasse. Das Proletariat in Deutschland - so der weit verbreitete Eindruck - trug den Schlüssel zur Weltrevolution in seiner eigenen Hand. Eine erfolgversprechende proletarische Revolution wurde ohnehin nur in den am meisten entwickelten Ländern, dass heißt in den kapitalistischen Zentren, für denkbar gehalten.

In Deutschland entstanden einerseits auf der Grundlage einer relativ bedeutsamen marxistischen Tradition und andererseits vor dem Hintergrund einer revolutionären proletarischen Bewegung in der unmittelbaren Nachkriegszeit wichtige für die Kommunistische Linke charakteristische Positionen: Antiparlamentarismus und Ablehnung der Gewerkschaften.

In der Krise am Ende des Ersten Weltkrieges und unter dem Eindruck der Oktoberrevolution in Russland entwickelte vor allem das Proletariat in Deutschland, eine bis dahin unbekannte revolutionäre Kraft. Dieses revolutionäre Aufbrechen ermöglichte der linkskommunistischen Strömung in Deutschland zum ersten und einzigen mal, eine theoretisch-praktische Verbindung mit Massenkämpfen der Arbeiter herzustellen.

Die sowohl von Luxemburg, als auch Pannekoek und Gorter beeinflusste KAPD organisierte für kurze Zeit Zehntausende Arbeiter. Die in enger Beziehung zur Partei stehende Allgemeine Arbeiter Union (AAU) hatte sogar noch bedeutend mehr Mitglieder, obwohl auch sie strikt antiparlamentarische und antigewerkschaftliche Positionen vertrat. Diese Blüteperiode war allerdings von nur kurz, sie dauerte drei, vier Jahre. Denn nach dem Rückfluss der revolutionären Welle in den Jahren 1923/24, beschränkte sich der Einfluss der Kommunistischen Linken auf immer kleinere Sektoren der Klasse und auf immer winzigere Organisationen. Insbesondere seit Ende der 20er Jahre erfolgte ein dramatischer Rückgang des Einflusses und ein organisatorischer Zerfall in eine Reihe kleinster Gruppen.

Die Kommunistische Linke (im engeren Sinn dieses Begriffs ) entstand und entwickelte sich als Antwort auf die opportunistischen Positionen innerhalb der Dritten Internationale und der KPD. In diesem Sinn war die KAPD die erste linkskommunistische Organisation. Diese Partei lehnte folgerichtig die alte Taktik der parlamentarischen und gewerkschaftlichen Arbeit - die unter spezifischen Bedingungen kapitalistischer Entwicklung (Aufstieg) der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre Gültigkeit gehabt hat - unter den Bedingungen des Niedergangs des Kapitalismus ab. Die KAPD setzte auf zwei andere Formen der Klassenorganisation: Fabrikkomitees und Arbeiterräte. Die Organisierung von Arbeitern in Massenparteien galt - in der Epoche des historischen Niedergangs des Kapitalismus - als unmöglich, bzw. nur um den Preis der Übernahme opportunistischer Positionen zu erreichen. Statt dessen sollte die politische Organisation der Revolutionäre (die Partei), eine programmatisch klar als Sozialrevolutionär definierte Einheit darstellen. Außerhalb revolutionärer Umbrüche, sei nur eine kleine Minderheit der Klasse bereit, sich auf der Grundlage einer Sozialrevolutionären Programmatik zu organisieren.

Die weit überwiegende Mehrheit der KAPD-Mitglieder waren Industriearbeiter. Allerdings spielte auch in der Deutsch-Holländischen Linken Intellektuelle eine wichtige Rolle. Weit verbreitet war jedoch ein sozusagen ouvrieristisches Misstrauen gegen Intellektuelle. Dieses Misstrauen wurde später insbesondere von Pannekoek und Mattick theoretisiert, die in den marxistischen Intellektuellen, Wegbereiter des Staatskapitalismus und der Herrschaft der Partei über die Arbeiterklasse sahen.

Die KAPD war während der 20er Jahre nicht frei von wichtigen Schwächen. Diese Partei interpretierte die Theorie von der »Todeskrise des Kapitalismus«, als einen unmittelbar bevorstehenden und unausweichlichen Zusammenbruch des kapitalistischen Weltsystems. Vor allem Pannekoek und die sogenannte »Berliner Richtung« lehnten innerhalb der KAPD die mechanistische und fatalistische Interpretation dieser Konzeption, die auf Luxemburgs Werk »Die Akkumulation des Kapitals« zurückgeht, ab. Pannekoek kritisierte vor allem, dass Teile der KAPD die alles überragende Bedeutung des Bewusstseins, des Klassenbewusstseins, nicht berücksichtigte. Diese Unterschätzung der ökonomischen und politischen Kraft des kapitalistischen Weltsystems und die Unterschätzung der Bedeutung des Klassenbewußtseins war allerdings nicht nur auf die Kommunistische Linke beschränkt. Sie war auch bei den Debatten des 3. und 4. Kongresses der Kommunistischen Internationale deutlich.

Als wider Erwarten das katastrophische Ende des Kapitalismus nicht eintraf, hatte die KAPD Schwierigkeiten, die Bedeutung und die historischen Konsequenzen des Rückganges der Klassenkämpfe zu erkennen. Dies führte zu einem volontaristischen Vorgehen, im Stile von »wenn die Klasse keine Revolution macht, dann macht es eben durch eine große Willensanstrengung die Partei, oder die revolutionäre Minderheit«.

Außerdem entschloss sich die KAPD - in Verkennung der Bedeutung der Frage der Organisation - zu einem relativ schnellen organisatorischen Bruch mit der Dritten Internationale. Den bereits 1922 versuchte sie eine eigenen (potemkischen) Kommunistische Arbeiterintenationale aufzubauen.

Unklar war auch, welche Bedeutung eine proletarische politischen Organisation (Partei) innerhalb der Klasse und deren Kämpfen spielen sollte. Strittig waren Fragen des Verhältnisses der KAPD zur Arbeiterunion und der Bedeutung unmittelbarer ökonomischer Kämpfe, aber auch die Frage, ob eine politische Organisierung überhaupt sinnvoll ist.

Die Arbeiterkomitees und die Arbeiterunionen galten als Vorläufer, der Räte, die nur in revolutionären Situationen entstehen Räte. Betont wurde auch die politische Bedeutung der Unionen, die zunächst jedoch vor allem Organe des unmittelbaren ökonomischen Kampfes waren. Die Unionen hatten ein revolutionäres Programm und sollten in enger Beziehung zur politischen Organisation der Revolutionäre, dass heißt hier konkret, zur KAPD, stehen. Die Art und Weise dieser Beziehungen zwischen der Partei und den Unionen waren allerdings ungeklärt und die Ursache großer Spannungen.

Die strikte Ablehnung jeder politischen Organisierung, führte zur Trennung des explizit rätekommunistischen Flügels um Otto Rühle. Damit entstanden in Deutschland und Holland die ersten organisatorischen Zusammenhänge eines von der Kommunistischen Linken im engeren Sinne unterscheid baren Rätekommunismus.

Je mehr Jahre seit dem revolutionären Aufbruch des Proletariats vergingen, desto stärker wurde innerhalb der Kommunistischen Linken in Deutschland und Holland der Prozess des Zerfalls.

2.2 Die Kommunistische Linke in Russland

Die folgenden drei Gruppen können mehr oder weniger als »linkskommunistisch« bezeichnet werden:

Diese Gruppen entstanden zunächst innerhalb der Bolschewistischen Partei. Sie brachen dann aber mit dieser Partei und sahen in ihr eine »Partei der Konterrevolution«. Demzufolge lehnten sie auch die These ab, dass die Sowjetunion ein verteidigungswerter, weil fortschrittlicher, wenn auch möglicherweise degenerierter, Arbeiterstaat sei. Dies sind wesentliche Unterschiede zur Position Trotzkis, der immer für die Verteidigung der Sowjetunion und der KPdSU eintrat. Die Gruppen der Kommunistischen Linken in der Sowjetunion wurden in den 30er Jahren, zusammen mit den trotzkistischen Gruppen, durch den stalinistischen Terror liquidiert.

Exkurs 3:  Die Kommunistische Linke und der Trotzkismus

Die letzten Ausläufer der revolutionären Welle der Nachkriegszeit waren nach Auffassung der Kommunistischen Linken der Generalstreik von 1926 in Groß-Britannien und der 1927 niedergeschlagene der Aufstand in Shanghai. In den 30er Jahren wütete der faschistische und stalinistische Terror vor allem in jenen Ländern, in denen der revolutionäre Aufbruch zu Beginn der 20er Jahre besonders stark gewesen ist, d.h. in Italien, der Sowjetunion und in Deutschland.

Die Kommunistische Linke sah in dieser Phase tiefer Demoralisierung, Konterrevolution und der Abwesenheit von historisch bedeutsamen Klassenkämpfen, keine reale Möglichkeit mehr, irgendeinen Einfluss auf die Klasse ausüben zu können.

Anders als die Gruppen der Kommunistischen Linken versuchte Trotzki (ermordet 1940) mit seiner sogenannten »Französischen Wende« (1934), d.h. der von ihm seit Mitte der 30er Jahre propagierten Rückkehr in die sozialdemokratischen Parteien und der Einreihung in den bürgerlichen Antifaschismus, unter allen Umständen und mit »opportunistischen Parolen« Masseneinfluss zu gewinnen. Beim Angriff der Deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion (1941) riefen die trotzkistischen Exilgruppen zu einer bedingungslosen militärischen Solidarität mit der Sowjetunion auf. Damit wurde - aus der Perspektive der Kommunistischen Linken - der letzte und entscheidende Schritt vollzogen, der aus dem Trotzkismus eine »antiproletarische und konterrevolutionäre« Strömung gemacht hat. Die Trotzkisten reihten sich - dieser Interpretation nach - in die (Staats-) kapitalistische Kriegsmaschinerie ein. Dies wurde gleichgesetzt mit der Kriegsunterstützung der Sozialdemokratischen Parteien für den jeweils »eigenen Staat«, zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Seit dem Kriegsaufruf zugunsten der staatskapitalistischen Sowjetunion galt nun der Trotzkismus - wie bereits seit 1914 die Sozialdemokratie und seit Ende der 20er Jahren der Stalinismus als Teil des politischen Apparates des Kapitals.

2.3 Die Italienische Kommunistische Linke

Die Kommunistische Partei Italiens (KPI) wurde 1921 gegründet. Eines ihrer führenden Mitglieder war Amadeo Bordiga. Auf ihrem Zweiten Kongreß 1922 veröffentlichte die Linke innerhalb der Partei die sogenannten Rom-Thesen. Sie gelten als Basis der »bordigisti-schen Strömung«. Die Linke bildete innerhalb der Kommunistischen Partei Italiens zunächst eine Mehrheitsposition. Eines ihrer Charakteristika ist die klare Betonung der großen, um nicht zu sagen, überragenden Bedeutung der Partei für die kommunistische Revolution. Möglicherweise führte dies unter anderem dazu, dass die Italienische Linke viel länger innerhalb der Dritten Internationale agierte, als die Deutsch-Holländische Linke, die die Dritte Internationale sehr schnell wieder verließ.

Im Jahre 1922 erfolgte die faschistische Machtergreifung durch Mussolini. Die KPI ging entweder in den Untergrund oder ins Exil, v.a. nach Frankreich und Belgien. 1925 wurde von der Dritten Internationale der Ausschluß der Linken aus der KPI gefordert. Auf ihrem 1926 im französischen Exil, in Lyon, durchgeführten Kongreß wurde die Linke tatsächlich stark zurückgedrängt. In diesem Zusammenhang publizierte die Linke die »Lyon-Thesen«, die das Gründungsdokument der Italienischen Kommunistischen Linken darstellen. Die Linke befand sich zum großen Teil bis 1935 innerhalb, dann auch außerhalb der KPI. Als Fraktion wurde sie formal 1928 geschaffen. Einer der bekanntesten Vertreter der Linken, Onorato Damen, ein innerparteilicher Gegner sowohl Gramsci 's, als auch Togliatti 's, wurde erst 1943 aus der Partei ausgeschlossen.

Insbesondere Bordiga argumentierte auf den Kongressen der Komintern gegen den Parlamentarismus (und für den Absentionismus) und gegen die organisatorische Zusammenführung kommunistischer und »zentristischer« Fraktionen sozialdemokratischer Parteien. Er kritisierte dies als opportunistisches Manöver, das lediglich Masseneinfluss der dadurch größer werdenden kommunistischen Parteien suggerieren sollte. Die damit einher gehende Übernahme reformistischer Positionen, würde sich auf die kommunistische Bewegung verheerend auswirken.

Die Italienische Linke analysierte - nach eigener Einschätzung - mit Hilfe der strikt angewandten marxistischen Methode, ein damals neues Phänomen kapitalistischer politischer Herrschaft: den Faschismus. In diesem Kontext entwickelte sie eine marxistische Kritik des Faschismus und besonders charakteristisch des Antifaschismus. Praktisch folgte daraus die Ablehnung jeder Art der Einheitsfront oder der Kooperation mit den Parteien der demokratischen Bourgeoisie. Der Kampf gegen den Faschismus sollte und wurde - soweit dies überhaupt möglich war - direkt geführt. Er erfolgte ohne und in Abgrenzung zu den bürgerlichen Parteien und als die Kommunistische Partei Italiens zu einem wichtigen Element der antifaschistischen Koalition wurde, auch gegen diese Partei. Anders als wichtige Vertreter der Deutsch-Holländischen Linken, die immer einen gewissen Abstand zu den Positionen Lenins gehalten haben, bezogen sich die Italienische Kommunistische Linke und vor allem Bordiga immer vehement auf Lenin.

2.3.1 Die Bilan-Gruppe

Die Italienische Kommunistische Linke publizierte von 1933 bis 1937 im französischen und belgischen die Zeitschrift »Bilan«. Danach gab es u.a. das Nachfolgeorgan Octobre (1938-39), das vom »Internationalen Büro der Fraktionen der Kommunistischen Linken« herausgegeben wurde. Insbesondere Bilan, wandte sich gegen die Konstruktion eines »Leninismus«, bezog sich aber immer wieder auf einzelne Positionen Lenins.

Für die Gruppe um Bilan waren es »objektive Gründe«, die es unmöglich machten in Phasen der Konterrevolution, wie jener der 30er Jahren, Masseneinfluss zu gewinnen. Trotzdem sollten organisatorische Zusammenhänge marxistischer Revolutionäre aufrecht erhalten werden, derren wichtigste Aufgaben wie folgt definiert wurden:

  1. Festhalten an den marxistischen Grundsätzen. Angesichts einer allgemeinen Kriegsvorbereitung und Kriegshetze hieß das vor allem, eine bedingungslose Verteidigung des Internationalismus.
  2. Analyse des Scheiterns der internationalen revolutionären Welle der 20er Jahre und insbesondere der Russischen Revolution. Aus Perspektive der Kommunistischen Linken, war das seit Ende der 20er Jahre absehbare Scheitern der Revolution keineswegs von vorneherein eine ausgemachte Sache. In den 30er Jahren wurden Erklärungen für den Aufstieg und Fall der linkskommunistischen Theorie-Praxis entwickelt. Demnach ist die Geschichte der Arbeiterbewegung ohnehin eine Historie mit offenem Ausgang. Die theoretischen Positionen revolutionärer Organisationen können allerdings nur in bestimmten historischen Situationen, insbesondere in den tiefen Krisen des kapitalistischen Weltsystems, eine massenhafte Wirkung entfalten. Nur dann können diese Ideen sich mit der materiellen Kraft der Klasse verbinden. Dieser Wirkungszusammenhang wurde jedoch- insbesondere nach einer Zeit selbstkritischer Reflexion - nicht mehr als ein mechanistischer Automatismus verstanden. Nicht den ökonomischen Faktoren, d.h. heißt der Krise, sondern dem Klassenbewusstsein wurde die entscheidende Rolle im revolutionären Prozess zugewiesen. Die historische Niederlage der Revolution in Deutschland, auf deren Erfolg noch mehr Hoffnung gesetzt wurde, als auf die Oktoberrevolution, und die Konsequenzen der Isolation und dann der Degeneration der Russischen Revolution und der Kommunistischen Internationale, gelten als die eigentlichen Ursachen des Scheiterns der internationalen Arbeiterbewegung und demzufolge auch der linkskommunistischen Strömungen, die sich immer als integraler Teil der Klasse sahen. In dieser Analyse und Sichtweise stimmte die Deutsch-Holländische Linke mit der Bilan-Gruppe weitgehend überein.
  3. Schaffung theoretischer Grundlegungen für die - unter der Bedingung erneut aufflammender Klassenkämpfe - neu entstehenden Kommunistischen Parteien. Solche Parteien können - dieser Annahme zufolge - keineswegs in jeder beliebigen sozialen Situation entstehen, sondern nur in Phasen bedeutsamer und wenigstens partiell erfolgreicher Klassenkämpfe. Dabei ging es unter anderem um die Fragen des Verhältnisses von Partei und Klasse, von Partei und Fraktionen, um Fragen der Übergangsperiode, der Wirtschaftskrise, des historischen Niedergangs des Kapitalismus und um die Ablehnung jeder Unterstützung nationaler Befreiungskämpfe. Verbunden wurde diese Arbeit mit zahlreichen Diskussionen mit verschiedenen proletarischen Gruppen.

Die Bilan-Gruppe weigerte sich, im Spanischen Bürgerkrieg eine bürgerliche Kriegspartei, den Republikanischen Staat, gegen eine andere, die faschistische Kriegspartei zu unterstützen. Stattdessen rief sie - ohne dabei jedoch eine Massenwirkung entfalten zu können - zum Klassenkampf und zum Sozialen Krieg gegen alle Formen kapitalistischer Herrschaft auf.

2.4 Die Rätekommunisten

Die ohnehin bereits stark fragmentierten Gruppen der Kommunistischen Linken in Deutschland wurden mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten vollständig aufgerieben. Die weitere theoretisch-praktische Entwicklung von Positionen der Deutsch-Holländischen Linken und vereinzelte Interventionen in Klassenkämpfe konnte in den 30er Jahren nur in den Niederlanden und zwar durch die rätekommunistische Gruppe Internationaler Kommunisten sowie in den USA durch eine Gruppe um Paul Mattick erfolgen.

Genauso so, wie die Bilan-Gruppe, entwickelten die Rätekommunisten mit Hilfe der »marxistischen Methode« eine grundsätzliche Ablehnung jeder Beteiligung am Massaker des Zweiten Weltkrieges. Dieser Krieg wurde von den beiden Strömungen - wie der Erste Weltkrieg - als ein Krieg zwischen kapitalistischen Mächten gewertet. Sie waren weder bereit, die Arbeiterklasse zur »Verteidigung der Demokratie«, noch zur »Verteidigung des Sozialistischen Vaterlandes« aufzurufen und zu rekrutieren.

Die Rätekommunisten vertieften ihr theoretisches Verständnis von der - ihrer Meinung nach - antiproletarischen Rolle der Gewerkschaften. In dem sie sich auf die unmittelbaren Erfahrungen der Klasse mit den Gewerkschaften in der Phase des kapitalistischen Niedergangs bezogen, unterstützten sie alle Formen der Selbstorganisierung der Arbeiter. Sie untersuchten die materiellen Ursachen der Wirtschaftskrise sowie die in den 30er Jahren allgemein starke Tendenz zu staatskapitalistischen Formen der Kapitalherrschaft. Die ganze Zeit über waren die Rätekommunisten in Holland und den USA bemüht, in Klassenkämpfe zu intervenieren und in der Bewegung der Arbeitslosen präsent zu sein. Ihrem Selbstverständnis nach, geschah dies jedoch nicht, um die Arbeiter darüber zu belehren, was das beste für sie sei, sondern um die wirkliche Bewegung der Arbeiter zu analysieren und daraus theoretische Konsequenzen zu ziehen. Die Holländische Linke beteiligte sich - soweit es ging - an allen Klassenkämpfen während der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht, so auch an einem bekannten Streik, der sich explizit gegen die Deportation der jüdischen Bevölkerung in deutsche Konzentrationslager richtete.

Exkurs: Kommunistische Linke und der Rätekommunismus

Es gibt zunächst eine Reihe von Übereinstimmungen: Bezugnahme auf die marxistische Methode, Ablehnung des Parlamentarismus, der Gewerkschaften und der Einheitsfronten, der auch in Kriegszeiten durchgehaltene bedingungslose Internationalismus. Allerdings sind auch wichtige Differenzen zu identifizieren: Die KAPD gründete auf der Überzeugung von der Notwendigkeit einer spezifischen Rolle der Kommunistischen Partei. Diese wurde von der KAU (1931) und der Holländischen Gruppe Internationaler Kommunisten (GIC) abgelehnt. Die sich grundsätzlich gegen eine politische Organisierung aussprechenden Tendenzen waren zu Beginn der 20er Jahre allerdings keineswegs Charakteristika der Holländischen Linken. Sie gehen weniger auf Gorter zurück, sondern insbesondere auf den im Sozialrevolutionären Milieu Sachsens einflussreichen Otto Rühle. Die Theorien Rühles wurden später in der Holländischen GIC dominant und beeinflussten Pannekoek nicht jedoch die KAPD, die weiterhin die Bedeutung einer politischen Organisation betonte.

Im Gegensatz zu den Positionen der Italienischen Linke um »Bilan«, jedoch ebenfalls mit einer expliziten Berufung auf den Marxismus, wurde von den Rätekommunisten jede positive Rolle einer politischen proletarischen Organisation abgelehnt. Während die KAPD eine politische Partei war, war der Rätekommunismus eine organisierte, jedoch antipolitische, Bewegung. Daraus ergab sich allerdings das Problem, welche Funktion eine rätekommunistischen Organisation eigentlich haben sollte und in welcher Form eine kontinuierliche Arbeit geleistet werden soll.

Während die KAPD, trotz ihrer Antileninistischen Tendenz, die Oktoberrevolution als eine proletarische Revolution ansah, charakterisierten die Rätekommunisten die Russische Revolution als eine bürgerliche Revolution. Anders als die Italienische Linke um die Zeitschrift »Bilan« und die KAPD waren die Rätekommunisten in gewisser Weise von der vollkommenen Destruktion der Errungenschaften der Oktoberrevolution traumatisiert. Von dieser deprimierenden Erfahrung ausgehend - die alle schon früh ausgesprochenen Warnungen der rätekommunistischen Strömung zu bestätigen schien - wurde vor allem seit den 30er Jahren eine vollkommene und marxistisch begründete Ablehnung des Bolschewismus und der Russischen Revolution durch Rühle und Pannekoek entwickelt. Die Oktoberrevolution galt nun nicht mehr als eine proletarische, sondern als eine bürgerliche Revolution. Lenin nicht mehr als ein teilweise opportunistisch handelnder und auch antiproletarische Maßnahmen des sozialistischen russischen Staates unterstützender marxistischer Revolutionär, sondern als ein bürgerlicher Revolutionär, der - wie der Bolschewismus insgesamt - nie etwas mit dem Marxismus zu tun hatte.

3. Politische Geschichte der Kommunistischen Linken seit dem Zweiten Weltkrieg

3.1 Holländische Kommunistische Linke

Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf die Holländische Linke mit dem Spartakusbund eine relativ bedeutende Organisation, die sich überraschender weise zunächst auf die KAPD bezog, also den »politischen« Aspekt mit ein schloss. Später entwickelte sie sich jedoch zu einer antipolitisch-rätekommunistischen Gruppe. Aufgrund der unklaren Positionierung einer rätekommunistischen Organisation innerhalb der rätekommunistischen Theorie selbst, wurde es - obwohl das nicht der einzige Grund ist - allerdings immer schwieriger, eine organisatorische Kontinuität zu bewahren. Die von Cajo Brendel, einem wichtigen und inzwischen über 80-jährigen Repräsentanten des Rätekommunismus, publizierte Zeitschrift »Daad en Gedachte« stellte vor wenigen Jahren ihr erscheinen ein. Von einem Erlöschen des Rätekommunismus kann jedoch nicht gesprochen werden, da diese Strömung der Deutsch Holländischen Kommunistischen Linken - schon allein von ihrem Selbstverständnis her - auch ohne eine sich selbst als »rätekommunistisch« bezeichnende Gruppe oder Organisation bestehen kann. Außerdem erscheint zum Beispiel in Deutschland seit Kurzem die rätekommunistische Zeitschrift »Soziale Befreiung«.

3.2 Die Italienische Kommunistische Linke

Die Italienische Kommunistische Linke setzte ihre theoretische Arbeit im Französischem Exil auch während des Zweiten Weltkrieges fort. Sie erwartete -auf die Erfahrungen von 1918/19 zurückgreifend - nach Ende des Krieges den erneuten Ausbruch revolutionärer Kämpfe und somit beste Bedingungen für die Wiedergründung einer revolutionären Kommunistischen Partei. Als 1943 in Norditalien große Streiks ausbrachen, kehrte ein Teil der Italienischen Kommunistischen Linken aus dem Exil zurück und formte im September 1943 mit Hilfe Bordigas - der 20 Jahre lang politisch nicht in Erscheinung trat -die Internationalistische Kommunistische Partei (IntKP). Diese Partei konnte binnen weniger Monate Tausende vor allem junger Mitglieder gewinnen. Bekannte Repräsentanten waren Damen und Maffi. Bordiga wurde formal erst 1949 Mitglied dieser Partei. Die italienische Kommunistische Linke im Exil löste sich 1945 auf und integrierte ihre Mitglieder in die neu entstandene Partei.

Im Jahre 1952 spaltete sich die Internationalistische Kommunistische Partei in zwei Flügel, die jeweils durch Bordiga und Damen geprägt waren. Zunächst behielten beide Gruppen den gleichen Namen bei. Sie wurden nach den Titeln ihrer Zentralorgane unterschieden: Die Gruppe um Bordiga publizierte die Zeitschrift »Programm Comunista«, die Gruppe um Damen weiterhin die Zeitschrift »Battaglia Communista«. 1964 nahm die Bor-diga-Gruppe die Bezeichnung »Internationale Kommunistische Partei« (IKP) an. Die Spaltung erfolgte, nachdem die Damen-Gruppe jede Hoffnung aufgab, die Gewerkschaften von innen her »erobern« zu können und einen strikt antigewerkschaftlichen Kurs einschlug. Darüber hinaus wurde jede Unterstützung nationaler Befreiungskämpfe abgelehnt. Die KPI wurde nicht mehr als eine »zentristische«, sondern als eine bürgerliche Partei definiert. Außerdem wandte sich die Gruppe um Damen gegen den von Bordiga und den »Bordigisten« vertretenen extremen Substitutionismus. In gewisser Weisenäherte sie sich den Positionen der Deutsch-Holländischen Linken. Die IntKP gründete 1980 das Internationale Büro für die Revolutionäre Partei (IBRP).

Die IKP, d.h. jene Partei die gemeint ist, wenn von »Bordigisten« gesprochen wird, tendierte tendierte recht bald zu einem ausgeprägten Dogmatismus, der mit dem Begriff »Invarianz des Marxismus« versehen wurde. Weitere Kennzeichen waren (und sind) eine ultra-substitutionistische Haltung in der Frage des Verhältnisses von Partei und Klasse, das Unterbinden jeder innerparteilichen Diskussion, die als Störung der angeblich notwendigen »monolithischen Einheit«, interpretiert wird, die beständige Weigerung Diskussionen mit anderen Teilen der revolutionären Arbeiterbewegung zu führen, der Rückgriff auf Positionen der Dritten Internationale zur Frage der Gewerkschaften und der nationalen Befreiungsbewegungen.

Im Jahre 1982 geriet in eine tiefe Krise, die zu ihrer völligen Fragmentierung führte. Die deutsche Sektion der Internationalen Kommunistischen Partei, die die Zeitschrift »Kommunistisches Programm« herausgab, löste sich ebenfalls auf. Eine Ursache war die Frage der Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen. Heute gibt es vor allem in Italien fünf Gruppen, die sich »Internationale Kommunistische Partei« nennen. Alle diese Gruppen sind durch einen extremen Substitutionismus und eine ausgeprägte Ablehnung jeder Diskussion mit anderen Gruppen, die sich auf die Kommunistische Linke beziehen, gekennzeichnet.

3.3 Französische Kommunistische Linke

Die Französische Kommunistische Linke entstand 1944 in Paris. Sie vertrat eine andere Einschätzung der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eingetretenen sozialen Situation, als Teile der Italienischen Linken. Anstatt von der Existenz einer revolutionären Situation auszugehen, war sie vom Fortbestehen der konterrevolutionären Periode überzeugt. Deshalb verwarf sie auch den Plan, eine neue Kommunistische Partei aufzubauen. Außerdem trat sie - im Gegensatz zu den Gründern der IntKP um Bordiga und Damen - gegen eine substitutionalistische Rolle der Partei, d.h. sie lehnte die Vorstellung ab, wonach es Aufgabe der Partei sei, stellvertretend für die Klasse zu handeln und im Namen der Arbeiter die Macht zu übernehmen.

Die Französische Linke steht in der Tradition der Bilan-Gruppe und gab bis zu ihrer Auflösung 1952 (während des Korea-Krieges), die Monatszeitschrift »Internationalisme« heraus. Im Jahre 1948 wurde eine Konferenz zwischen der Französischen Linken und den Holländischen Rätekommunisten organisiert. Dort verteidigte sie ihre charakteristische Position: Betonung der hohen Bedeutung der Räte und der Selbstorganisation der Arbeiter und gleichzeitig die Notwendigkeit der politischen Partei. Nur die Arbeiterräte können die Organe der sogenannten »Diktatur des Proletariats« sein - nicht die Kommunistische Partei oder der »sozialistische« Staat. Der Staat steht seiner Natur nach dem Sozialismus als eine »fremde und feindliche Struktur« gegenüber. Einen »sozialistischen Staat« kann es nicht geben und eine Kommunistische Partei kann deshalb auch nicht an der Spitze irgendeines Staates stehen.

Zu Beginn der 50er Jahre zeichnete sich weiterhin kein Aufschwung der Klassenkämpfe ab. Stattdessen verschärften sich die Rivalitäten, der kurz zuvor gebildeten und die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägenden Blöcke, d.h. zwischen dem Freien Westen unter Führung der USA und der mit den Ländern Osteuropas und mit China verstärkten Sowjetunion. Die Französische Kommunistische Linke entwickelte eine pessimistische Analyse der weiteren weltpolitischen Entwicklung. Anfang der 50er Jahre hielt sie den Ausbruch eines Dritten Weltkrieges für wahrscheinlich und löste sie sich 1952 auf.

Anfang der 60er Jahre eine linkskommunistische Gruppe in Venezuela auf die Französische Linke. Im Jahre 1964 wurde dort die Zeitschrift »Internationalismo« gegründet. Seit 1968 gab es eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen sich sowohl auf die Deutsch-Holländische, als auch auf die italienische Kommunistische Linke beziehenden Gruppen. Im Jahre 1975 erfolgte der Zusammenschluß dieser Gruppen zur Internationalen Kommunistischen Strömung (IKS).

4. Charakteristische Positionen der Kommunistischen Linken

Die folgenden Positionen wurden vor allem in den 20er und 30er Jahren entwickelt und waren nicht nur auf die Deutsch-Holländische Linke beschränkt, sondern sie wurden grundsätzlich auch von der Italienischen Kommunistischen Linken, um die Zeitschrift »Bilan«, mitgetragen. In den 40er Jahren war insbesondere die Französische Kommunistische Linke bestrebt, auf der Grundlage einer Synthese beider Strömungen, eine eigenständige linkskommunistische Orientierung zu schaffen. In dieser Tradition sieht sich seit ihrer Gründung 1977 vor allem die Internationale Kommunistische Strömung.

Die politischen Positionen der Kommunistischen Linken waren insgesamt das Ergebnis einer marxistischen Kritik der zunächst in der Zweiten (Pkt. 1-2) und dann in der Dritten Internationale dominierenden Grundsätze und Taktiken. Sie erscheinen deshalb als eine Aneinanderreihung von Zurückweisungen.

  1. Zurückweisung der »opportunistischen und reformistischen« Strategie der Zweiten Internationale, die zu einer Integration des Proletariats in das bürgerlichparlamentarische System und die Gewerkschaften, als Apparate des Kapitals innerhalb der Arbeiterbewegung, führten. Dies beinhaltete die Ablehnung der Strategie einer evolutionären, allmählichen und friedlichen »Machtübernahme« des bürgerlichen Staates durch die Sozialdemokratischen Parteien.
  2. Zurückweisung jeder nationalen Ideologie und Gegnerschaft gegenüber allen am Ersten Weltkrieg beteiligten Mächte.
  3. Ablehnung der von Lenin in der Dritten Internationale wieder forcierten Taktik der Arbeit in den Gewerkschaften und im Parlament. Dagegen wurde auf neue Organisationsformen für die Durchsetzung unmittelbarer Interessen der Klasse gesetzt. Die Leninsche Taktik, mit Hilfe der Aufnahme zentristischer Teile der Sozialdemokratischen Parteien, kommunistischen Massenparteien zu schaffen, wurde abgelehnt. Seit Beginn des Ersten Weltkrieges sei die Schaffung revolutionäre Massenparteien ohnehin nicht mehr möglich.
  4. Zurückweisung der Bildung von Einheitsfronten und der Unterstützung Nationaler Befreiungsbewegungen im Namen des Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Annahme, dass die westeuropäischen Länder (vor allem Deutschland, Frankreich und Groß Britannien) - und nicht Russland oder die Sowjetunion - zumindest potentiell das entscheidende Zentrum der proletarischen Weltrevolution darstellen. Der Kampf für die kommunistische Revolution müsse in den Industrieländern erfolgen. Das heißt, er kann nicht in den Ländern der kapitalistischen Peripherie geführt werden. Der Klassenkampf könne in der Niedergangsphase des Kapitalismus nicht mehr über den Umweg einer gewerkschaftlichen oder parlamentarischen Vermittlung, nicht über Reformen, sondern nur unmittelbar gegen den Staat und alle politischen Parteien des Kapitals geführt werden.
  5. Ablehnung des Staatskapitalismus, sowohl in seiner zunächst von Sozialdemokraten fantasierten, wie auch in der später in der Sowjetunion durchgesetzten Form kapitalistischer Ökonomie, als eines Systems der Ausbeutung und Unterdrückung, der mit Sozialismus nichts zu tun hat.
  6. Identifizierung des Stalinismus, als verheerendsten Konterrevolution in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Daraus folgte die Ablehnung jeder Verteidigung der Sowjetunion. Zurückweisung der trotzkistischen Theorie, der nach die Sowjetunion ein fortschrittlicher und deshalb verteidigungswerter »degenerierter Arbeiterstaat« sei.
  7. Ablehnung des Antifaschismus, als einer Strategie der Einheitsfront mit linken Teilen der Bourgeoisie, der Aufgabe des Klassenkampfs und der Mystifizierung der bürgerlichen Demokratie, die eine von mehreren Formen politischer Herrschaft über die Arbeiterklasse sei.
  8. »Volksfronten« wurden als ein Ausdruck der politischen Niederlage der revolutionären Teile des Proletariats interpretiert. Dies führte zur Ablehnung der Verteidigung des Republikanischen Staates in Spanien während des Bürgerkrieges. Während des Zweiten Weltkrieges dienten sogenannte Volksfronten dazu, die Arbeiterklasse der demokratischen Staaten für das bisher größte Massaker der Menschheitsgeschichte, den Zweiten Imperialistischen Weltkrieg, unter der Fahne von »Freiheit und Demokratie«, bzw. »Verteidigung des Sozialismus« zu mobilisieren.
  9. Besonders für die Deutsch-Holländische Kommunistische Linke sind folgende Auffassungen charakteristisch: Ablehnung der Auffassung, nach der die von Marx und Engels formulierte »Diktatur des Proletariats« am erfolgreichsten durch die Diktatur einer Kommunistische Partei über die Arbeiterklasse zu verwirklichen sei. Dies beinhaltet auch die Ablehnung jeder Art der Oberaufsicht oder Diktatur der Partei über die in der Revolution entstehenden Arbeiterräte. Vor dem Hintergrund der Oktoberrevolution wurden die von keiner Partei kontrollierten Arbeiterräte, als die zentralen und entscheidenden Instrumente der Klasse, während und nach einer proletarischen Revolution, bezeichnet. Zurückweisung des Substitutionismus, das heißt der Theorie, der nach die Kommunistische Partei währen der Vorbereitung und Durchführung einer Revolution der Generalstab und während der Phase des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus eine Organisation von revolutionären Chefs zu sein habe. Das Proletariat solle sich'als passive Masse def* immer Recht habenden Partei oder - noch ein Schritt weiter gehend - dem jeweiligen Zentralkomitee unterordnen. Dagegen soll die Partei weder die Arbeiterklasse organisieren, noch in ihrem Namen die Macht übernehmen, sondern aktiv an der Vereinigung der Kämpfe der Arbeiter mitwirken, sie soll darauf hin wirken, dass die Arbeiter selbst ihre Kämpfe in die eigenen Hände nehmen. Die Partei soll - diesem Verständnis nach - außerdem, eine revolutionäre Orientierung der Klasse erleichtern. Diese Partei kann nicht mehr als Massenpartei gedacht und konstruiert werden, sondern nur als Organisation von Minderheiten innerhalb der Klasse.

5. Fazit

Im kapitalistischen Weltsystem ist das Proletariat die einzige revolutionäre Klasse. Der Marxismus ist der Rahmen, von dem aus und innerhalb dessen sich die revolutionäre Theorie des Proletariats entwickelt. Seit dem Ersten Weltkrieg befindet sich der Kapitalismus in der Phase seines historischen Niedergangs. Zum Kommunismus gibt es keine Alternative.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, haben in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts revolutionäre Minderheiten der Klasse damit begonnen, Fraktionen und Organisationen der Kommunistischen Linken aufzubauen. Dies geschah zunächst in einer Periode scharfer und enthusiastischer revolutionärer Kämpfe (Gründung der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands, KAPD, 1920). Später auch in Phasen des Rückflusses der revolutionären Wellen, der zunehmenden antiproletarischen Haltung der Kommunistischen Internationale und der Vorbereitung und Vollendung der großen »stalinistischen« Konterrevolution.

Die Kommunistische Linke konnte - wenn auch fragmentiert und neu gruppiert - ihre politische und organisatorische Existenz bis in die Gegenwart behaupten. Die derzeit (2001) in Entstehung begriffenen Diskussionszusammenhänge und Gruppen der Rassistischen, d.h. sich auf die Klassengesellschaft beziehenden und Sozialrevolutionären Linken, sollten mit einer kritischen und nicht-sektiererischen Auseinandersetzung mit den historischen und gegenwärtigen Positionen der kommunistischen Linken beginnen. Dazu soll dieser Text einen Beitrag leisten.

(Oktober 2001).

 

 

Literatur:

In den aufgeführten grundlegenden Werken finden sich jeweils zahlreiche weiterführende Literaturhinweise auf Primär- und Sekundärtexte.

Politische Geschichte der Deutsch-Holländischen und Italienischen Kommunistischen Linken aus Perspektive der Internationalen Kommunistischen Strömung (IKS):

Rätekommunismus, Marxistischer Anti-Leninismus:

Geschichte anarcho-syndikalistischer und linkskommunistischer Oganisationen in Deutschland (v.a. FAUD und KAPD):

Folgende Adressen bieten weitere Informationen über die politische Geschichte und Gegenwart der Kommunistischen Linken sowie über »marxistische« Gruppen, die mehr oder weniger in dieser Tradition stehen.

Und für jene, die sich für den Anarcho-Syndikalismus, als Ausdruck nicht-marxistischer, antikapitalistischer und antistaatlicher Orientierung interessieren:

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