aus: Kommunistische Streitpunkte - Zirkularblätter - Nr. 2 - 21.01.1999

Zwi Schritkopcher, Dezember 1998

Wider den erschlichenen »Kommunismus« (2. Teil)

Zu den 12 Thesen von Daniel Dockerill: »150 Jahre KP«. Erste spontane Vorüberlegungen zu einer Entgegnung

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Für Brot sorgen und genug demolieren ...

Die Frage ist also nach allem nicht, ob wir in diese Sfäre (Recht, Staatlichkeit, Politik) hineingehen müssen oder dürfen - die ja zugleich jeweils alltags-, lebensweltlich und historisch omnipräsent sind, wie oben gezeigt -, sondern ob wir als communistische Revolutionär/inn/e/n auch jemals rechtzeitig noch lebend herauskommen, aus dem noch staatlichen Transformationsvehikel, das sich selbst zerstören muss (teste »postsozialistische« Gesellschaften!), abspringen, das Trojanische Pferd Politik denn auch mitsamt dem feindlichen Lager zerstören können - oder wie alle reformistischen »Realpolitiker/innen« und »Verantwortungsethiker/innen« als parlamentarisch-zivilgesellschaftliche Kretins & Kretinen in dieses Lager eingehen - oder, wie die BOLSHEVIKI nach ihrem schlechten Anfang, schliesslich als Revolutionäre darin umkommen werden.

Zum ersten und zum letzten mal hat LENIN diese entscheidende wissenschaftliche Einsicht in seinen Vorarbeiten zu STAAT UND REVOLUTION selbst formuliert mit der kürzesten, treffendsten und prägnantesten dialektischen Fassung, die es dafür gibt: »Diktatur des Proletariats = Nichtstaat«. Noch in STAAT UND REVOLUTION knüpft er richtig und vorwärtstreibend, vom »Realsozialismus« bis zuletzt uneingeholt, an die Unterscheidung von ENGELS an, wonach die Diktatur des Proletariats - in Gestalt allererst der modellhaften Commune - im Deutschen begrifflich korrekt nicht als »Staat« zu bestimmen sei, ist doch »die Diktatur des Proletariats / die Commune schon kein Staat im eigentlichen Sinne Mehr«.

LENIN sah klar, dass er es automatisch auch gleich mit dem »Anarchismus«-Vorwurf zu tun hatte, wogegen er prompt theoretisch souverän auf »den Anarchisten Marx« zurückverweist. Vor allem der Zurück-zu-MARX!-Wissenschaftler MAXIMILIEN RUBEL hat später akribisch nachgewiesen (in: MARX CONTRE LE MARXISME oder in: MARX ALS THEORETIKER DES ANARCHISMUS) - in aller gebotenen Härte gegen die idealistischen Anarchisten, vor allem gegen BAKUNIN -, dass und wie die ganze MARXsche Theoriebildung in der Frage der Staatlichkeit und Politik sämtlichen anarchistischen Theorien, Idealen und Utopien materialistisch, »historistisch« den Schneid abkauft, indem sie - ganz im Gegensatz zu deren idealistischem Voluntarismus - den historischen Übergang zur Zerstörung des Staats schlechthin und seine Zersetzung, Auflösung, Ersetzung durch Commune, Assoziation, Selbstverwaltungsformen der freien und selbstbestimmten Produzent/inn/en radikaler und konkreter als sonstwer vor und nach MARX entwickelt hat.

Hier endlich direkt angesetzt zu haben bleibt - aber leider nur für diesen einzigen historisch-theoretischen Augenblick! - eine der echt communistisch-revolutionären Leistungen LENINs, dem in der Folge allerdings - zeitbedingt unschuldig - dieser dialektische Ariadnefaden theoretisch und praktisch wieder verlorenging: wie STALIN nach ihm, denkt LENIN sehr bald nur noch in termini der sogenannten »proletarischen« bzw. »sozialistischen Staatsmacht« und ihrer bedingungslos-einsinnigen »Stärkung« um jeden Preis, »Festigung« usw. ihres zentralistischen Ausbaus gegen alle, aber auch alle Ansätze und Machtorgane der Arbeiterklasse selbst.

Noch während der 1920er Jahre war der Funke des Kampfes um den proletarisch-revolutionären Anteil des BOLSHEVIKischen Denkens, einmal dem Januskopf des großen Polit-Dialektikers LENIN entsprungen, nicht so einfach auszutreten: der wissenschaftliche Communismus wehrte sich gegen seine Einbalsamierung im religiös-konterrevolutionären Mausoleum des »Leninismus«. Den am bürgerlichen, herkömmlichen, d. h. akademischen Positivismus orientierten »Rechtswissenschaftlern« ( G. LUKÁCS hat übrigens in seinem oben zitierten Hauptwerk Bd. II S.189-194 an CARL SCHMITT versus HANS KELSEN gezeigt, dass es gar keine Rechtslehre als spezielle, positive Wissenschaft geben kann - ebensowenig wie eine homogene Theorie des Politischen) der jungen Sovietunion wie M.A.REISSNER (DER STAAT. 1918) und P.J.STUTSHKA (DIE REVOLUTIONÄRE ROLLE DES RECHTS UND DES STAATES. 1924; EINFÜHRUNG IN DIE THEORIE DES ZIVILRECHTS. 1927) und allerlei prästalinistischem bürgerlich-forensischen Überwachen&Bestrafen!-Dreck, wie er von den anstelligen »wissenschaftlichen« Schranzen der neuen Parteistaatsmacht, jenen ewig-jakobinistischen FOUQUIER-TINVILLE & FOUCH» und den VYSHINSKI-in-spe mit vorauseilendem Gehorsam fabriziert wurde, trat endlich 1925 EUGEN PASHUKANIS entgegen in:

ALLGEMEINE RECHTSLEHRE UND MARXISMUS. (DT.: 1929, FRANKFURT AM MAIN 1969)
mit dem Nachweis, dass die kapitalistische Produktionsweise zugleich mit dem Warenfetischismus und seinen Gesetzmäßigkeiten einen Rechtsfetischismus erzeugt und reproduziert, PASHUKANIS versuchte zu zeigen, dass daraus sogar ein System juristischer Gesetzmäßigkeiten mit seiner objektiven Eigenart hervorgehe, und hebt für die Übergangsperiode zum (!) Sozialismus vor allem die historisch-dialektische Notwendigkeit seiner Aufhebung »parallel« bzw. analog zu der Aufhebung der Warenproduktion hervor. So schrieb er:

»Man kann die Übergangsperiode, in der die Diktatur des Proletariats den revolutionären Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus bewirkt, nicht als eine besondere, abgeschlossene sozialökonomische Formation bezeichnen Deshalb kann man auch für sie kein besonderes Rechtssystern nach dem Vorbild: Feudalrecht, bürgerliches Recht, proletarisches Recht, schaffen. Hierin [nämlich dies zu tun, also wie üblich schablonenhaft den bürgerlichen Formen wie Ware, Geld, Staat, - Recht usw. einen »proletarischen Klasseninhalt« zu unterschieben und damit Gott einen guten Mann sein zu lassen,] liegt eine gefährliche Tendenz, um die jetzt stattfindende Bewegung zum Sozialismus aufzuhalten. (...) In diesem Überbleibsel des proletarischen Rechts steckt trotz aller revolutionärer Phraseologie ein konservativer Kern, nämlich der Versuch, auf der gegebenen Etappe innezuhatten, sie in ein System zu bringen und die Übergangsperiode in eine besondere Formation zu verwandeln« - welche nicht lange nach diesen klarsichtigen Äusserungen (wie gesetzmäßig üblich, beging auch PASCHUKANIS dann unter STALIN die erforderliche freiwillige Selbstkritik) »Sozialismus-in-einem-Lande« und schliesslich »real existierender Sozialismus« getauft wurde und von DANIEL DOCKERILL noch unserer Tage als »Realsozialismus«-ohne-Anführungszeichen sogar mit der Übergangsperiode umstandslos gleichgesetzt wird! Hauptsache möglichst viel Staat, Staatsmonopol, DeutschePost, die prächtig entwickelte staatskapitalistische, aber nun mit neuem KP-Köpfchen auf einmal »proletarische« Boa Constrictor wird in der Diktatur des Proletariats rübergerettet, gestärkt, gehegt und gepäppelt, immer totaler staatsgesellschaftlicher ausgebaut (Die »Köchin« lässt grüßen! aber als Hexe, die den Hänsel im Staatsstall aufmästet, damit er möglichst bald »absterben« tut. Er tut es aber nicht, denn auch ihr mangelt es an Dialektik. Am Ende dieses Übergangs wird sie selber - wie die anderen Werktätigen im »Realsozialismus« nach und nach: »herangezogen« an die Staatstätigkeit - verheizt ... ).

Ab STALINs Despotie, in der sich jener Staats-Apparat vollends verselbständigte und mit seiner »bürokratischen« Autokratie nur diejenige der neuen, kollektiven Eigentümer an den Lebens- und Produktionsmitteln und allererst an der »von allen Produktionsinstrumenten ... größten Produktivkraft« (MEW 4,181), an der revolutionären Arbeiterklasse selbst, unter Ausbeutung gerade auch ihres proletarisch-revolutionären Heroismus (STALIN sprach vom »russischen revolutionären Schwung« und der Notwendigkeit, ihn der managerialen Kompetenz der neuen Führungskräfteschicht der »alles-entscheidenden Kader« unterzuordnen, »der amerikanischen Sachlichkeit«) durchsetzte, mithin aus der perfektionierten Herrschaft der »Partei Neuen Typs« die Herrschaft einer mit ihrem Staat identisch gewordenen Bourgeoisie neuen Typs etablierte, - ab dieser Ära der offenen bürgerlichen Konterrevolution, die mit der endgültigen Ausrottung der (wirklich, vermeintlich und potentiell) proletarisch-communistischen Elemente der KPdSU (BOLSHEWIKI) 1936-38 und mit der Großen Stalinschen Verfassung abgeschlossen war, kann man selbstverständlich nicht mehr von »zeitbedingter Unschuld« sprechen: das wäre ebenso zynisch wie die Rede vom lediglich »bürokratisierten, deformierten Arbeiterstaat«, von der trotz alledem ja immer noch »sozialistischen« »Realität« unter'm »Personenkult« usw.usf., mit der diverse Anhänger des rivalisierenden Gegen-STALIN TROTSKI und die stalinistischen »Entstalinisierer« bis heute den historisch verheerenden Sieg jener Konterrevolution zu leugnen oder zu bagatellisieren versuchen; als ein letztes Aufgebot dieser »realsozialistischen« Apologie sehen wir die durchgehaltene Implikation in DANIEL DOCKERILLS 12 THESEN ... , wonach sich diese »sozialistischen Staaten« als angeblich noch immer »Übergangsgesellschaften«, Anläufe proletarisch-communistischer Revolutionen usw., bis zuletzt unstreitig ja auf dem Wege oder wenigstens mit dem Gesicht in Richtung erster Fase des Communismus befunden hätten und deshalb »noch immer«, bis zur bitteren Neige, halt gegen den Rest der Welt - und gegen das ursächlich schuldige westliche, insbesondere deutsche Versagerproletariat! - bis zum letzten Atemzug anti-antikommunistisch zu verteidigen wären.

Da werden Selbstkritiker/innen des Communismus als »Bolshewistenfresser« abgefertigt, nachdem die echt-communistischen Bolsheviken von ebenjenen »sozialistischen« Staatsparteistaaten, die angeblich nur eine leicht oder schwer »deformierte« Revolution verkörpern sollen, vor 60 Jahren gefressen worden sind; ganz abgesehen davon, dass vor allem das revolutionäre Proletariat von diesen staatsparteilichen Leviathanen, dieser Boa Constrictor, einer kollektiven Ausbeuterklasse, restlos und erbarmungslos einverleibt worden ist! Diese Rhetorik und Denkfigur der Apologie, offenbar von einer Art Negativfixierung an den »inneren Antikommunismus in den eigenen Reihen« motiviert (wie bedrohlich muss wohl der unbewusste »Bolshevistenhunger« in der eigenen Brust sein, dass das Herz nicht für die Niedergeschlagenen und blutig Zerrissenen des GULAG-Systems, fürs sovjetische Proletariat usw., sondern für die historischen Bolschewistenfresser, für »den Realsozialismus« schlägt ... ), ist nie pointierter als vom alten LUKÁCS formuliert worden: »Aber selbst der schlechteste Sozialismus ist immer noch besser als der beste Kapitalismus. Das ist nur scheinbar ein Paradoxon.« (in: NEUES FORUM MAI 1969), oder sogar noch realitätsblinder: »Ich war immer der Meinung, dass man selbst in der schlechtesten Form des Sozialismus besser leben könne als in der besten Form des Kapitalismus.«
(NEW LEFT REVIEW JULI/AUG.1971)

Das zutiefst Unaufrichtige (nämlich im Innersten religiös motivierte) dieser Rhetorik liegt gerade in seiner denkerischen Banalität: ist es doch keine Frage, dass jeglicher echte - NB: echte! - Sozialismus, auch sogar schon in den allerersten Anfängen seines Aufbruchs »zu sich selbst« noch vor der Schwelle zu seiner ersten kommunistischen Fase (wie sie ca. 1918 bis tief in die 1920er der Sovjet-Revolution, also gerade in den härtesten Jahren, vor den Menschen lag, eben als Übergangsgesellschaft wenn auch nur erst im gesamten gesellschaftlichen Überbau!) das Leben nicht nur überhaupt erst für die Proletarisierten dem Todesalltag des Kapitalismus entrissen hat, sondern wahrhaft lebenswert macht, nämlich befreit und kreativ-commun, abgesehen von der sprunghaften materiellen Lebensverbesserung allererst für die unteren Schichten des ehemaligen Proletariats, das sich vom ersten Tag des sozialistischen Umsturzes an ja als solches selbst aufhebt, das gesellschaftliche Mehrprodukt sofort spürbar für die Befriedigung seiner Bedürfnisexplosion verwendet (atmosfärisch unbedingt so, wie von HEINRICH HEINE: DEUTSCHLAND. EIN WINTERMÄRCHEN klassisch formuliert: ( ... )

»Wir wollen hier auf Erden schon/ das Himmelreich errichten./ Wir wollen auf Erden glücklich sein/ und wollen nicht mehr darben; / .. / Es wächst hienieden Brot genug/ für alle Menschenkinder,/ auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust/ und Zuckererbsen nicht minder./ Ja, Zuckererbsen für jedermann/ sobald die Schoten platzen!/ .. / Ein neues Lied, ein besseres Lied!/ Es klingt wie Flöten und Geigen!/ Das Miserere ist vorbei,/ die Sterbeglocken schweigen.«

Ohne auf dieses »hedonistische« Moment ab Umsturz zu setzen, können sich die Kommunist/inn/en den »Aufbau des Sozialismus« realistischerweise gleich abschminken. Weil es nämlich die Bedingung der Möglichkeit auch des aufopfernd-heroischen Moments aller proletarischen Revolutionen ist. KARL MARX 1852 an FRIEDRICH ENGELS: »Die Revolution könnte früher kommen als uns erwünscht. Nichts schlimmer, als wenn die Revolutionäre für Brot sorgen sollen.«).

Diese Basisbanalität aber wird vom Leninisten stillschweigend missbraucht, um dem irrealen »Sozialismus« der konterrevolutionären Stalin und post-stalinistischen Ära, ihrer unwiderruflich bürokratisch-kapitalistischen Wirklichkeit den gegenteiligen Klassenkarakter zu unterstellen, »zuzurechnen«. Der ehrenwerte LUKÁCS klammerte sich so verzweifelt innerlich an seine Lebenslüge (Dafür können wir doch nicht so gekämpft und geopfert haben, es muss doch letzten Endes sinnvoll gewesen sein! - Dabei hatte er ja doch das letzthinnige revolutionäre Format, die Wirklichkeit des Irrealsozialismus zu sehen, denn nach Prag 1968 hat er völlig nüchtern festgestellt: »Vermutlich ist das ganze Experiment, das 1917 begonnen hat, misslungen, und das Ganze muss ein anderes Mal und an einem anderen Ort angefangen werden.« G.LUKÁCS: GELEBTES DENKEN: EINE AUTOBIOGRAPHIE IM DIALOG; FRANKFURT/M.1981,S.14), wie es für die KP-Loyalität und -Mentalität auch heute noch symptomatisch ist: »Right or wrong - my party.«

Sie bleibt der höchste Wert, das Höchste Wesen, selbst wenn sie den Klassenkarakter (Von den Jakobinern-mit-dem-Volk zu den Jakobinern-gegen-das-Volk bis zum Empire und zur Restauration dient der Prototyp Polizeiminister Fouché) gewechselt und sich vom Proletariat abgelöst, gegen das Werk-der-Arbeiterklasse-selber gewendet hat. Im Zweifelsfalle gegen das Proletariat - das bleibt die leninistische Staatsräson, und ihr zuliebe wird dann dem schlechtesten Resultat einer asiatisch-despotistisch-bürgerlichen Konterrevolution das Fälschungsetikett eines »Großen Immerhin«: des immerhin-«Realsozialismus« aufgeklebt. Der katastrofalen Desorientierung des internationalen Proletariats in diesem Jahrhundert wird damit nicht nur in trauter Gemeinsamkeit mit den antikommunistischen Ideologen (überflüssigerweise) Vorschub geleistet (»Das war der Kommunismus!«), nein der eigenen wissenschaftlichen Denkpotenz, dem proletarisch-communistischen Ethos der wenigen revolutionären Menschen, die es besser wissen können und müssen, werden ödipal die eigenen Augen ausgestochen, aus Glaubensgeilheit wird der Parteistaatspartei das entscheidende sacrificium intellectus dargebracht, selbst wo es sie nicht mehr oder noch nicht wieder gibt!

Die konkrete Treue zum Proletariat, dessen Teil wir schliesslich allzumeist auch längst persönlich sind, ist erst mühselig zu erlernen, zu erringen in Zeiten des Großen Abschieds vom Proletariat, in denen es noch leichter zu fallen scheint, einen gegenstandslos gewordenen »Klassenverrat« zu simulieren, als wären wir noch Fleisch vom Fleische eines G. LUKÁCS oder H.J.KRAHL ..., deren Weg auf die Seite des Proletariats so oder so der Partei-Vermittlung bedurfte (KP als jakobinistischer Bourgeoisie-Ersatz und von daher auch die lebenslange Reibung, Züchtigung, renegatenverdächtigen Vatermord-Impulse oder Verlorener Sohn usw.usf.). Weder ist »unser« Proletariat noch das Erziehungsobjekt und Schmuddelkind, das es für MARX und LENIN zweifellos gewesen ist (für ersteren auf andere Weise als für letzteren, aber für beide zeitbedingt plausibel: aufzuklärendes, zu erziehendes, zu bildendes, kulturell zu hebendes, zu zivilisierendes usw.), noch ist heute der Parteibildungsprozess, Klassenformierungsprozess von »der« KP (sei sie auch, als mythisches Wesen, eine 150 Jahre alte Schildkröte, und lege sie auch wundersamerweise doch noch Eier) zu verkörpern, zu institutionalisieren, zu kontrollieren, zu »führen«, zu organisieren, zu machen. Um so anakronistischer ist die Regression auf Treue zu »Realsozialismus« und »Kampfpartei« - bei Strafe des »Antikommunismus« und »Renegatentums« -, mit der heute noch einmal fantomhafter Parteiaufbau ideologische Disziplin einfordert.

Wer es nicht leninistisch machen will, der/die will also garnichts machen; Parteibildung des Proletariats gefälligst nur im Rahmen neo-bolshevikischer »Kampfpartei«, usw. Für diese fiktive Parteitreue aber gilt historisch längst, was LUKÁCS für die »Treue« in der bürgerlichen Literatur überhaupt feststellte: sie ist ein pathologisch-kitschiges Gefühl im Gegensatz zur damals noch realen kommunistischen (wenn auch für uns heute höchst fragwürdigen) echten Disziplin: »Die Parteidisziplin ist dagegen eine höhere, abstrakte Stufe der Treue. Treue eines Menschen in der Öffentlichkeit ist: eine weltanschauliche Beziehung zu irgendeiner geschichtlich gegebenen Richtung - und sie bleibt auch dann Treue, wenn in irgendeiner konkreten Frage keine völlige Einheit mit dieser geschichtlichen Tendenz besteht.«

Wenn die geschichtliche Richtung der Übergangsgesellschaft auf Communismus hin sich unwiderruflich in die konterrevolutionäre Richtung gegen den Parteibildungsprozess des Proletariats umgedreht hat - und das ist seit der Machtübernahme STALINS und der »Bürokratie« (in Wirklichkeit: Staats-Bourgeoisie) vollendete Tatsache und seit dem Zusammenbruch des ganzen »Realsozialismus« auch nicht mehr zu revidieren, wie es ein LUKÁCS vor 30 Jahren sich wohl noch einbilden durfte -, dann ist die innere und äussere Treue zur »150jährigen« und gleichsam ewigen KP endgültig bürgerlicher Kitsch. Sie ist ebenso billig wie gefährlich angesichts des wirklichen Parteibildungsprozesses des heutigen Proletariats geworden, der sich niemals mehr in die Formen und Schranken eines historischen, halb oder ganz bürgerlichen Organisations-Surrogats zurückstauen lässt. Die wohlfeile Nibelungentreue im Nachhinein zu »der KP« als Gespenst verrät sogar gerade den proletarisch-communistischen wahren Kern der historischen Partei-Neuen-Typs, den der naiv-leninistische LUKÁCS 1924 auf die Formel der revolutionären-Organisation-im-Werden bringt: »auch sie ist nicht, sondern sie wird.«

Gefährlich ist dagegen das Leichengift von »150 Jahre KP« für einen darniederliegenden, schwer betäubten und gelähmten Parteibildungsprozess in einem historischen Augenblick, wo die spärlichen Kräfte des Bewusstseins im Proletariat alle Elemente proletarisch-communistischer Selbsttätigkeit, Defetischisierung und Entnarkotisierung gegen den »Albtraum der toten Geschlechter« sammeln und aufbieten müssen, um die Organisation-im-Werden einerseits völlig neu zu konzipieren, andererseits zugleich aus ihren spontan sich in den Kämpfen und Bewegungsmomenten abzeichnenden Konturen und Ansätzen des Proletariatsprozesses selbst zu entdecken, »neu zu erfinden« (wie die Situationisten es für ihre Zeit zu sagen pflegten). Wenn und wo so etwas dann auch Kriterien der klassischen noch-jakobinistischen »Partei Neuen Typs« der seinerzeit lebendigen LENIN-Kampfzeit in neuer Form erfüllt (kurz: disziplinierte Aufstandsorganisation fürs Proletariat zu werden), um so besser fürs Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart.

LENIN jedenfalls war noch zuallerletzt zur Besinnung gekommen angesichts des selbstgeschaffenen Leviathan oder eher schon prä-stalinistischen Behemoth, und mit allerletzter Kraft focht er wieder einmal gegen seine Partei: für das Herumreissen des Steuers in Richtung auf die russische Kommune. Sein Vergenossenschaftungsplan (an den erst wieder, ganz und gar theoretisch, der späte LUKÁCS 1969 in SOZIALISMUS UND DEMOKRATISIERUNG anzuknüpfen versuchte, um die Vision einer »Renaissance des Marxismus« mit dem Projekt einer »Renaissance der Leninschen Sozialismuskonzeption« zu verbinden: verstanden als Basisdemokratisierung und rätekommunistischen Sozialismusaufbau von unten«, verankert im wirklichen Alltag der Menschen) hatte aber bereits keine Durchsetzungschance mehr gegen die Eigendynamik jener Partei, die nur noch darauf wartete, ihn endlich einzubalsamieren.

Gelähmt war LENIN vor allem durch seine linksKAUTSKYanischen, unbewusst russisch-anarchistischen (BAKUNIN-NETSHAJEV-Organisationszüge vgl. MEW 18, 335-471, 599-642, zur Bauernfrage und ökonomischen Rückständigkeit besonders 630ff) und jakobinistischen Prägungen und in der Falle seines »Staatskapitalismus«-Imperativs festsitzend - gefangen in einem riesenhaft rückständigen Weltteil und hängengelassen von der Arbeiterbewegung des entwickelten kapitalistischen Westens, konnte er unmöglich noch zum ungeteilten, wissenschaftlichen Communismus bei KARL MARX zurückfinden, blieb also letztlich auch Gefangener der russischen Westler-Orthodoxie. Es blieb nur die Ernüchterung, mit der der sterbende LENIN mit den Seinen in der Parteispitze isoliert war, auch wenn es im oberen und unteren Sockel der zentralistischen Pyramide an proletarisch-revolutionären Elementen nicht fehlte, wie VICTOR SERGE ausführlich bezeugt und geschildert hat, von dem wir auch erfahren, dass LENIN zu Beginn seiner Krankheit zu seinem Arzt gesagt hat: »Haben wir genug demoliert? - Ja, dazu haben wir getaugt!«

Den Staat der Partei kann er damit als einzigen noch funktionierenden, wachsenden und gedeihenden Apparat jener Gesellschaft nicht gemeint haben. Sondern nur die Diktatur des Proletariats selber.

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Leninistische Fliege und staatskapitalistische Milch

Die konkrete Bestimmung des »bürgerlich-zaristischen Gemischs« durch ist seine LENIN selbst als (funktional zum) »Staatskapitalismus« zweite revolutionär-theoretische Leistung, die bis heute von den wenigsten Communist/inn/en »eingeholt« und begriffen worden ist. LENIN in seiner Ambivalenz als Kind seiner Zeit ist noch selbst hinter diese eigene Einsicht zurückgefallen, wenn er voluntaristisch terminologisch immer mal wieder dieses »Gemisch« als rundum »sozialistisch«, als »Aufbau des Sozialismus« bezeichnet hat, mit dem »man« angeblich - so NB dem SU-Territorium, »beginnen« könnte.

Wenn es einen »Sozialismus« in LENIN, nicht erst STALIN ! - in einem so großen einzelnen »Land«, der SU jemals tatsächlich gab, dann ausgewachsener Staatssozialismus, und dessen Identität mit Staatskapitalismus ist das einzige, war das was hier begrifflich Sinn ergibt. Um den zu etablieren, haben die »Jakobiner-mit-dem-Volk« genug demoliert: nämlich die Selbstverwaltungsorgane angefangen von den Räten und Fabrikkomitees der Arbeiterklasse selber, des 'Volkes«, sprich der Bauern, deren Sovjets systematisch zu Parteianhängseln gemacht wurden oder deren revolutionäre Selbstorganisation und Bewegung, wie die MAKHNOgleichzeitig gegen die Konterrevolution (die »Weissen«) ausgenutzt und im selben Zug als Vendée behandelt wurde; von -Bewegung, dem die permanente Revolution in Richtung auf den Communismus weitertreibenden proletarischen Sovjet-Kronstadt gar nicht zu reden.

Die BOLSHEVIKI haben, in einem Wort, die Basis hinreichend demoliert, von der aus permanente Revolution in Richtung Sozialismus/Communismus 1. Stufe möglich war und begonnen hatte, um die Diktatur des Proletariats frühzeitig durch die staatskapitalistische Despotie eines bürgerlich-zaristischen Gemischs von neuer herrschender Klasse, einer Staats-Monopolbourgeoisie neuen Typs, zu ersetzen. VICTOR SERGE kennzeichnete (SHKLOVSKI und GORKI zitierend) schon den so zugerichteten Parteibildungsprozess des Jahres 1919 (!) als »eine Revolution, die im Sterben lag«. Der Kriegs-«Kommunismus« hinterliess dann »ein bitter und hoffnungslos gewordenes Proletariat«, das durch die Partei und ihren Staat nicht nur de facto sondern sogar de jure entrechtet worden war; und 1922/23, nach dem Abwürgen der Dritten Revolution (und damit der Permanenten Revolution im proletarischen Sinne) von Kronstadt und der Umleitung in eine offen und erklärt staatskapitalistische Entwicklung, konstatierte VICTOR SERGE »eine tiefe moralische Krise der Parteifunktionäre«, »Man fühlte, dass das besiegte Geld bald wieder zum Alleinherrscher werden sollte« (SERGE geht es dabei keinen Augenblick um Verklärung oder Restauration des terroristischen Kriegs-«Kommunismus« - leider muss dies für einen bestimmten linken Lesertyp gleich hinzugefügt werden).

Schon 1920/21 waren die Sovjets »längst zweitrangige Apparate der Partei« geworden, die tatsächlich nur das lokale Parteikomitee vertraten. »Die Partei wurde mehr und mehr von oben nach unten von den Sekretären regiert, von Karrieristen überschwemmt.« Als dann auch noch der Große Mittler, die Führerfigur, der Mega-Manager LENIN ausfiel (- er soll zuletzt auch noch gesagt haben: »Man glaubt die Maschine zu steuern, aber sie reisst einen mit sich fort; plötzlich sind andere Hände als unsere am Steuer.«), waren die proletarische Revolution und die Diktatur des Proletariats »alles in allem am Ende ihrer Kräfte.« (VICTOR SERGE: ERINNERUNGEN EINES REVOLUTIONÄRS. S.178, der diesen ganzen Prozess sowohl aus dem Inneren Kreis der Parteispitze als auch from the bottom up eingehend schildert, bevor er zu derartigen resümierenden Formulierungen kommt. Nach LENINs Tod erlebte er eine steigende Suizidrate unter den besten Parteiarbeiter/inne/n, »in Leningrad ... 10-15 Selbstmorde am Tag: meist Menschen unter 30 Jahren.« S.420).

Alle Ansätze zu einer Diktatur des Proletariats waren damals schon ausgebrannt bzw. »demoliert«, und wenn das »eine höchst prekäre Form des versuchten Übergangs zu kommunistischer Produktion und Verteilung« war, dann genau eine kriegskommunistische und staatssozialistische, die mit einem explizit staatskapitalistischen Übergangsregime mit Kurs auf Einreihung in die kapitalistische (imperialistische) Konkurrenz identisch war - und das alles, in der ehrlichen LENINschen Fase, noch ganz offiziell. Kurz: hier fand bereits der endgültige Übergang zum Kapitalismus statt, also die gegen(läufig)revolutionäre Entwicklung der anfangs proletarisch-communistischen Richtung der Bewegung, ihrer Intention; und die prekäre proletarische Übergangsform der Sovjet-Diktatur des Proletariats war längst kaputtgemacht.

Die »Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft als ihre eigne lebendige Macht, an Stelle der Gewalt, die sich die Gesellschaft unterordnet und sie unterdrückt; das ist die Rücknahme der Staatsgewalt durch die Volksmassen selbst, die an Stelle der organisierten Gewalt der Unterdrückung ihre eigene Gewalt schaffen; das ist die politische Form ihrer sozialen Emanzipation an Stelle der künstlichen Gewalt ( ... ) der Gesellschaft« (MEW 17, 543) - alle diese Wesernsmerkmale, Womit KARL MARX die revolutionäre Diktatur des Proletariats an der Pariser Commune kennzeichnet - waren jetzt selbst rückläufig gemacht und wurden sukzessive kassiert:

spätestens mit der Ausschaltung der »Arbeiteropposition« auf dem 10.Parteikongress im Mai 1921 manifestierte sich auch offiziell die Rücknahme der gesellschaftlichen, proletarischen Gewalt/Macht durch den Partei-Staat ganz nach der Auslegung des »allmächtigen, weil wahren« »Marx«-Ismus des orthodoxen Führers von Partei/Klasse/Masse, der dort mit der Arroganz der Macht erklärte:

»Der Marxismus lehrt uns, dass nur die politische Partei der Arbeiterklasse, d.h. die Kommunistische Partei, vereinheitlichen, erziehen, organisieren und deshalb die gesamte proletarische Bewegung und damit auch die gesamte Arbeiterklasse führen kann. Ohne sie ist die Diktatur des Proletariats vollkommen bedeutungslos.«

Für diese Usurpatoren der für sich genommen »vollkommen bedeutungslosen« revolutionären Diktatur des Proletariats und des zum üblen Legitimationspopanz gemachten »Marx«-Ismus der Orthodoxie, die auf dem 10. Parteitag mit diesen Worten offensichtlich nach der Devise »je allmächtiger, desto wahrer« auch theoretisch wegweisend ihr hässliches Haupt erhoben, ist von da an nur noch eines prekär: das Tempo und Ausmaß des immer eindeutiger rückläufig staatsmonopolkapitatistischen, bürgerlichen Übergangs zur ursprünglichen staatskapitalistischen Akkumulation unter dem sich organisch-naturwüchsig anschliessenden, erst systematisch strategisch durchsetzenden, dann brutal konsolidierenden STALIN-Regime.

Fazit:

»( ... ) Auf dem 10. Parteikongress, in dem Moment, in dem der Sovjet von Kronstadt mit Waffen niedergeschlagen und unter Verleumdungen begraben worden war, kam Lenin in der Auseinandersetzung mit den linksradikalen Bürokraten, die in der »Arbeiteropposition« organisiert waren, zu dem Schluss, dessen Logik Stalin bis hin zu einer vollkommenen Teilung der Welt fortführte: 'Hier oder dort mit einem Gewehr, aber nicht mit der Opposition ... Wir haben genug von der Opposition.«' (GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. THESE 103)

Die Repräsentanten des Proletariats hatten sich damit endgültig an die Stelle der proletarischen Revolution gesetzt, hatten das Subjekt wieder zum Objekt gemacht, und der oberste Repräsentant sprach das Geheimnis der nun etablierten Hierarchie aus: eine Diktatur des Proletariats mag existiert haben oder es gibt sie tatsächlich noch irgendwo in der SU, das ist für sich genommen vollkommen bedeutungslos - von Bedeutung ist einzig und allein die bolshevikische Partei. Sie führt um ihr Überleben Krieg, sie befindet sich jetzt im prekären Übergang zu einer neuen, erklärtermaßen staatskapitalistischen Ökonomie und Politik, und sie hat jetzt endgültig genug von der Diktatur des Proletariats. Die lebendige Macht war durch die künstliche Macht ersetzt worden, über das Weitere berichten die Chronisten und Memoiren.

Höchst prekär war die »realsozialistische« (- der Staat ist für die Staatssozialisten freilich die einzige Realität) Gegenrevolution genau deshalb zu jedem Zeitpunkt, weil sie sich zu keinem Zeitpunkt mehr auf die Selbsttätigkeit der Gesellschaft geschweige auf den Parteibildungsprozess des Proletariats unmittelbar stützen konnte (- der »Große Vaterländische Krieg« später als gewisse unheimlich-symptomatische Ausnahme zu dieser Regel). Mit der Einschränkung: dass diese staatskapitalistische Akkumulation bis tief in die STALIN-Ära hinein bis einschliesslich »Großem Vaterländischen Krieg« und Wiederaufbau der SU die ungeheuren Energien, den naiven Enthusiasmus und Heroismus, die unerschöpfliche Aufopferungsfähigkeit des Proletariats und der proletarisierten Bauernmassen etc. fürs Staatsmonopol auszubeuten verstand. »Pod Stalina!« - mit diesem Ausruf stürmten noch unzählige Soldaten im »Großen Vaterländischen Krieg« ins feindliche Feuer - was abermals auf die Bindekraft der Führer-lkone des russisch-despotischen Staatsparteifetischismus weist, aber diese lkone stand, materialistisch gedeutet, zugleich in diesem historischen Moment wie das »Väterchen« zum »Mütterchen«: als Schützer der »Russischen Erde«! Die Parzelle, der Rest-«Mir« bzw. seine historisch-ökonomischen und psychohistorischen Spuren, diese perennierende Unterseite des rotgefärbten Teppichs...

Was darüber hinaus an rein communistischen Gehalten und Bestrebungen - nicht zuletzt auch der Intellektuellen - an dieses Staats-Partei-Monopol sich heften konnte und musste (bis heute), gehört in die rein ideologische Dimension, genauer: geht als »ideeller (z.T. einfach nur idealistischer - wie parallel beim Anarchismus, »Iibertären Kommunismus« etc.) Protokommunismus« in dieses kapitalistische Staatsmonopol ein. Diese Elemente einer echt communistischen Revolution wurden also letztinstanzlich von der kapitalistischen, Konterrevolution rekuperiert, dienen dieser als Nimbus, als irrealsozialistisches Alibi gegenüber den Hoffnungen und Bestrebungen im Weltproletariat, während in Wirklichkeit vor nichts zurückgescheut wurde, diesem »Realsozialismus« alle Attribute bürgerlicher Reputierlichkeit als konkurrierende »Sovjetnation« in der Arena des Weltmarkts und der imperialistischen Konkurrenten zu erobern - ganz in der Tradition der zaristischen Aussenpolitik, wie sie von MARX und ENGELS entlarvt und analysiert worden ist. Aus diesem Grunde hat STALIN auch persönlich dafür gesorgt, die Veröffentlichung dieser Analysen der Klassiker zu unterdrücken, den Leiter des MARX-ENGELS-Archivs RJASANOV zu verbannen und zu ermorden usw.

Doch nicht allein aus diesem Grund. DAVID GOLDENDACH (»RJASANOV«) (1870-1938) ist der MARX-nächste Theoretiker (vor allem als communistischer MARX,ENGELS-Forscher, wissenschaftlicher Communist im strengsten Sinn) und Praktiker (besonders als revolutionärer Gewerkschaftsbasisaktivist in Permanenz) der 2. und 3. Internationalen und immer von vornherein misstrauisch und destruktiv gegen jeden Parteidogmatismus.

Obwohl frühzeitig gegen LENINS Organisationskonzeption, focht er (mit TROTSKI im »Augustblock« 1917) dann für den November-Coup der BOLSHEVIKI, um alle Macht an die Soviets zu bringen, wie er schon an der Seite LENINS gegen den imperialistischen Krieg, für den revolutionären Bürgerkrieg gekämpft hatte. LENIN hatte natürlich das Format, den späteren Herausgeber der ersten MEGA immer wieder zu konsultieren, wenn es um die Essentials der von MARX & ENGELS begründeten Theoriebildung ging usw. Von daher überrascht es auch nicht, RJASANOV auch nach dem Tode LENINS diesem gegenüber ebenso souverän und kritisch zu erleben wie innerhalb aller Theorie und Praxis der revolutionären Arbeiterbewegung.

An der prompten theoretischen Mumifizierung seines Kampfgenossen wirkt RJAZANOV als so ziemlich Einziger nicht mit, sondern hält bereits am 2.3.1924 einen Vortrag auf der SOZIALISTISCHEN AKADEMIE-Festsitzung zu Ehren des Verstorbenen, mit RADEK, BUKHARIN u.a., in dem er die Staatstheorie LENINS kritisch würdigend einschätzt, sie internationalistisch abgleicht, vor allem sie der Theorie von dessen revolutionärem communistischen Zeitgenossen und Arbeiterorganisator in den USA, DANIEL DeLEON, relativierend an die Seite stellt ... Das Stenogramm dieses Vortrags ist erst spät und erst 1993 in einer (mangelhaften) deutschen Übersetzung zugänglich geworden, so dass einige längere Auszüge hier willkommen sein dürften, um sowohl die Ambivalenz selbst des klarsten Kopfes des wissenschaftlichen Communismus jener Zeit und jenes Orts in der Frage der antistaatlichen Diktatur des Proletariats bloßzulegen sowie den Nerv, an den eine solche positiv-kritische, dialogische Auseinandersetzung mit dem »Erbe« vom frühen(!) MARX ... bis zu dem des späten (!) LENIN rührt; d.h. den tieferliegenden, eigentlichen Grund dafür, warum die sich etablierende, »prekäre« bürokratische Staatsbourgeoisie einen RJAZANOV und die Klasse, ihre Organisation, ihre Theorie, die er repräsentierte, möglichst »liquidieren« musste.

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Rjasanov (1924) über den Staat als Fetischform

[In KARL MARX: ZUR JUDFNFRAGE, MEW1, 347-387] findet ihr jene Charakteristik des Staates als eines Organismus, der sich auf noch unbekannte Weise herausgebildet hat und der das Produkt einer bestimmten übergesellschaftlichen Kraft ist. Marx wusste bereits 1842, dass diese Kraft keinen religiösen Ursprung hat, aber er konnte sich noch nicht erklären, wie dieser Fetisch - ich verwende den euch aus dem 'Kapital' bekannten Begriff - entstanden ist und ob er ein Produkt der menschlichen Gesellschaft oder das Produkt irgendeiner anderen Kraft ist. [MARX] versucht, in das Geheimnis des Staates einzudringen. ( ... ) Erst im Sozialismus, erst in seinen Elementen fanden sie [MARX & ENGELS] den Ansatzpunkt, zu zeigen, dass sowohl der Staat als auch die vielen Erscheinungen des sogenannten Überbaus, der Ideologien, ein Produkt der menschlichen Gesellschaft sind. In den 'Deutsch-Französischen Jahrbüchern', in der Kritik an Hegel und besonders in den Artikeln 'Zur Judenfrage' seht ihr, wie interessant es für Marx ist, auf welche Weise sich aus dieser ganzheitlichen menschlichen Gesellschaft, aus dieser Vielfalt von Funktionen, die es in einer Gesellschaft gibt, die politische Funktion herauslöste, sich vom ganzheitlichen Menschen absonderte und sich in eine Kraft verwandelte, die auf dieser Gesellschaft lastet und sie gleichzeitig lenkt.

Das ist die erste Formulierung der permanenten Revolution. Sie zeigt, dass die politische Revolution bis zur Klärung dessen gehen könnte, was sich hinter dem Menschen verbirgt, wenn sie sich als permanent sähe und wenn sie das Rätsel der Politik, das Rätsel der Religion und Ökonomie löste. ( ... )

So kommt Marx ( ... ) zu dem Schluss, dass der Staat, das politische Leben den Menschen von bestimmten Funktionen entfremdet, isoliert und diese Kraft in den Händen anderer konzentriert. Und nur durch die Errichtung der klassenlosen Gesellschaft, nur durch die Rückgabe all dieser dem Menschen entfremdeten Kräfte wird es möglich sein, die Bedingungen zu schaffen, unter denen die Politik und die politische Form in die gesamtgesellschaftliche Form übergehen.

[Die dann aus DIE DEUTSCHE IDEOLOGIE, MEW 4, angeführten Stellen] zeigen, dass Marx schon Ende 1845, etwa zwei Jahre vor dem Verfassen des Kommunistischen Manifests, die Frage nach dem Staat auf folgende Grundlage stellt:

die gesellschaftliche Genesis und der Charakter dieses Fetischs müssen erforscht werden. Er führt ihn auf die bürgerliche Gesellschaft zurück, d.h. auf die gesellschaftlichen Beziehungen, auf die Beziehungen, die zwischen den Menschen im Produktionsprozess, bei der Schaffung materieller Mittel, im Prozess der Befriedigung und Erhaltung des Lebens entstanden sind. Hier zeigt er, wie sich die Kraft der Arbeitsteilung, diese soziale Kraft aller gesellschaftlichen Funktionen, die sich in einer Klasse konstituieren, historisch von dieser Gesellschaft löst und sich in den Händen des Staates konzentriert, der zum Werkzeug einer bestimmten herrschenden Klasse wird, die die gesamte Gesellschaft in eigenem Interesse und nach eigenem Vorbild umgestaltet. (...)

Im 'Elend der Philosophie' gibt es Momente, die zeigen, dass die Schaffung des Staates als eine Kraft, die seine [= des Menschen] Energie widerspiegelt, Marx beschäftigte. (...)

Wir konstatieren, dass erst die Analyse des Verhaltens der verschiedenen Parteien 1848 in Frankreich, die Kritik des Verhaltens der Sozialdemokratie [sic!! Übersetzung !?!] und der verschiedenen Sozialisten bis zu den Randgruppen, die sich um Blanqui konzentrierten, Marx zu einer neuen Formulierung der alten These führte. Ich wiederhole, es handelt sich hier um die alte, oft vergessene Formulierung; ich habe im ersten Teil bereits darauf hingewiesen, dass wir vor 1917 einiges in Marx' Arbeiten übersehen haben. Ich gebe zu, auch mir ist einiges entgangen. Eine der markantesten Stellen, die diesen Wesenszug aufdeckt, entging auch der Aufmerksamkeit Lenins, der alle bei Marx formulierten Gedanken sorgfältig sammelte. Er hat gerade eine der charakteristischsten Stellen nicht erwähnt, die ihm in der Polemik mit Kautsky und den Opportunisten der II. Internationalen sehr genutzt hätte. Marx charakterisiert Blanqui als 'doktrinär'; an einer anderen Stelle wird Blanqui als Vertreter einer eigentlich proletarischen Partei bezeichnet.

Das ist die glänzende Formulierung, in der Marx erstmalig die alte Formel der Eroberung der Staatsmacht durch die Formel der Diktatur des Proletariats ersetzt und dabei den gleichen Sinn hineinlegt, den er schon in der 'Deutschen Ideologie' entwickelt. Die Revolution vereint doch das Proletariat nicht nur deshalb, damit es die herrschende Klasse stürzt, sondern auch, damit es im Prozess dieser Revolution seine eigene Psyche verändert und sich vom Schmutz und Kalk der alten Ordnung befreit. So stark und schnell entwickelt sich dieser Gedanke von Marx in jenen Jahren. ( ... )

Weil Marx und Engels der Französischen Revolution < ... > eine besondere Bedeutung beimaßen ' warnten sie jetzt [1850] im Zirkularbrief vor jeglichem Versuch, die zentralistische Maschinerie zu zerschlagen. Aber die Erfahrungen, die Napoleon IIl. mit seiner ganzen Bande vermittelte, die Rolle, welche die Bauernschaft spielte, zwangen Marx, das Verhältnis der Bauernschaft zu dieser Maschinerie zum ersten Mal detailliert zu analysieren, und er gelangte zu der Schlussfolgerung, die er bereits in der ersten Ausgabe des '18.Brumaire' sehr eindeutig formuliert hat. Er sagt, bis jetzt haben zwar alle revolutionären Parteien versucht, von dieser zentralisierten Maschinerie Besitz zu ergreifen, sich aber gefürchtet, sie anzurühren. Warum hatten sie Angst, sie zu zerschlagen? Gerade wegen der Bauernschaft, denn erst die zentralisierte Maschinerie hatte sowohl Napoleon I. wie auch Napoleon IIl. geholfen, sich die Bauernschaft zu unterwerfen, ihre ganze riesige Kraft zu beherrschen.

Bei seiner Analyse verstand Marx sehr gut, wie wichtig es für das Proletariat ist, - um mit unserem Terminus zu sprechen: - das Bündnis mit der Bauernschaft sicherzustellen; er verstand es sehr gut, wie er in der ersten Ausgabe des 'Brumaire' sagt, dass das Proletariat ohne Rückhalt in der Bauernschaft, ohne die Begleitung der Bauernschaft in seinem revolutionären Gesang es riskiert, in die Lage des singenden Schwans zu geraten. In diesem Zusammenhang zeigt er, dass es keinen Grund gibt, Angst vor der Zerschlagung der vom zentralistischen Staat geschaffenen bürokratischen Militärmaschinerie zu haben, denn diese Maschinerie ist nur ein Bestandteil des zentralistischen Systems. So gelangt Marx Anfang 1852 zu dem Schluss, dass das Proletariat nach der Erlangung der politischen Macht und Ergreifung der politischen Staatsgewalt keine Angst haben darf, diese Staatsmaschinerie zu sprengen, zu zerbrechen. (...)

Aber es gibt noch eine andere Seite, auf die ich hingewiesen habe und die Marx von Anfang an interessierte. Er ging darauf ein, als er den Fetischcharakter aufdeckte; gemeint ist, dass die Staatsmaschinerie für die herrschende Klasse nicht nur ein Unterdrückungsmechanismus gegen die geknechteten Klassen ist, sondern auch ein Werkzeug zur Ausnutzung der unterdrückten Klassen. Diese Seite war etwas im Dunkeln geblieben, unerforscht. ( ... )

Nach Marx konstatiert auch Genosse Lenin eine Übergangsform zwischen dem alten bürgerlichen Staat und der echten kommunistischen Ordnung. Er tauft sie sogar einfach auf den Namen sozialistische Ordnung. Es ist klar, weshalb unsere RSFSR sozialistische Geselischaftsordnung genannt wurde - um zu unterstreichen, dass das noch kein Komnmunismus ist sondern eine Form, in welcher der Übergang zu einem höheren Stadium vollzogen wird. Ich kann nicht weiter darauf eingehen. ( ... )

Die gesamte Polemik des Genossen Lenin mit den linken Kommunisten, die 1918 und 1919 fortgesetzt wurde, beruht gerade darauf, dass Lenin bei der Analyse dieser Gesellschaftsordnung, dieser Übergangsperiode, zu dem Ergebnis kam, dass man die gesellschaftlichen Kräfte der Formation, an deren Spitze wir stehen, ausnutzen muss, solange im Westen Europas keine soziale Revolution erfolgt, solange die im Überfluss vorhandenen Kräfte des westeuropäischen Proletariats nur der westeuropäischen Bourgeoisie dienen und uns nicht zu Hilfe kommen, um unseren gesellschaftlichen Typus im Bereich der Technik und der Produktivkräfte auf eine höhere Stufe zu heben. Solange das nicht geschieht, müssen wir solche politischen Formen ersinnen, eine solche Taktik festlegen, eine solche ökonomische Politik betreiben, die es uns erlaubt, die Kräfte der russischen Bauernschaft zu nutzen, die unvergleichlich stärker ist als die französische Bauernschaft 1848149. (...)

Dabei sollte man die große Anzahl interessanter Bemerkungen Lenins nutzen, die in den Reden 1919-1920 dazu enthalten sind. Sie enden mit einer Rückbesinnung und dem nicht ganz gelungenen Versuch, diese Aufgabe allein dadurch zu lösen, dass man die Mittel zur Kontrolle dieser gesamten gesellschaftlichen Formation verstärkt. ( ... )

Wir durchleben, ich wiederhole es, eine Periode der Atempause, wir haben jetzt die Möglichkeit - ich gehöre in dieser Frage zu den Optimisten- diese Revolutionserfahrungen nicht nur erstmalig zu verarbeiten, sondern auch theoretisch zu untermauern. Ich denke, dass die Sozialistische Akademie sich schon längst Kommunistische Akademie nennen müsste, denn das wäre auch eine Rückkehr zu den revolutionären Aufgaben des revolutionären marxistischen Kommunismus, für den die Bourgeoisie den Namen Blanqui gefunden hat, der uns aber sehr viel bedeutet. ( ... ) »

(LENIN ALS THEORETIKER DES PROLETARISCHEN STAATES. in: DAVID RJASANOW - MARX-ENGELS-FORSCHER - HUMANIST - DISSIDENT. Hrsg.von VOLKER KÜLOW und ANDRŠ JAROSLAWSKI, BERLIN 1993, S.100-133)

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Lohnsklaverei + Staatssklaverei

Was sogar ein RJASANOV in dieser nicht nur »prekären«, sondern verzweifelten Lage, als notgedrungen revolutionärer Zweckoptimist, nicht mit vollendeter, konsequentester Schärfe erkennen »durfte« geschweige denn aussprechen: dass MARX die proletarische Revolution, die Commune-Revolution als gegen den Staat selbst gerichtet analysiert und resümiert - - während LENIN den Versuch des Beginns der permanenten Revolution unter isoliert auf sich gestellt entweder aussichtslosen oder (nach dem Ignorieren der MARXschen und ENGELSschen Studien und Anhaltspunkte, und mehr, über den möglichen russischen Weg zu einem spezifischen Communismus) neu zu erfindenden Organisierungsbedingungen zu denken hatte und deshalb letztinstanzlich des Staates nicht entbehren, den Angriff auf die zentralisierte Staatsmaschinerie nie und nimmer auch nur denken und dulden konnte - also zeitbedingt unschuldig als Opfer der russischen und weltproletarischen Unreife, wie auch immer, zwischen Staat und Massen, Partei und Sovjets, orthodoxer Theorie und pragmatischer Praxis, Krieg und Frieden gevierteilt wurde, das bleibt auch dem damaligen Blick-zurück-zu-MARX immer noch verstellt. Dieser »muss« eher noch erst an dessen staatszentralistischem utopisch-kommunistischen Kombattanten BLANQUI hängenbleiben, der den Jakobinern noch so nahe stand und dessen Wirkungsmacht in der Pariser Commune (subjektive Unreife) ausglühen durfte.

Selbst die besten, klarsichtigsten, wissenschaftlich-communistisch bewusstesten unter den BOLSHEVIKI konnten zu jener Zeit wider Willen und Bewusstsein nicht zurück zu MARX, sondern schafften es erst - und das war viel! - wieder »in dessen Vorzimmer«: zum revolutionären Etatisten BLANQUI. (»Marx hat in der Vorstellung der klassenlosen Gesellschaft die messianische Zeit säkularisiert. Und das war gut so. (...) Dem revolutionären Denker bestätigt sich die eigentümliche revolutionäre Chance jedes geschichtlichen Augenblicks aus der politischen Situation heraus. Aber sie bestätigt sich ihm nicht minder durch die Schlüsselgewalt dieses Augenblicks über ein ganz bestimmtes, bis dahin verschlossenes Gemach der Vergangenheit. der Eintritt in dieses Gemach fällt mit der politischen Aktion strikt zusammen; und er ist es, durch den sie sich, wie vernichtend immer, als eine messianische zu erkennen gibt. (Die klassenlose Gesellschaft ist nicht das Endziel des Fortschritts in der Geschichte sondern dessen so oft missglückte, endlich bewerkstelligte Unterbrechung.)
(WALTER BENJAMIN: NOTIZ ZU 'ÜBER DEN BEGRIFF DER GESCHICHTE'. 1940) Vielleicht ist hierin von dem revolutionären ProLENINisten Walter Benjamin, der ebenfalls und ebendeswegen fasziniert war vom Kommunismus eines BLANQUI, das objektive geschichtliche Dilemma - nicht nur; aber intim: - des revolutionären BOLSHEvismus am prägnantesten ausgesprochen. Es konnte wohl erst und nur im Nadir, im konterrevolutionären Resultat dieser gescheiterten Revolution - genau zwischen HITLER-STALIN-Pakt und der Shoah - so erblickt und formuliert werden: als der Fortschritt von Kapital und Staat sich nicht mehr unterbrechen liess.)

Nein, von den »Jakobinern-mit-dem-Volk« konnte und kann auch von uns heute nachträglich nicht verlangt werden, dass sie dem in ihrer Situation ins Gesicht sahen, was KARL MARX historisch-wissenschaftlich privilegiert gewesen war zu sehen: das Medusenhaupt des Staats-im-eigentlichen-Sinne.

Schon in seiner Schrift gegen HEINZEN hatte er gewarnt:
Stürzt das Proletariat die politische Herrschaft der Bourgeoisie, so wird sein Sieg nur vorübergehend, nur ein Moment im Dienste der bürgerlichen Revolution selbst sein, wie arm 1794, solange im Laufe der Geschichte, in ihrer 'Bewegung', die materiellen Bedingungen noch nicht geschaffen sind, die die Abschaffung der bürgerlichen Produktionsweise und darum auch den definitiven Sturz der politischen Bourgeoisherrschaft notwendig machen. (...) Die Menschen bauen sich eine neue Welt (...) aus den geschichtlichen Errungenschaften ihrer untergehenden Welt. Sie müssen im Laufe ihrer Entwicklung die materiellen Bedingungen einer neuen GeselIschaft selber erst produzieren, und keine Kraftanstrengung der Gesinnung kann sie von diesem Schicksal befreien.«

Auf die russische »verfluchte Rückständigkeit« zurückgeworfen durch das Ausbleiben des proletarischen Weltrevolutionsschubs, der zu Recht hatte initiiert werden sollen, - bleibt der russischen Revolution nichts übrig, als aus ebendiesem Schicksal »das beste zu machen«: zwischen dem noch von den beiden Londoner Alten angeregten und theoretisch wohlbegründeten Weg der russischen Kommune und dem jakobinistischen des Etatismus »wählten« die BOLSHEVIKI den letzteren, und zwar von Anfang an - als ihr westlerisches Schibboleth (es handelt sich um eine Verdrängung der russischen Besonderheit, die die russischen »Marxisten« geradezu von Anbeginn konstituiert). Damit aber sind sie fortan für die MARXsche wissenschaftliche Einsicht in ihrem ganzen Umfang, ihrer ganzen dialektischen Antagonismusdynamik, blind:

»Der wahre Gegensatz der Staatsmacht, der zentralisierten vollziehenden Gewalt, ( ... ) war die Kommune. ( ... ) Alle Reaktionen und alle Revolutionen haben nur dazu gedient, diese organisierte Macht - diese organisierte Gewalt zur Versklavung der Arbeit - aus einer Hand in die andere, von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen. ( ... ) Sie hatte aus jeder neuen Veränderung neue Kräfte gesogen. Sie hatte als Werkzeug gedient, um jede Volkserhebung niederzuschlagen und die arbeitenden Klassen zu unterdrücken, nachdem sie gekämpft hatten und ausgenutzt worden waren, um die Übertragung der Staatsmacht von einem Teil ihrer Unterdrücker an den anderen zu sichern. Daher war die Kommune nicht eine Revolution gegen diese oder jene (...) Form der Staatsmacht. Die Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen diese übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft; sie war eine Rücknahme des eigenen gesellschaftlichen Lebens des Volkes durch das Volk und für das Volk. Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klasse an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen. (...) Die Kommune war die entschiedene Negation dieser Staatsmacht und darum der Beginn der sozialen Revolution des 19. Jahrhunderts. ( ... ) Nur die Proletarier, von der neuen sozialen Aufgabe entflammt, die sie für die gesamte Gesellschaft zu vollbringen haben, nämlich die Abschaffung aller Klassen und der Klassenherrschaft, waren imstande, das Werkzeug dieser Klassenherrschaft - den Staat -, diese zentralisierte und organisierte Regierungsgewalt zu zerbrechen, der sich anmaßt, Herr statt Diener der Gesellschaft zu sein. ( ... ) Der Parlamentarismus in Frankreich war am Ende. ( ... ) und die Arbeiterrevolution war sicher nicht darauf aus, ihn von den Toten zu erwecken. Aber diese eine Form der Klassenherrschaft war nur zusammengebrochen, um die vollziehende Gewalt, die staatliche Regierungsmaschine, zum großen und einzigen Angriffsobjekt der Revolution zu machen. (...)

[In Hinblick auf den Unterschied zum parlamentaristisch-republikanischen Staat] konnte nichts dem Geist der Kommune fremder sein, als das allgemeine Stimmrecht durch hierarchische Investitur zu ersetzen. ( ... ) Die Kommunalverfassung würde im Gegenteil dem gesellschaftlichen Körper alle die Kräfte zurückgegeben haben, die bisher der Schmarotzerauswuchs 'Staat', der von der Gesellschaft sich nährt und ihre freie Bewegung hemmt, aufgezehrt hat. Das bloße Bestehen der Kommune führte, als etwas Selbstverständliches, die lokale Selbstregierung mit sich, aber nun nicht mehr als Gegengewicht gegen die, jetzt überflüssig gemachte, Staatsmacht. ( ... )

Das also ist die Kommune - die politische Form der sozialen Emanzipation, die Befreiung der Arbeit von der Usurpation (der Sklaverei) der Monopolisten der Arbeitsmittel, die von den Arbeitern selbst geschaffen oder Gaben der Natur sind. So wie die Staatsmaschine und der Parlamentarismus nicht das wirkliche Leben der herrschenden Klassen, sondern nur die organisierten allgemeinen Organe ihrer Herrschaft, die politischen Garantien, Formen und Ausdrucksweisen der alten Ordnung der Dinge sind, so ist die Kommune nicht die soziale Bewegung der Arbeiterklasse und folglich nicht die Bewegung einer allgemeinen Erneuerung der Menschheit, sondern ihr organisiertes Mittel der Aktion. ( ... ) Sie beginnt die Befreiung der Arbeit - ihr großes Ziel - mit einer ungeheuren Einsparung« - nämlich der Abschaffung des »Parasitismus des Staatsungeheuers«... (MEW 17, S.541-547)

Es genügt, diese längst bekannten Wesenszüge der revolutionären Diktatur des Proletariats aus der klassischen Analyse ihres realhistorischen »Modells«, ihrer konkreten »Urform« in der Skizze KARL MARX: DER BÜRGERKRIEG IN FRANKREICH. 1871 (MEW 17) herauszugreifen, um auf den ersten Blick schon kontrastiv klarzumachen, worum es sich beim »sovjetischen« und »realsozialistischen« Staatswesen der jeweiligen »KP« handeln muss, um welche Richtung eines Übergangs.

Denn das Staatsmonopol an den Produktions- und Lebensbedingungen der ganzen Gesellschaft ist nicht nur das diametrale Gegenteil zum Sozialismus/Communismus in der wissenschaftlichen Bestimmung ab MARX, es ist bereits das diametrale Gegenteil, die fundamentale direkte Negation jeglicher Form von Diktatur des Proletariats, jeglicher Form einer »Regierung der Arbeiterklasse« (MEW 17, 342) (nicht irgendeiner »Arbeiterregierung«!) in der wissenschaftlichen Bestimmung ab Pariser Commune. Dass die Commune noch Staatlichkeit repräsentierte, indem sie diese gerade aufhob, ist ein dialektisch-praktisches Problem für die gesamte Übergangsperiode vom Kapitalismus zur 1. Fase und womöglich noch bis an die 2. Fase des Communismus heran, reicht in diese noch vielleicht sogar hinein (vgl. MEW 19, S.27f).

Das heisst aber nicht im Umkehrschluss, dass auch nur einen Augenblick lang das nochstaatliche, staatsanaloge Moment/Element eines Transformationsregimes zum Communismus (wenn denn überhaupt Transformation der Wirklichkeit, nicht bloß dem ideologischen Anstrich nach stattfindet, was für sich konkret jeweils zu prüfen ist) hinreichender Grund, Beweis und gleichsam Garantie für den Klasseninhalt, den Klassenkarakter als Diktatur des Proletariats wäre, für die Klassenform einer realen Arbeiterregierung, eines Regimes der Arbeiterklasse.

Die bürokratische Despotie eines Staats, einer Partei mit Staatsmonopol wie der KPR (BOLSHEVIKI), mag noch so gigantische Eingriffe in die überlieferten Eigentumsverhältnisse, angeblich »im Interesse der Arbeiterklasse und Werktätigen«, machen (wie die Proletarisierung, z.T. Verschleppung und z.T. Versklavung, Ausrottung, Aushungern usw. der Bauernschaft ... ), sie wird allein dadurch um kein Gran mehr antikapitalistisch werden, solange sie das Monopol - in welcher Form auch immer! - an denselben gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmitteln nicht antastet sondern erhält und erweitert, von denen die gesellschaftlichen Produzenten - das Proletariat - unmittelbar ausgeschlossen bleiben und werden: als Reproduzenten des gesellschaftlichen Reichtums sich selbst gegenüber als fremde, feindliche Macht; als durch diese, vermittels dieser Macht fremdbestimmte, zutiefst und fundamental, radikal, existenziell und permanent in wachsendem Ausmaß, in immer qualvollerer Intensität entfremdete menschliche Arbeit, die in totalster existenzieller Abhängigkeit vom Eigentümer - mag der sich auch täglich und stündlich als Repräsentant, Treuhänder ihrer Klasse ausgeben, das verstärkt und verschlimmert die Entfremdung ja bloß - in Gestalt des staatlichen Monopols abstrakte Arbeitsquanta in Lohnform bei Strafe des Verhungerns bzw. Arbeitslagers abgezwungen bekommen, und zwar als Mehrarbeitssteigerung in Form von Mehrwert als erweiterte Reproduktion von Kapital unter der bürokratisch-managerialen Organisationsform eines kollektiven geschäftsführenden Ausschusses, der nicht nur als ideeller sondern endgültig als reeller Gesamtkapitalist fungiert.

»Also noch Zwangsarbeit zu einem bestimmten Lohn der freien Arbeiter. Sie müssen erst gezwungen werden, zu den vom Kapital gesetzten Bedingungen zu arbeiten. Der Eigentumslose ist mehr geneigt, Vagabund und Räuber und Bettler als Arbeiter zu werden. Dies [, nämlich seine Arbeitskraft frei-willig von sich aus zu Markte zu tragen, nicht »arbeitsscheu« zu sein,] versteht sich erst von selbst in der entwickelten Produktionsweise des Kapitals. In der Vorstufe des Kapitals Staatszwang, um die Eigentumslosen[Masse der übernommenen, bürgerkriegsbedingten usw. Pauperisierten, der perennierenden besprisorniki; das Resultat der »Liquidierung des Kulakentums als Klasse« usw.] in Arbeiter zu verwandeln zu dem Kapital günstigen Bedingungen die hier noch nicht durch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich selbst ihnen aufgezwungen sind.« (Marx: Grundrisse 624)

Von daher war der bedingungslos heroische Einsatz im »Großen Vaterländischen Krieg« auch der klaren Einsicht zu verdanken, dass die deutschen faschistischen Okkupanten zweifellos die schlimmere, hoffnungslosere und schlechthin vernichtende Staatssklaverei über die Bevölkerungen »des Sovjetlandes« bringen würden: das ganze Überlebensnetz um rudimentäre Parzellensubsistenzökonomie, Verwandtschaftsbeziehungen und (die von LENIN schon so verachtete »verfluchte Rückständigkeit« der) »nachbarschaftlichen Hilfe, wie es sie auf dem Lande stets gegeben hat«, eben das träge und zähe, stationäre Nachleben der russischen Obshtshina und »Oblomowerei«, dieser unfassbare Hauptfeind des staatsmonopolkapitalistischen nachholenden Akkumulationsregimes, dieser gigantische passive Widerstand als »Zeitbewusstsein« und stabiles, träge beharrendes Moment mitten in der Teufelsmühle der »höchst prekären Übergangsgesellschaft« wäre durch die deutsche, am extremsten rassistisch-kolonialistische Variante des »Nationalsozialismus«, d.h. kapital-imperialistischen Staatssozialismus, regelrecht als Inbegriff »des Slawentums« radikal ausgerottet worden. (Gerade auf die Stelle des Zeitbewusstseins in der Periode der ursprünglichen Akkumulation bezogen HANS JÜRGEN KRAHL: KONSTITUTION UND KLASSENKAMPF, S.76f:

»In der Phase der ursprünglichen Akkumulation kam es durchaus vor, dass Lohnarbeiter zu arbeiten aufhörten, wenn sie ausreichend verdient hatten, und den Rest des Tages oder der Woche versoffen, verspielten oder verhurten - was durch die Art der Entlohnung möglich war.

Dieses Faktum [in der SU: die »Volkskrankheit« Alkoholismus, der stets beklagte krasse Absentismus, der »Schlendrian« und die »Sabotage« während der Arbeit usw.usf.] zählt zu den subjektiven Bedingungen der Notwendigkeit einer terroristischen ausserökonomischen Zwangsgewalt, wie sie vom absoluten Staat repräsentiert wird (Hobbes) [»Leviathan«. Stalin: national-sozialistischer bürokratisch-kapitalistischer »Behemoth«]. Das heisst: die ökonomische Gewalt war von den Lohnarbeitern noch nicht derart verinnerlicht worden, dass ihnen das Kapitalverhältnis als eine unabänderliche Naturgegebenheit erschien. Durch einen blutigen Expropriationsprozess wurden die Massen in sie hineingezwungen. [»Liquidierung des Kulakentums als Klasse«, Massendeportationen, Archipelagisierung und Denunziationssystem der ganzen gesellschaftlichen Arbeit auf eine generelle schiefe Ebene von der Staatslohnsklaverei in die direkte Staatssklaverei. VICTOR SERGE S.270: (1929/30:) »Binnenpässe mussten eingeführt werden, um gelernte Arbeiter gegen ihren Willen in den Fabriken festzuhalten.«]

Verinnerlichung ökonomischer Gewalt heisst vor allem: die Internalisierung von Arbeitsnormen ins Zeitbewusstsein; das Bewusstsein der Lohnarbeiter über ihre objektive Stellung im Produktionsprozess und damit die Erinnerung an Ausbeutung auszulöschen, die Bildung von Klassenbewusstsein zu verhindern. Die Vernichtung des wie auch immer religiös kanalisierten [»russischer Mystizismus«, Zählebigigkeit der russischen Orthodoxie, Kult um »die russische Seele, Erde« etc.] emanzipatorischen Zeitbewusstseins lässt die Lebenszeit zur Arbeitszeit werden. Darauf beruht also das zentrale Naturgesetz der kapitalistischen Entwicklung.« )

»Die aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt, um den Arbeitslohn zu 'regulieren', d.h. innerhalb der Plusmacherei zusagenden Schranken zu zwängen, um den Arbeitstag zu verlängern und den Arbeiter selbst in normalem Abhängigkeitsgrad zu erhalten. Es ist dies ein wesentliches Moment der sogenannten ursprünglichen Akkumutation.« (MEW 23, 765f)

Bevor und während aber diese staatskapitalistische Konstituierung bis zum Modell STAKHANOV abgeschlossen war, griffen die herrschenden Repräsentanten der (seit der STALINschen, noch von BUKHARIN ausgearbeiteten, SU-Verfassung von 1936 proklamierten) »Gesellschaft ohne Klassenkämpfe« (denn jeglicher Klassenkampf war nun folgerichtig staatsfetischistisch in den Staat »des ganzen Volkes« hineinverlegt, aufgefressen worden bzw. spielte sich nur noch zwischen den Staaten, später Weltlagern ab) verstärkt auf das in reichem Maße, wie schon von LENIN hervorgehoben, Ererbte des alten Russland zurück, den halbasiatischen Despotismus und seine petrinische »Modernisierung«, um die Drohung des Staatsgründers wahrzumachen: wir müssen der russischen Barbarei halt mit barbarischen Mitteln die Kultur und Zivilisation beibringen! Gerade dieses historisch-konkrete »prekäre Übergangs«-Regime zum Einholen und Überholen des westlichen imperialistischen Kapitalismus verfiel auf eine von KARL MARX als eher abseitig eingeschätzte Alternative: »Oder die lebendigen Arbeitsvermögen können auch direkt gemordet werden, z.B. wie von Peter I., um Petersburg zu bauen.« (Grundrisse 426)

Derartiges gehört leider zur Prekarität des »realsozialistischen« Übergangsregimes in der halbasiatischen und asiatischen Prägungsvariante und mag wohl vom Zynismus der Apologeten als auch im Nachhinein unbedingt verteidigenswert dem auf höherem Niveau modernisierenden deutschen National-Sozialismus entgegengehalten werden, weil der für keinerlei »Petersburg«, Weissmeerkanal, Moskauer Metro bzw. irgendein Germania oder Linz, sondern endgültig zum wahnhaften Selbstzweck durchgedreht mordete, welch eine Entlastung für die »immerhin«-Apologeten des »realsozialistischen«, halt ein bissel deformierten Modells! Ach ja, und es drohte doch die ganze Zeit der Krieg, da musste man doch mit allen Mitteln beschleunigen ... Was vom Großen Alibi des absehbaren Angriffskriegs auf die SU (der selbstverständlich drohte, dessen Abwehr selbstverständlich gerecht war, aber ebenso selbstverständlich nicht alles rechtfertigt) in Wirklichkeit zu halten ist, zeigt die STALINsche Präventiv-Enthauptung der Roten Armee (TUKHATSHEVSKI-Säuberungen 1937) bis noch zum Sprengen der eigenen westlichen Befestigungslinie Wochen vor dem deutschen Überfall und dem Fiasko unmittelbar danach (von wegen »Präventivschlagabsichten«, schön wär's gewesen), alles das im glorreichen Rahmen der »weisen, listigen« SU-Aussenpolitik - sagen wir seit dem Ausliefern, ja Abwürgen der Revolution in Spanien ...

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Konkurrenz im Staatskapitalismus ?

Die symptomatische »realsozialistische« Aussenpolitik, deren Wesenszeichen für eine immer wieder fassungslose proletarische und linke Weltaufmerksamkeit ja seit BREST-LITOVSK gerade das im doppelten Wortsinn Verräterische dieser bürgerlichen »sozialistischen Staaten« gewesen ist, soll mir schliesslich doch eine Bemerkung zum für mich noch schwächsten und schwierigsten Punkt der »Staatskapitalismus«-These ermöglichen:

Denn die offene Flanke gegenüber dem Argument, wo denn bitteschön die für jeden Kapitalismus konstitutive Konkurrenz am Werke sei, wenn alles Kapital in einem einzigen Monopol, einem homogenen Staatswesen aufgehoben sei?! vermag ich vorerst nur äusserst notdürftig zu schliessen, aber, wie ich denke, doch damit fürs allererste schon hinreichend.

Fraglos wäre es absurd, die kapitalistische Konkurrenz und ihre zunehmende Geltung auch und gerade unter den Verhältnissen von monopolistischem und staatsmonopolistischem Kapitalismus weg zu eskamotieren. Um nur ein Statement von KARL MARX zu zitieren, wo er zeigt, dass das Kapital in seinem eigenen Wesen, »wie bei der Konkurrenz näher zu entwickeln, sich von sich Repellierendes, viele gänzlich gegeneinander gleichgültige Kapitalien ist. ( ... )

Da der Wert die Grundlage des Kapitals bildet, es also notwendig nur durch Austausch gegen Gegenwert existiert, stößt es sich notwendig von sich selbst ab. Ein Universalkapital, ohne fremde Kapitalien sich gegenüber, mit denen es austauscht - und von dem jetzigen Standpunkt [des Darstellungsgangs im »Kapitel vom Kapital - Zirkulationsprozess. Schranken des Kapitals«] aus hat es nichts sich gegenüber als Lohnarbeit oder sich selbst -, ist daher ein Unding. Die Repulsion der Kapitalien voneinander liegt schon in ihm als realisiertem Tauschwert.« (Grundrisse 323f)

Aber eben dieses wesenhafte Kapitalverhältnis galt es auf dem Territorium »eines Sechstels der Erde« erst allumfassend herzustellen. Dort bestand es, als staatsmonopolisiert in letzter Instanz, eben zunächst erst im Innern der SU als »ein Universalkapital« de facto, nämlich als historisch erstmals mit bolshevikschem Willen und Bewusstsein künstlich hergestellter »reeller Gesamtkapitalist« - mit »nichts sich gegenüber als Lohnarbeit« und allerdings einer unübersehbaren Masse von Klein- und Kleinsteigentümern, ebenso Resultat der »Oktoberrevolution« und des Bürgerkriegs wie die daraus wachsend hervorgehende Lawine des Pauperismus.

Die »NEP-Leute« scheinen mir demgegenüber eine episodische Quantité négligeable gewesen (VICTOR SERGE S.227: »In dieser Hinsicht ist die NEP unbestreitbar eine Niederlage [,nämlich indem sie] nur den parasitären Zwischenhandel florieren lässt.«), in der Tat 1 Defensivschritt zurück, um im Konzentrationsprozess für die Boa Constrictor etwas Luft zu gewinnen, damit sie sich erneut 2 Windungen nach vorne erst richtig um die ganze Gesellschaft zusammenziehen konnte. Dieser reelle Universalkapitalist in Gestalt der Bourgeoisie-als-Bürokratie oder Bürokratie-als-Neuer-Bourgeoisie hatte tatsächlich im Innern der so künstlich selbstgeformten Gesellschaft keine Konkurrenz, aber er hatte erstmals das unumschränkte Aussenhandelsmonopol (Lenins Spruch: »Wir werden alles verkaufen, ausgenommen lkonen und Wodka.« -

1929: »Mitten in der Weltwirtschaftskrise exportierte man, um Gold hereinzubekommen, Lebensmittel zu Schleuderpreisen, während ganz Russland vor Hunger krepierte.« VICTOR SERGE S.251f, 283), und damit trat er eben als Staatsmonopolkapital, das alle Einzelkapitalien in seiner visible hand bündelte, der äusseren monopolkapital-imperialistischen Weltmarktkonkurrenz gegenüber. Das war auch seine einzige Chance, und diese wiederum nur in staatlicher Panzerung: als ausserökonomischer Hebel miteinander verquickter bürgerlicher Wirtschaftspolitik, traditioneller überlegener russischer Geheimdiplomatie, Erpressung, List und Täuschung, Überrumpelung usw. und - der KomIntern. Für dieses irritierende »bürgerlich-zaristische Gemisch«, das fortan als typisch »sovjetisches« Gemisch von »proletarischem Internationalismus« bis Interventionismus einerseits und bürgerlicher Aussen-, Wirtschaftspolitik bis Imperialismus andererseits abwechselnd die proletarischen und nationalen Befreiungsbewegungen wie die bürgerlichen und reaktionären Regierungen der ganzen Welt auszunutzen und in den Sand zu setzen verstand - stehen am prototypischsten die Anfänge zwischen Rapallo und WES (»Westeuropäisches Sekretariat« der KomIntern: gegründet 1919 mit Sitz in Berlin; von ihm aus wurden die ersten Ansätze des 1920 gegründeten M(Militär-) N(Nachrichten-) T(Terror-) -Apparats geschaffen, der »deutschen Tscheka«), also die Beziehungen der SU zu Deutschland, zu den beiden Hauptklassen hier, denn sie waren ökonomisch am ergiebigsten unterm Strich.

Dass die Boa Constrictor darauf aus war, das Schwein am Ende zu verschlingen, das sie auf Kosten allemal der Arbeiterklassen beider Länder (von den »Volksfront«-Geschichten, vom Spanien-Krimi usw. einmal abgesehen) gerade auch rüstungsindustriell hochpäppelte (bis 14.6.1941), wird nur im nachhinein verdeckt durch die Tatsache, dass diese Rechnung so nicht aufgegangen ist, weil das faschistische Schwein sich »überraschend« (fürs STALIN-Regime), »treubrüchig« auf die Boa Constrictor stürzte und das sovjetische Proletariat somit zwang, unter dem weltgeschichtlich ungeheuerlichsten Blutverlust fürs ganze Weltproletariat »das richtige Schwein zu schlachten«. Profitiert hat auch dadurch wieder die Boa Constrictor, wenn auch ökonomisch gesehen mit einem Pyrrhus-Sieg.

Gerade die bis zum ökonomisch-politischen inneren Zusammenbruch getriebene und immer abenteurerischer gesteigerte imperialistische Rolle, die die »realsozialistische« Supermacht mit ihrem »Block«, wiederholt mit Weltkriegsgefahr pokernd, auf neokolonialistische Kanonenbootpolitik und ökonomisch-diplomatische Erpressung, Löffeldiebstähle, SS20-Bedrohung und wo sie konnte Raub und Plünderung fremder Ressourcen ausgehen liess, zeigt die wahre Deformation dieses famosen »Arbeiterstaats«: die längst vollzogene Regression auf das klassische Verhältnis von ökonomischer Produktionsverhältnis-Basis und politischem wie ideologischem Überbau, sprich von Gewalt und Ökonomie, nach der russisch-zaristischen Besonderheit, die schon KARL MARX eindringlich herausanalysiert hat (z.B. in seinen ENTHÜLLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER DIPLOMATIE IM 18. JAHRHUNDERT. FRANKFURT AM MAIN 1980):
Verzerrt, verkehrt, deformiert ist hierbei genau die Proportion und aktiv-tragende Rolle, in der sich der despotische Staat zur Ökonomie der Gesamtgesellschaft bewegt, und dieses Wesenszeichen der asiatisch-russischen Besonderheit finden wir im SU-«Realsozialismus« nur noch hypertrophiert. In dieser historisch-konkreten Form hat sich das Geradesosein der kapitalistischen Konkurrenz die ganze Zeit nach aussen hin realisiert, als Staatsmonopolkapital beständig »repelliert«. Das niedergehaltene SU-Proletariat bezahlte dafür mit einer nie aufgehobenen »Kanonen-statt-Butter«-Politökonomie. Es wurde nahezu totgerüstet, damit der staatliche reelle Universalkapitalist sich im der Weltmarktkonkurrenz imperialistisch immer »fortgeschrittener« - und immer verzweifelter aufs Ganze gehend - hochgerüstet bewegen könne.

Aber im Inneren dieses hermetischen Kapitalmonopols soll es keine Konkurrenz geben? Das wäre in der Tat unmöglich, denn zumindest die beiden Pole Lohnarbeit und Kapital konstituiert sie ja, sobald die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen den Produzent/inn/en durchs Monopol der gesellschaftlich nur anwendbaren Arbeitsmittel vorenthalten sind.

»Solange die bürgerliche Gesellschaft nicht von einem Gesamtkapitalisten geleitet wird, gilt für die Klassenelemente wie für die Klassen insgesamt: sie resultieren aus dem anarchischen Ablauf der gesellschaftlichen Reproduktion, sie entstehen, vergehen und funktionieren nach den Tendenzgesetzen der Konkurrenz«.

stellt MICHAEL MAUKE grundsätzlich in DIE KLASSENTHEORIE VON MARX UND ENGELS, ca. 1966, posthum 1970 FRANKFURT AM MAIN, KÖLN, dieser einzigartig gebliebenen verdienstvollen klassischen Rekonstruktion der wissenschaftlich-revolutionären Klassenanalyse, fest und fügt daran die folgende Überlegung:

»Bereits Engels rechnet damit, dass

'schliesslich der offizielle Repräsentant der kapitalistischen Gesellschaft, der Staat, die Leitung der Produktion übernehmen' muss. Dadurch werde das Kapitalverhältnis nicht aufgehoben, 'es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. Aber auf der Spitze schlägt es um. Das Staatseigentum an den Produktivkraften ist nicht die Lösung des Konflikts, aber es birgt in sich das formelle Mittel der Lösung.' (Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. MEW 19, 221f)

Hilferding entwickelt als die geschichtliche Tendenz des Finanzkapitals die Herstellung eines Generalkartells, 'die bewusst geregelte Gesellschaft in antagonistischer Form' (Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus). Daher bezieht Lenin die Theorie vom Übergang des monopolistischen in den staatsmonopolistischen Kapitalismus.

Horkheimer hat auch einmal darauf insistiert, dass mit dem Staatskapitalismus nicht einfach die objektive Möglichkeit einer sozialistischen Gesellschaft heranreife, sondern an ihrer Stelle und zu ihrer Verhinderung der autoritäre Staat etabliert werde. Seine konsequenteste Form sei der integrale Etatismus oder Staatssozialismus. (Autoritärer Staat. in: Walter Benjamin zum Gedächtnis. Hrsg. vom Institut für Sozialforschung, Los Angeles 1942).

Die Rede vom staatsmonopolistischen oder Staatskapitalismus führt freilich in die Irre, sofern sie unmittelbare Einheit von Staat und Kapital unterstellt. Ein System, das die Konkurrenz der Kapitalien prinzipiell beseitigt, hat den Kapitalismus überschritten. Baran und Sweezy lehnen den Terminus 'staatsmonopolistischer Kapitalismus' ab; erstens weil der Staat schon immer eine wichtige Rolle gespielt, seine Funktionen für die wirtschaftliche Reproduktion zwar bedeutend ausgedehnt, nicht aber qualitativ gewandelt habe; zweitens weil der Terminus den Staat als unabhängige soziale Macht suggeriere (Baran; Sweezy: Monopolkapital - Ein Essay über die amerikanische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. (dt.) Frankfurt am Main 1967, S.72f).« (MICHAEL MAUKE S.76 - Hervorhebungen von mir)

Ich habe wohlweislich die Worte unmittelbare Einheit, unterstellt sowie ... prinzipiell beseitigt ... in diesem Passus hervorgehoben, um auf die Möglichkeit von (denen MAUKE'S im Anschluss an BARAN & SWEEZY) gerade entgegengesetzten Implikationen für eine (nicht »unmittelbare«, aber spezifisch »mittelbare«!) Identität von Kapital und Staat zu kommen. Er selbst schreibt ja doch z.B. dann im Abschnitt über »Aufhebung der Kapitalistenklasse auf kapitalistischer Basis«:

»Das Kapital ist in immer größerem Teil 'nicht Eigentum einzelner Kapitalisten, die ihr Geschäft selbst leiten, sondern von AktiengeselIschaften, deren Betrieb von bezahlten Angestellten geleitet wird, von Dienern, die in jeder Hinsicht die Position höhergestellter, besser bezahlter Arbeiter einnehmen. [...] Die gesellschaftliche Funktion des Kapitalisten ist hier auf besoldete Diener übergegangen ...' (Engels: Notwendige und Überflüssige Gesellschaftsklassen. MEW 19, 288f)

Die hegemoniale Zentralisierung des kapitalistischen Produktionssystems im Kreditkapital, das sich in der speziellen Klasse der Geldkapitalisten verkörpert und diese zugleich durch eine kleine Finanzoligarchie beherrscht, charakterisiert den Übergang zum bürokratisch organisierten Monopolkapitalismus. Marx und Engels prognostizieren diese Entwicklung in ihren entscheidenden Zügen. Sie führt zu einer neuen Epoche des Kapitalismus, die sich grundlegend von der klassischen des Manchestertums abhebt. Das Kreditsystem bildet die Hauptbasis 'zur allmählichen Verwandlung der kapitalistischen Privatunternehmungen in kapitalistische Aktiengesellschaften.' (MEW 25, 456) Mit ihrer Durchsetzung wird die Figur des fungierenden Kapitalisten, des autonomen Fabrikanten, obsolet. Aus einer besonderen Klasse werden jetzt die Geldkapitalisten zunehmend zur Personifikation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, zur Gesamtklasse der Kapitalisten, welche die Aktiengesellschaften kontrolliert. ( ... )

In dieser neuen Phase verschärft sich der Antagonismus: ( ... ) Durch den Kredit erlangen sie [d.h. diese allkontrollierende winzige Gesamtklasse der Kapitalisten] 'innerhalb gewisser Schranken absolute Verfügung über fremdes Kapital und fremdes Eigentum und dadurch über fremde Arbeit. Verfügung über gesellschaftliches, nicht eignes Kapital gibt den Kapitalisten Verfügung über gesellschaftliche Arbeit. Das Kapital, das man wirklich oder in der Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis zum Kreditüberbau ... Das Gelingen und Misslingen führen hier gleichzeitig zur Zentralisation der Kapitale und daher zur Expropriation auf der enormsten Stufenteiter. Die Exprapriation erstreckt sich hier von den unmittelbaren Produzenten auf die kleineren und mittleren Kapitalisten selbst. Diese Expropriation ist der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktionsweise; ihre Durchführung ist ihr Ziel, und zwar in letzter Instanz die Expropriation aller einzelnen von den Produktionsmitteln ... Diese Expropriation stellt sich aber innerhalb des kapitalistischen Systems selbst in gegensätzlicher Gestalt dar, als Aneignung des gesellschaftlichen Eigentums durch wenige. ... In dem Aktienwesen existiert schon Gegensatz gegen die alte Form, worin gesellschaftliches Produktionsmittel aIs individuelles Eigentum erscheint, aber die Verwandlung in die Form der Aktie bleibt selbst noch befangen in den kapitalistischen Schranken; statt daher den Gegensatz zwischen dem Charakter des Reichtums als gesellschaftlichem und als Privateigentum zu überwinden, bildet sie ihn nur in neuer Gestalt aus.' (MEW 25, 455f) Nicht nur die Produktion, sondern auch das Eigentum wird in der neuen Phase vergesellschaftet, als Kollektiveigentum von sowohl unmittelbar als auch mittelbar assoziierten Privateigentümern; als Kapitalverhältnis, das der individuellen Kontrolle entwachsen ist: 'Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst und daher ein [sich] für sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie [= dem ersten Anschein nach] als bloßer Übergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Als solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Erscheinung dar. Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her und fordert daher die Staatseinmischung heraus ... Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums.« (MEW 25, 454)In der modernen Aktiengesellschaft erreicht das

Kapitalverhältnis den Gipfelpunkt seiner Verdinglichung: es personifiziert sich nicht mehr in Gestalt des individuellen Kapitalisten, sondern tritt als 'Person' agierend auf - ganz im Sinne Rathenaus vom 'Unternehmen an sich'. Dieser ökonomische Leviathan Monsieur Le Capital wirkt weiterhin im zugleich kollektiven und partikularen Aneignungs- und Herrschaftsinteresse der Kapitalistenklasse, die das produktive Kapital nunmehr indirekt in seiner realen Abstraktion als Geldkapital kontrolliert, während die unmittelbaren Leistungsfunktionen [sic! Soll wohl heissen: Leitungsfuktionen] mehr und mehr besoldeten Funktionären überlassen werden. In der neuen Phase bestätigt sich am Kapitalismus, was ihn von allen früheren Gesellschaftsformationen unterscheidet:

[- nämlich,] 'dass der Kapitalist nicht in irgendeiner persönlichen Eigenschaft den Arbeiter beherrscht, sondern, dass dies nur [stattfindet,] soweit er >Kapital< ist; seine Herrschaft ist nur die der vergegenständlichten Arbeit über die lebendige, des Produkts des Arbeiters über den Arbeiter selbst.« (MEW 26. 1, S. 366)

Mit der Einstellung lohntätiger Dirigenten verliert der Kapitalist 'alle realen Funktionen' und verschwindet 'als überflüssige Person aus dem Produktionsprozess' (MEW 25, 401); denn die Kapitalfunktion als bloße 'Verwaltungsarbeit' kann ebenso rationalisiert und aufgeteilt werden wie die unmittelbare Produktionsarbeit. [ ... ]

Die angestellten Dirigenten, die an die Stelle der Unternehmer treten, sind, mindestens formell, eine Sorte höherer Lohnarbeiter, die nicht nur die Rationalisierung des Verwertungsprozesses sondern zugleich die erhöhte und wachsende Gesellschaftlichkeit des Produktionsprozesses - als Vergesellschaftung der Leitung - betätigen. In dieser Zwieschlächtigkeit kündigt sich mit den angestellten Dirigenten die Aufhebung des Kapitalverhältnisses überhaupt an.

Die kapitalistisch entwickelten Produktivkräfte drängen 'nach Aufhebung des Widerspruchs, nach ihrer Erlösung von ihrer Eigenschaft als Kapital', nach tatsächlicher Anerkennung ihres Charakters als gesellschaftlicher Produktivkräfte. Es ist dieser Gegendruck der gewaltig anwachsenden Produktivkräfte gegen ihre Kapitaleigenschaft, dieser steigende Zwang zur Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Natur, der die Kapitalistenklasse selbst nötigt, mehr und mehr, soweit dies innerhalb des Kapitalverhältnisses überhaupt möglich, sie als gesellschaftliche Produktivkräfte zu behandeln.' (Engels MEW 19, 220) Dies ist überhaupt nur möglich in der widersprüchlichen Organisationsform der Bürokratie, und die steigende Vergesellschaftung von Produktion und Leitung ist der Motor der Bürokratisierung des Kapitalverhältnisses.

Das Phänomen der industriellen und kommerziellen 'Manager' rangiert nach der Analyse von Marx und Engels bereits ausserhalb des spezifischen Strukturzusammenhangs der Kapitalistenklasse. An dem Entwicklungspunkt des kapitalistischen Produktionssystems, wo die Kapitalfunktionen mehr und mehr durch Angestellte wahrgenommen werden, scheint der Klassenbegriff eine Dimension sozialökonomischer Gegensätzlichkeit zu bezeichnen, die ihn wesentlich ausweitet und zu gleicher Zeit überschreitet. Mit dem Verschwinden des klassischen Kapitalisten tritt das Kapital den Lohntätigen (zu denen grundsätzlich auch die Angestellten und, wenigstens formell, auch die Manager gehören, wo also fast die gesamte Gesellschaft zum Lohnarbeiter geworden ist) - als unmittelbare Macht der Dinge über die Menschen gegenüber, als ein System 'technischer' Sachzwänge von dämonischer Funktionalität. Zwar kann man noch von einer Kapitalistenklasse sprechen; aber das kapitalistische Produktionssystem hat sich in seiner Gesamtheit auch ihnen gegenüber derart verselbständigt, dass es der Gesellschaft als eine ungeheure und unheimliche Maschine entgegentritt, der die Menschen unterworfen sind, anstatt sie zu kontrollieren. Es ist dies der direkte, zugespitzte Gegensatz zwischen der toten (aufgehäuften, vergegenständlichten) Arbeit und der lebendigen Arbeit als letzte Stufe des gesellschaftlichen Antagonismus. Nachdem die Kapitalisten nicht mehr als Unternehmer funktional das Kapital personifizieren, personifiziert sich die Kapitalistenklasse unmittelbar und unsichtbar im Kapital als blind-selbsttätigem Funktionssystem. Mit dieser totalen Verdinglichung der Klassenkategorie wird sie jedoch als spezifisch soziologische Kategorie hinfällig.

'Als caput mortuum [=totes Haupt] des Verwandlungsprozesses der Bourgeoisie ist die oberste industrielle und staatliche Bürokratie übriggeblieben.' (Horkheimer: Autoritärer Staat, S.123)

Mit Helmut Steiner gesprochen 'ist der oberste Manager gegenwärtig der Repräsentant des Kapitals überhaupt in der imperialistischen Gesellschaft.' Er ist dies 'unabhängig vom konkreten Ort seiner Tätigkeit im einzelnen Monopol, in der Regierung, in den Parteien und Verbänden oder Massenkommunikationsmedien...' Er verkörpert 'den Anachronismus der monopolkapitalistischen Aufhebung des Privateigentums ...' (Helmut Steiner: Soziale Strukturveränderungen im modernen Kapitalismus - Zur Klassenanalyse der Angestellten in Westdeutschland. Berlin 1967, S.131f) 'Die Form des staatsmonopolistischen Kapitalismus lässt die wahren Herren, das Finanzkapital, jedoch zunehmend anonym erscheinen und in den Hintergrund treten, während in der Öffentlichkeit ein von ihnen dirigierter Apparat von >höchsten Angestellten< das wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Leben als fiktive Herren in der Gestalt von Generaldirektoren, Ministern, Parlamentariern, Parteiführern, Chefredakteuren, Intendanten, Verbandspräsidenten usw. leitet.' (H.Steiner, S.134)

An die Stelle der ökonomischen Charaktermaske ist die bürokratische Charaktermaske des staatsmonopolistischen Managers getreten.« (MICHAEL MAUKE: DIE KLASSENTHEORIE VON MARX UND ENGELS. S.99-103)

Aus der hervorragenden klassischen Darstellung von MICHAEL MAUKE wurde hier nicht nur deshalb so ausführlich zitiert, weil seine Arbeit ebenso wie die besten Ansätze revolutionärer Theoriebildung und Rekonstruktion des wissenschaftlichen Communismus heute verschüttet und unbekannt gemacht worden ist, so dass nicht nur die linke und gängige linksakademische »Theorie« weit hinter sein Niveau zurückgefallen ist, nein auch die spärlichen Anläufe zu revolutionärer communistischer Wissenschaftsaneignung der Proletarisierten, - sondern weil vor allem seine eigene hier offen dargelegte Widersprüchlichkeit für unser Problem so fruchtbar ist: lesen wir nämlich seine Prämisse, dass es sinnlos sei, von »Staatskapitalismus«, ja sogar von »staatsmonopolistischem Kapitalismus« prinzipiell überhaupt zu sprechen, zusammen mit seiner komprimierten Darlegung der Tendenz des modernsten Kapitalismus zum Monopol und zwar bürokratischen Monopol, Staatsmonopol auf der ganzen Linie, so wird direkt von MARX' und ENGELS' Analyse der Bewegungsgesetze der kapitalistischen Gesellschaft wie von ihren ganz konkreten Prognosen her klar, wohin die Konkurrenz genau diese moderne Gesellschaft treibt: zum vollendeten kapitalistischen Staatsmonopol - und dass das Staatsmonopol die kapitalistische Konkurrenz nicht (d.h.: nicht nur!) ausschliesst sondern beinhaltet, auf die Spitze treibt.

Der dialektische Begriff der dreifachen Aufhebung ist hier allein angebracht, aber eben genau die beginnende, nicht die vollendete Aufhebung - die Immanenz, nicht das Transzendieren des Kapitalverhältnisses, der es bewegenden Konkurrenz bezeichnend! M.MAUKE liefert uns ja hier schon fast geradezu eine Phänomenologie der Staatsbourgeoisie, und lesen wir sie heute nach 30 Jahren, tritt ihre Bewahrheitung und gesteigerte Aktualität erst richtig hervor: gerade die kapitalistische Konkurrenz, das Gesetz vom Ausgleich der Durchschnittsprofitrate und Zentralisation der Kapitale als weitergehender Expropriationsprozess, damit de facto Proletarisierungsprozess und gesellschaftlicher Polarisierungsprozess in zwei große Lager (Gesellschaftsklassen) entlang den charaktermaskierten Funktionen in diesem Prozess - führt zwei anachronistische und dogmatische Meinungen ad absurdum, die für die 12 THESEN ZU 150 JAHRE KP von DANIEL DOCKERILL tragend sind: einmal die Vorstellung, als gäbe es eine Bourgeoisie, deren Zuführung zum verallgemeinerten Arbeitszwang (»Hinausführung zur Arbeit« war übrigens die Sprachregelung im GULag-System für die Durchsetzung der Zwangsarbeit an den Staatssklav/inn/en - ausführlichst geschildert z.B. von der Kommunistin JEWGENIA GINSBURG, in ihren Erinnerungen an diese Hölle des Pseudosozialismus, wo sämtliche dieser Chargen in der bürokratisch-bourgeoisen Hierarchie, die uns am ''sovjetischen'' Staatskapitalismus, seinen spezifischen Formen allseitiger Konkurrenz im Inneren interessieren, konkret Revue passieren - aber sowas einmal zu lesen, davor schützt unsere Apologeten heute immer noch perfekt die Immunisierungsfigur des »Antikommunismus«-Verdachts und die fromme Furcht vor Anfechtung und »Renegatentum«...) - mithin vom angeblich parteigarantierten »gesellschaftlichen« Staatsmonopol verallgemeinerte, »vergesellschaftete« Zwangsarbeit - statt der von MARX postulierten Emanzipation der Arbeit, für welche die Commune, die Diktatur des Proletariats die politischen und ökonomischen Bedingungen durchsetzt - würde angeblich der entscheidende politische Schritt, die fundamentale ökonomische Maßnahme hin zum »Sozialismus« sein.

Das kann und sollte sie historisch weniger denn je sein, da die Kapitalisten als nichtarbeitende Schicht, anders als noch vor 150 oder 100 Jahren, eine sozialökonomische Quantité négligeable geworden sind, die gegenüber der Riesenmasse aus der Lohnarbeit geworfener zunehmend Pauperisierter sowieso nicht mehr ins Gewicht fallen, wobei das Problem allemal nicht mehr irgendeine »Hinführung zur Arbeit« schlechthin ist (- hier spukt doch lediglich der unbewusste Faible für Arbeitsheere, Zwangsarbeit schlechthin, auf links: nämlich TROTSKI's Lieblingsidee von der »Militarisierung der Arbeit«, denn wie soll eine solche anachronistische Schnapsidee ehrlich gesagt gegenwärtig anders zu erklären sein als durch Reminiszenzen an den zur Zeit noch einmal spukenden klassischen Schöpfer-in-spe einer internationalistisch-militaristischen »Kampfpartei« als Generalstab für die zu schaffenden roten Arbeiterarmeen? ein Aufwärmen zur Siedehitze jenes glorreichen »Arbeiterstaats«, der vor lauter »Deformation« keiner war, aber trotz alledem einer bleiben soll: als Mythos in Permanenz? Diese fiebrige Wunschfantasie ist wahrlich der spiegelverkehrten Absurdität von der ªAbschaffung der Arbeit« ebenbürtig, die sich dieser Tage mit dem gleichartigen plattmacherischen und ideologisch- erpresserischen Gestus des weltaufrollenden Furors wichtig macht.

Ein »Manifest gegen die Arbeit« oder »Thesen für die gesellschaftliche Verallgemeinerung des Arbeitszwangs« - welch gerechter Äquivalententausch, welch dubiose Alternative. So schnell rächt sich die Verständnislosigkeit gegen die MARXsche »Arbeitsontologie« an ihren Verächtern ... ). Vielmehr gilt es sofort mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats, d.h. mit dem Umsturz zum Beginn der communistischen Revolution, die ersten alles entscheidenden Schritte zu machen zur Eindämmung, zum Zurückdrängen der in der Lohnarbeit noch immer intensiv und extensiv auf die Produktion von Waren verwandten lebendigen Arbeit aufs Reich der Notwendigkeit, d.h. aufs permanent optimierte Minimum menschlicher Arbeitsverausgabung zur Produktion nützlicher und schöner, bedürfnisbefriedigender Gebrauchswerte; eine Minimierung und zugleich Optimierung der notwendigen gesellschaftlichen Arbeit zwecks Eroberung des Reichs der Freiheit, sprich: disponibler Zeit für die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums und seiner produktiv-kreativen Power.

Wozu werden da überhaupt noch irgendwelche kläglichen Überbleibsel der gestürzten Kapitalistenklasse gebraucht?! Sollen sie doch machen was sie lustig sind. Denn bis hierher galt: »Die gesellschaftliche Aneignung der Zeit, die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, entwickeln sich in einer in Klassen geteilten Gesellschaft. Die Macht, die sich über der Knappheit der Gesellschaft der zyklischen Arbeit gebildet hat, die Klasse, die diese gesellschaftliche Arbeit organisiert und sich deren begrenzten Mehrwert aneignet, eignet sich ebenso den zeitlichen Mehrwert ihrer Organisation der gesellschaftlichen Zeit an: sie besitzt für sich allein die irreversible Zeit des Lebendigen. ( ... ) Die Bourgeoisie ist mit der zum ersten Mal vom Zyklischen befreiten Zeit der Arbeit verknüpft. Die Arbeit ist mit der Bourgeoisie zur Arbeit geworden, die die geschichtlichen Bedingungen verändert. Die Bourgeoisie ist die erste herrschende Klasse, für die die Arbeit ein Wert ist. Und die Bourgeoisie, die jedes Privileg abschafft und nur den Wert anerkennt, der aus der Ausbeutung der Arbeit entspringt, hat gerade mit der Arbeit ihren Wert als herrschende Klasse identisch gesetzt und macht den Fortschritt der Arbeit zu ihrem eigenen Fortschritt. ( ... ) So machte die Bourgeoisie die Gesellschaft mit einer irreversiblen geschichtlichen Zeit bekannt und zwang sie ihr auf, verweigert ihr aber deren Gebrauch.

'Somit hat es eine Geschichte gegeben, aber es gibt keine mehr', weil die Klasse der Besitzer der Wirtschaft, die nicht mit der Wirtschaftsgeschichte brechen kann, auch jede andere irreversible Verwendung der Zeit als eine unmittelbare Bedrohung verdrängen muss. Die herrschende Klasse, die aus Spezialisten des Besitzes der Dinge besteht, die dadurch selbst ein Besitz der Dinge sind, muss ihr Schicksal mit der Aufrechterhaltung dieser verdinglichten Geschichte verknüpfen, mit der Permanenz einer neuen Unbeweglichkeit in der Geschichte.

Zum ersten Mal ist der Arbeiter, der an der Basis der Gesellschaft steht, der Geschichte nicht materiell fremd, denn irreversibel bewegt sich jetzt die Basis der Gesellschaft. In der Forderung, die geschichtliche Zeit, die es macht, zu erleben, findet das Proletariat das einfache, unvergessliche Zentrum seines revolutionären Projektes; und jeder der bis heute zerschlagenen Versuche, dieses Projekt durchzuführen, kennzeichnet einen möglichen Ausgangspunkt des geschichtlichen neuen Lebens. (...) Um die Arbeiter zu dem Stand 'freier' Produzenten und Konsumenten von Zeit als Ware hinzuführen, war die Vorbedingung die gewaltsame Enteignung ihrer Zeit. ( ... ) In dieser räumlichen Entfremdung trennt die Gesellschaft das Subjekt an der Wurzel von der Tätigkeit, die sie ihm raubt, zunächst aber von seiner eigenen Zeit. Die überwindbare gesellschaftliche Entfremdung ist gerade diejenige, die die Möglichkeiten und die Risiken der lebendigen Entäusserung in der Zeit verwehrt und versteinert hat. ( ... ) Die natürliche Grundlage der Zeit, die sinnliche Gegebenheit des Verfliessens der Zeit, wird menschlich und gesellschaftlich, indem sie für den Menschen existiert. Der bornierte Stand der menschlichen Praxis, die Arbeit in ihren verschiedenen Stadien, hat bis heute die Zeit als zyklische Zeit und aIs irreversible getrennte Zeit der Wirtschaftsproduktion vermenschlicht und auch entmenscht. Das revolutionäre Projekt einer klassenlosen Gesellschaft, eines verallgemeinerten geschichtlichen Lebens, ist das Projekt eines Absterbens des gesellschaftlichen Zeitmaßes zugunsten eines ludistischen [= spiel-orientierten] Modells irreversibler Zeit der Individuen und Gruppen, eines Modells, in dem gleichzeitig verbündete unabhängige Zeiten vorhanden sind. Es ist das Programm einer totalen Verwirklichung des Communismus ( ... ) Die Welt besitzt schon den Traum von einer Zeit, von der sie jetzt das Bewusstsein besitzen muss, um sie wirklich zu erleben.« (GUY DEBORD: DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS. aus den Kapiteln 5 und 6)

Jetzt, heute aber so zu tun, als lebten wir im 19.Jahrhundert oder im vor- oder nach-LENINschen Russland, im China der 1950er ... Jahre oder sonstwo, wo die kapitalistischen und vorkapitalistischen Drohnen endlich auch zum Mitarbeiten gezwungen werden müssten, damit wir Arbeitsbienen alle mehr zu essen und uns zu kleiden haben .... hiesse weissgott dem bornierten Charakter der bisherigen historisch überwundenen Formen der Arbeit verhaftet bleiben, es hiesse, den Akzent der Übergangsperiode historisch-konkret genau auf den falschen Pol der Dialektik von Qualität und Quantität setzen: ist doch jedem Kind inzwischen klar, dass es beim heutigen Stand der menschlichen und sachlichen Produktivkräfte ankommt auf die Qualität, nicht auf die Masse fleißiger Arbeiterhände. Die Emanzipation der Arbeit ist mehr denn je und sprunghaft nur auf der Basis der Befreiung von aller Zwangs- und Lohnarbeit, ja tendenziell sogar von jeglicher travail répulsif schlechthin erreichbar und anzustreben - schimmert doch der Übergang zu tendenziell spielerischen Formen zweckgerichter Produktionstätigkeit, zur realen massenhaften Möglichkeit des travail attractif, schon längst in den forcierten Kooperations-, Kommunikations- und Kreativitätsformen, unter der verlogenen Bilder-Hülle der immer noch sinnlos-wirklichen allgemeinen Arbeitsqual wie dem wachsenden Arbeits- und Lebens-Entzug der kapitalistischen Surpluspopulation täglich schmerzhafter und aufreizender durch (etwa blind-treffend zusammengefasst in dem Ausdruck »Freizeitindustrie«) ...

Demgegenüber auf die prekären Übergangsregimes der einstigen Irrealsozialismen zu Zwangsarbeitslagersystemen einer staatsmonopolistischen nachholenden Akkumulation zu verweisen mit der göttlichen Devise »Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen!«, steht Nostalgiesekten à la RIM besser an und allerlei TROTSKI- bzw. STALIN-Verehrern, die miteinander im tapferen Tageskampf »gegen die Strömung« des verfluchten arbeitsplätzevernichtenden Kapitalismus wettstreiten.

Die zweite tragende These, die aus der törichten deterministischen Betonung der Kontinuität statt der radikalen Diskontinuität, aus der Fehldeutung von der Revolution (»Epoche«) als »Vollendung« der bürgerlichen, entspringt und deshalb an der Bourgeoisie klebt, die es gleichsam beim Wort zu nehmen, an ihrem historischen Arbeitsdurchsetzungsauftrag zu messen und zu richten gilt, an ihrem Klassenmonopol usw. usf., diese These verliert durch den Rekurs von MICHAEL MAUKE auf den wissenschaftlichen Tendenzaufweis der reifen kapitalistischen Sozioökonomie durch MARX und ENGELS ihre scheinbare Substanz: das Monopol des Kapitalismus würde durch seine bewusste Vollendung als perfektes Staatsmonopol qua »KP« im »Realsozialismus« (bei DANIEL DOCKERILL NB tatsächlich stur immer ohne Anführungszeichen, obwohl er vorgeblich ja nicht von Sozialismus sondern von Übergangsgesellschaft bzw. -regime, »-periode«, spricht!) glatt zum Agens und zur Verkörperung der wirklichen Vergesellschaftung: gerade als Staats-, als Parteimonopol über sämtliche gesellschaftlichen Produktions- und Lebensbedingungen. Dass man dieses staatskapitalistische X den Leuten nur damit für ein »realsozialistisches« U vormachen kann, dass man besagte »KP«, ohne ein Wort über sie zu verlieren, stillschweigend mit den angeblich von ihr staatlich Repräsentierten, sprich dem Proletariat und der ganzen Gesellschaft, gleichsetzt, haben wir anfangs ans Licht gezogen.

M.MAUKE führt nun säuberlich vor Augen - und zwar gegen seine eigene anfängliche Prämisse - dass und wie die Herausbildung eines gesetzmäßig sich perfektionierenden bürokratischen Kapitalismus mit dem zunehmend totalitären Monopol einer homogenen winzigen Funktionärsführungsklasse, einer kapitalistischen Herrschaftsoligarchie, zugleich die diffuse herkömmliche freie Konkurrenz-Bourgeoisie abschafft bzw. zum Rentiers-Schattendasein in den Kulissen verurteilt, sich selbst personell der Tendenz nach eingeschlossen, - und zugleich den Widerspruch auf die Spitze treibt, immer reiner vergesellschaftete, gesamtgesellschaftliche Produktion und sogar Aneignung zu werden wie doch kapitalistische, d.h. konkurrenzgetriebene, nach dem Wertgesetz und zum Zwecke des Maximalprofits produzierende Gesellschaftsform zu bleiben.

Mitnichten bedeutet die höchste Entwicklung von Monopol, Staatsintervention, Planwirtschaft und Bürokratie, sei sie auch noch so »vollendet«, dem realen Klasseninhalt nach, dem realen Bewegungsgesetz nach schon »Realsozialismus« oder überhaupt den Übergang zu diesem, kurz: irgendetwas »Postkapitalistisches«, selbst wenn die schönste und stärkste »KP« die Spitze dieser staatsmonopolistischen »Vollendung« ziert und führt: kann doch realer Übergang zu bewusster und perfekter, also communistischer Gesellschaftlichkeit der Produktion erst da beginnen, wo die Produzierenden selber - als Assoziation von Communen und als Commune der selbstbestimmt Assoziierten - die gesellschaftliche Planung, Arbeitszeitrechnung und Verteilung der Produktionsmittel und Produkte in der Hand haben, transparent machen und unmittelbar auf höchster gesellschaftlicher Stufenleiter - d.h. ohne Dazwischenkunft von »Mittler«-Instanzen und »Regulatoren« wie Warentausch/Wertform, »Marktmechanismen« und Staat, also Bürokratie - für sich vorab und permanent regeln, vollziehen und verwalten.

Jegliche »KP«, die sich ab staatszerschlagendem Umsturz, ab Beginn der revolutionären, antistaatlichen Diktatur des Proletariats, mit der Abschaffung jeglichen Monopols nicht so rasch wie möglich selbst aufhebt, überflüssig zu machen versteht, ist in dieser permanenten Revolution in Richtung auf Communismus nur ein weiteres Hindernis. Eines kann sie schon garnicht sein: Garantin für das Gelingen dieses Übergangs, Ersatzinstanz für die revolutionäre Diktatur des Proletariats. Sie wäre - und ist genau dies in den lrrealsozialismen dieses Jahrhunderts gewesen - als Parteistaatspartei und Staatsparteistaat nichts anderes als selber der Apparat der managerialen und bürokratischen Exekution »dämonischer Funktionalität« der unmittelbaren Macht der Dinge über die Menschen, worin sich das kapitalistische, auf Auspressung unbezahlter Mehrarbeit aus den Lohnarbeiter/inne/n ausgerichtete System »technischer« Sachzwänge in seiner Gesamtheit sogar auch seinen höchsten Funktionären gegenüber »derart verselbständigt, dass es der Gesellschaft als eine ungeheure und unheimliche Maschine entgegentritt, der die Menschen unterworfen sind, anstatt sie zu kontrollieren«, wie MICHAEL MAUKE es ausdrückt.

Lesen wir die Skizze von MICHAEL MAUKE einmal so, dass wir in Vorwegnahme des nächsten Resultats seiner von ihm selbst dort zusammengefassten Tendenz einfach die Termini für »Finanzkapital« bzw. Finanzoligarchie und sogar schon »Staatsmonopolismus« und »kapitalistische Bürokratie« ersetzen durch das Wort »Staatssozialismus« oder »realsozialistische« Oligarchie. Dann haben wir genau die wesentlichen Züge des Monopols vor Augen, die DANIEL DOCKERILL uns als »Realsozialismus« ohne Anführungszeichen nachträglich verteidigen lassen will, indem er diese Stufe der staatsmonopolistischen Vollendung einerseits als erste, reale Überwindung des Kapitalismus, andererseits aber zugleich als äusserst prekäre historische Form der Übergangsperiode (sprich: der revolutionären Diktatur des Proletariats) hinzustellen versucht.

An dieser doppelt apologetischen Figur eines zum Präsozialismus mythisierten staatsmonopolistischen Kapitalismus besonderen, im 20.Jh. neuen Typs ist der wahre Kern die historisch-konkrete besondere Prekarität sowie die ihr entsprungene mythisch-täuschende Ideologie von der »so nun mal der Notwendigkeit, der Prekarität geschuldeten« Realität des Sozialismus oder wenigstens dem prekären Übergang zu diesem, mithin durchaus auch der idealistische Heroismus der Illusion, der sich im Glauben an den vermeintlichen »Aufbau des Sozialismus« wirkmächtig niederschlug. Die Lügenaura dieses Mythos aber, die der wissenschaftliche Communismus gerade zu zerstören hätte, um den Wahrheitskern des Mythos herauszusprengen, dieser Täuschungsschleier ist das Wort von der »Vollendung« der bürgerlichen Epoche in dieser Form - als Rede vom angeblichen Transzendieren des Kapital/Lohnarbeit-Antagonismus, als Suggerieren der bewusst vollzogenen Aufhebung des Staatsmonopols, des von LENIN selbst als Staatskapitalismus bezeichneten bürgerlich-vorbürgerlich-proletarischen Mischgebildes durch sich selbst am eigenen Schopf, als erschlichener Übergang qua leninistischer »KP« und staatsparteistaatlichem, antisovjetischem Monopol.

Apologetisch verdeckt wird durch diese Remythisierungsoperation, was jedermann/frau/kind im 20.Jahrhundert erfahren konnte, (nichtbegrifflich, vorbewusst, anschauungsgemäß) heute weiss und höchstens noch verdrängen, umlügen kann: jenes »realsozialistische« System war wirklich sinnlich-evident eine äusserst prekäre Gesellschaftlichkeit der menschlichen Entfremdung und Selbstentfremdungen zugleich vorkapitalistischer und kapitalistischer Eigenart, »der direkte, zugespitzte Gegensatz zwischen der toten (aufgehäuften, vergegenständlichten) und der lebendigen Arbeit als letzte Stufe des gesellschaftlichen Antagonismus.« Nicht die erste Stufe der bewussten gesellschaftlichen Aufhebung dieser antagonistischen Produktionsweise kann dieses perfektionierte Staatsmonopol je sein, sondern nur erst die Kulmination des kapitalistischen Expropriationsprozesses zur staatssozialistischen Etablierung der »Kommandohöhen« des Gesamtprozesses der kapitalistischen Produktion: »Nachdem die Kapitalisten nicht mehr als Unternehmer funktionell das Kapital personifizieren, personifiziert sich die Kapitalistenklasse unmittelbar und unsichtbar im Kapital als blind-selbsttätigem Funktionssystem« (M.MAUKE).

Die Prekarität der alleingelassenen russischen Revolution-ohne-Permanenz bestand genau in der vorkapitalistischen Erblast der »halbasiatischen Despotie« (KARL MARX), nämlich politischen Autokratie und ökonomischen Staatssklaverei einerseits (System des »Zarismus«), der hochkonzentrierten staatsmonopolkapitalistischen Entwicklung auf Basis einiger Industriezentren des Russischen Reiches (Finanzoligarchie und organisiertes Proletariat) andererseits, kurz: im spezifisch »unegalen Verhältnis« (KARL MARX) dieses bürgerlich-zaristischen Gemischs. Die eingestandenermaßen nachholende (den entwickelten »Kapitalismus ein- und überholen!« -sollende) »sozialistische ursprüngliche« Akkumulation unterm »Sovjet«-Regime der KPdSU (BOLSHEVIKI) beruhte auf der besonderen Kombination von vormoderner Autokratie (Partei/Führer) und Staatssklaverei (Zwangsarbeitslagersystem) mit hochmodernem staatsmonopolistischem Kapitalismus (»vom Deutschen lernen!« /Modell Deutsche Post/ »sozialistischer« Taylorismus /Stakhanovismus/ »die Kader entscheiden alles«, »die Technik ist entscheidend« etc.).

Freilich war und blieb dieses »realsozialistische« Übergangsregime prekär, weil es einen Übergang vom rückständigen Zustand der ökonomisch-sozial-politischen und kulturellen halbasiatischen Provenienz »aus dem blutigen Sumpfe mongolischer Barbarei« (KARL MARX), petrinisch aufgepfropfter künstlich forcierter staatlich-kapitalistischer Entwicklung hinüber zur Fortschrittlichkeit der restlosen Expropriation der Bevölkerung und radikalsten Proletarisierung im Zuge der staatlichen Zentralisation des Kapitals vollbrachte: den Übergang zur formellen und reellen Subsumtion der ganzen Gesellschaft, der gesamten gesellschaftlichen Arbeitsvermögen unters Kapital in Gestalt des akkumulierenden Staats. Dass dieser prekäre, weil ebenso isolierte wie sozial halsbrecherische Übergang (denn die scheinbar so irrationalen, paranoiden »Säuberungen« in Permanenz folgten einer Realangst vor der sozialen Revolution, vor der Wiederkehr einer »Dritten Revolution«, wie sie mit dem KRONSTÄDTER SOVJET gerade noch einmal hatte abgewürgt werden können, gewiss auch vor dem Gespenst einer proletarischen Wiederauferstehung, communistischen Erneuerung der echten alten BOLSHEVIKI ... ) mit den heroischen Illusionen und klassischen Ideen von einem »sozialistischen Aufbau«, vom alles entscheidenden (im Doppelsinn! teste Spanischer Revolutionskrieg etc.) Beitrag zur kommunistischen Weltrevolution beladen war, gehört zur ideologischen Draperie aller welthistorischen Revolutionstragödien und hat für uns Gegenstand wissenschaftlicher Desillusionierung, revolutionärer grausam-gründlicher Selbstkritik zu sein statt jakobinistischer bürgerlich-mythologischer Überhöhung im Nachhinein. 

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