6 Thesen zur krisenhaften Entwicklung der kapitalistischen Agrikultur und zu einigen Problemstellungen ihrer kommunistischen Aufhebung (Fortsetzung)

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5. Privat geplante »Marktwirtschaft« oder gesellschaftlich geplante Produktionsweise?

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Zur privat geplanten »Marktwirtschaft«

Frühjahr 2001:

{ Intro / These 1 / These 2 / These 3 / These 4 / These 5 / These 6 }

Es ist angekündigt (Stand 15.2.01), zur Stützung der Rindfleischpreise westeuropaweit 1,6 Millionen Rinder staatlicherseits aufzukaufen und vom westeuropäischen »Markt« fernzuhalten. Die Rindfleischpreise sind zum damaligen Zeitpunkt  europaweit nicht gesunken, vielmehr haben sie angezogen wegen der Erhöhung des Kostpreises durch brachliegende Maschinerie (=fixes Kapital) der Fleischindustrie. Ginge es nach den Gesetzen des »freien Marktes«, dann würde das Rinderüberangebot der BSE-Hysterie den Rindfleischpreis bei Halbierung der Verbrauchernachfrage abstürzen lassen. Was einer sozialen Tat gleichkommen würde, da dies historisch erstmals Rindfleisch satt für die große Masse der Bevölkerung Westeuropas zur Folge hätte. Zugleich riefe dies jedoch »soziale« Verwerfungen hervor durch den massenhaften Ruin kapitalschwacher Milchbauern und Lohnmäster sowie des übrig gebliebenen kleinen Metzgergewerbes. Die europäische Milchproduktion als ökonomische & biologische Grundlage der Rinderproduktion würde in der Folge drastisch reduziert und somit die Fleischproduktion. Was die Exportstellung und den laufenden Konzentrationsprozeß der im westeuropäischen Ernährungsgewerbe fungierenden großen Einzelkapitale beeinträchtigen würde mit einhergehender »Vernichtung von Arbeitsplätzen«.

Die  4/2001 angekündigte Agrarwende suggeriert politische Akzentverschiebungen in Deutsch-€-land. EIN JAHR später (6/2002) lässt sich festhalten: der Rindfleischverzehr hat fast den alten Level erreicht, genauso wie die Rindfleischpreise; im Gegensatz hierzu sind die Preise für Schlachtvieh weiter im Keller und das Höfesterben geht  weiter (gerade auch mit der angekündigten Begrenzung der Subventionen); ab und zu werden neue BSE-Fälle gemeldet und Frau Künast Ankündigungen stellen sich als billige Phrasen heraus. 

Dass der »Weltagrarmarkt« mit Marktwirtschaft noch nie etwas tun hatte, dokumentieren die seit 200 Jahren vom Klassenkampf diktierten Schreibschlachten der Journaille. Die auf billiges Brot für ihre Lohnsklaven bedachten Industriekapitalisten führten diesen Kampf im 19.Jahrhundert gegen die aristokratischen & junkerlichen großen Grundeigentümer: `Gegen protektionistische »Korngesetze«, für Freihandel´ war Inhalt ihrer Forderungen. Kettensägen Stihl sammelte noch Ende der 1980er Jahre unter seinen Malochern Unterschriften für die Forderung nach Senkung der europäischen Agrarpreise auf Weltmarktniveau. Gerade die protektionistische europäische Agrarmarktordnung mit politischer Stützung der Preise der wichtigsten Agrarprodukte samt deren Exportsubvention und Importquoten für Agrarprodukte aus Drittländern (»Bananenkrieg« z.B.) – gerade sie ist seit über 40 Jahren das Paradebeispiel, um das Geschwätz von der Marktwirtschaft als Phrase zu denunzieren. Sie ist strategische Fortsetzung dessen, was die europäischen imperialen Weltkriege den imperialen Staaten z.B. als »Reichsnährstandsverordnung« an Planungsmechanismen an die Hand gaben.

In den Phasen des damaligen Umschlagens vom Frieden zum Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln stand die Absicherung der nationalen Nahrungsmittelbasis im Vordergrund. Für diese Zeit kommt die mit der Kapitalakkumulation einhergehende ständige Vernichtung des freien Bauerntums in Europa zum Stillstand, um sich spätestens nach 1960 zu beschleunigen, gefaßt in dem naturalistischen zynischen Bild des »Wachsen oder Weichens«. Diese historische Tendenz der Trennung der unmittelbaren agraischen Produzenten von ihrem Produktionsmittel, dem Grund und Boden, durch dessen steigende Konzentration als kapitalistisches Grundeigentum in immer weniger Händen wird durch ein Bündel politischer Maßnahmen der EU-Kommission »sozialverträglich« flankiert. 

Die kapitalistische Warenproduktion hat das Stadium der Marktwirtschaft im Grunde seit dem Mittelalter (»Marktflecken«) nach und nach überwunden und organisiert sich als gesamt-gesellschaftlicher (=globaler) Produktionsprozeß. Nach und nach haben die industriellen Kapitalisten den gesellschaftlichen Charakter der q Arbeit heraus getrieben, indem sie die privaten unabhängig von einander vereinzelt produzierenden Bauern und Handwerker niederkonkurrierten und stattdessen die unmittelbaren Produzenten zur arbeitsteilig gegliederten Kooperation im Fabriksystem zusammenführten. Inzwischen steht das private Klasseneigentum an diesen gesellschaftlichen Produktionsmitteln, an Arbeitsprodukt & -bedingungen und dem entsprechendem privaten Kommando über fremde Arbeit  zu dieser mächtigen gesellschaftlichen Potenz im hemmenden und zerstörerischen, geschichtlich überholten Gegensatz. Die kontinuierliche – privat-kapitalistisch GEPLANTE (!) – Produktion auf hoher steigender Stufenleiter ist ihrer materiellen Grundlage – der Maschinerie – geschuldet und verlangt nach zügigem Verkauf der mit Mehrwert geschwängerten Waren, um die Produktion von Profit weiter am Laufen zu halten. Der notwendige stetige Abfluß der Waren der modernen Industrie hat die frühere Produktion von Massenwaren auf Halde abgelöst. Der industrielle Kapitalist trägt sie nicht mehr auf einen Markt, um abzuwarten, wie viel er verkaufen kann, um dann den Rest wieder aufs Vorratslager zu bringen. – Diesem unausrottbaren Bild in unseren Hirnen entsprechen in den Metropolen höchstens noch Randerscheinungen wie Wochen-, Trödel-, Sammler-, Weihnachtsmärkte.

Vorherrschend produziert die große Industrie nach exakten, konzern- & just-in-time die Zulieferketten umfassenden Plänen termingebunden auf Bestellung. Dieser Tendenz kann sich auch die landwirtschaftliche Urproduktion in Europa kaum noch entziehen. Indiz sind die Einführung von Warenterminbörsen – wie jetzt z.B. in Hannover – mit denjenigen Agrarprodukten, die nicht der EU-Interventionspolitik unterliegen, wie Schweinehälften und Kartoffeln. Der Terminhandel der Chikagoer-Terminbörse mit Agrarrohstoffen zeigt uns im Spiegel unsere eigene europäische Zukunft – falls das Proletariat weiterhin seine emanzipierende Revolution versäumt.

Inzwischen werden die Produktionsmittel – Abteilung I des gesellschaftlichen Gesamtprodukts (siehe These 1) – durchgängig auf Bestellung produziert. Dies sind die Investitionsgüter & Vorprodukte & Grundstoffe für die Fortführung der Produktion. Abteilung II, die Konsumgüter, also die Artikel des uns zugewiesenen »Warenkorbs«, werden heute ebenfalls meist auf Bestellung produziert, da die Lohnsklaven als Gewohnheitstiere der Regel nach ihre jeweiligen Handels- &  »Marken«artikel einkaufen. Bestellt werden sie von den großen Einzelkapitalen des Warenhandels. Der Kapitalismus hat also seine einzelkapitalistische rigorose Planwirtschaft heraus getrieben und seine Ideologen behaupten frech, dass dies für die gesamtgesellschaftliche Produktionsplanung unmöglich sei.

Wenn von der Marktmacht des hoch konzentrierten Einzelhandels gesprochen wird, so ist diese »Macht« ausschließlich die Folge davon, dass die großen Handelsketten im Weltmaßstab zentral bei der Industrie hohe Stückzahlen jeder Warensorte termingebunden ordern. Der Verkauf von Massenartikeln,  der tagtägliche Warenstrom, wird nach dem Gesetz der großen Zahlen statistisch erfaßt und die zukünftige Warenbeschaffung dadurch abgesichert. Somit wird die kontinuierliche Produktion z.B. des Ernährungsgewerbes erst möglich. Jedes dort agierende Einzelkapital kalkuliert fortlaufend mit seinem »Marktanteil« und versucht ihn durch Aufkauf von Konkurrenten zu erhöhen, um als global player Extraprofite einzustreichen und Geschäftsfelder mit unterdurchschnittlichem Profit abzustoßen.

Also reduziert sich die »Macht« der großen Handelskonzerne schlicht auf die allgemeine kapitalistische ökonomische Regel: Sonderrabatte für Großkunden. Dass also derjenige, der die größte Stückzahl eines Artikels bestellt, den günstigsten Einkaufspreis erzielt und somit als Einzelhändler seine Konkurrenten unterbieten kann. Welche Einzelkapitale des Ernäh-rungsgewerbes können solch niedrige Verkaufspreise überhaupt verkraften? Nur die hoch konzentrieren Einzelkapitale des Ernährungsgewerbes, die solchen Massenausstoß von Artikeln zustande bringen. Und durch die hohe Auslastung ihrer Produktionskapazität so niedrige Kostpreise  haben, dass sie trotz Preisnachlaß vom momentanen Marktpreis über dem Durchschnittsprofit liegen. Dementsprechend ist der Konzentrationsdruck vor allem im Molkerei- & Fleischsektor aber ebenso im gesamten Ernährungssektor immens und zwar als nachholende Bewegung im Vergleich zu den anderen schwergewichtigen Produktionszweigen (siehe die jeweiligen Firmenanzahlen der Tabelle in These 1).

Der Konzentrationsprozeß des Kapitals im Warenhandel (mit Nahrungsmitteln) ist als isoliertes Phänomen nicht zu begreifen. Er ist wechselbedingt mit dem steigenden Konzentrationsgrad der produktiven Kapitale (im Ernährungsgewerbe). Die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit treibt den Ausstoß industriell gefertigter Waren auf wachsender Stufenleiter. Dieser Massenausstoß von Waren verbilligt seinerseits Absatzwege über Handelsorganisationen, die solche Massen überhaupt losschlagen können. Dies senkt die Zirkulationskosten der industriellen Einzelkapitale. Es handelt sich nicht mehr um eine naturwüchsige Form von Maschinerie kleiner zersplitterter privater Produzenten, deren Produkte über Hausierer und kleine Krämer zum Endverbraucher finden. Vielmehr reproduziert sich das Kapital mittels einer zusammenhängenden gesellschaftlichen Gesamtmaschinerie, deren Betriebsstandorte von einer stetig abnehmenden Anzahl Einzelkapitale zentralisiert geplant werden. Wobei die Eigentümer dieser Fabriken derzeit nach der Regel wechseln, dass die Standorte sich entlang jeweiliger Kernaktivitäten der weltumspannenden großen Einzelkapitale beschleunigt konzentrieren.    

Die Akteure des Ernährungsgewerbes wiederum »drücken« nicht mit ihrer »Marktmacht« den Preis der in der Landwirtschaft produzierten Rohstoffe, z.B. des Fleisches, das als Angebot auf den »Markt« kommt. Umgekehrt: sie stoßen auf ein Überangebot von lebendem Schlachtvieh von Kleinproduzenten. Dies, weil alle übrig gebliebenen Milchkuhhalter seit 20 Jahren zeitgleich ihren Kuhbestand aufstocken und den Futtermitteleinsatz erhöhen, um die Kosten pro erzeugtem Liter Milch über die Mengenausweitung zu senken. Da die Milchperiode hormonell ans Gebären von Kälbern geknüpft ist, ist die Milchproduktion gekoppelt mit der Erzeugung weiblicher Nachzucht von Milchkühen und männlichen Kälbern zur Kälber- und Bullenmast oder zur unmittelbaren Vernichtung in großem Umfang. Den Tierproduzenten bleibt – wie jedem anderen industriellen Einzelkapital – nichts übrig, als über gesteigerte Massenproduktion zum Profit zu kommen. Daher der prophylaktische und Wachstum beschleunigende Einsatz von Medikamenten in der Tierproduktion zur Verkürzung der Mastzeit und somit Verkürzung der Umschlagszeit des eingesetzten Kapitals. Gestützt auf die staatlich geduldete  mafiöse Unterlage des weiß-westigen Kapitals liegt es in einer rechtlichen Grauzone, zu Mitteln der Tiermedizin zu greifen, deren Abbauprodukte über die Milch und das Fleisch in den menschlichen Körper gelangen und in dessen Stoffwechsel unvorhersehbar eingreifen und zudem den Mikrokosmos des Wassers und Bodens zerstören und unabsehbare Resistenzen erzeugen. Dem einzelnen Bauern bleibt nichts übrig, als seinem Tierarzt zu vertrauen, der ihm über Nebenwirkungen ungefähr soviel Nebulöses zu erzählen vermag, wie sein Hausarzt über jene Medikamente, welche er ihm selbst verschreibt: Kosten – Nutzen – Risiko.   

Die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit hat die Marktwirtschaft unabhängig voneinander arbeitender kleiner Privatproduzenten in allen wichtigen Wirtschaftssektoren überwunden. Die tendenziellen Ausnahmen im Agrarsektor der Triade USA-Japan-Europa sind stadtnahe Kleinbetriebe zur Belieferung der städtischen »(Bauern)märkte« mit Krimskram jedweder Spielart, mit leichtverderblichen Frischprodukten und manufakturiell verarbeiteten Lebensmitteln zu Preisen, die der aufgewendeten Arbeitszeit entsprechend hoch sind. Der Gesamtumsatz dieses »Luxussegments« wird sich ausdehnen oder schrumpfen entsprechend der Zu- oder Abnahme der Einkommen der privat angestellten sowie staatlich alimentierten Zwischenschichten und ihrer Neurosen & Ideologie des »feinen« habituellen Unterschieds. Übergreifend erleben wir die beschleunigte Integration des Agrarsektors in einen hochgradig arbeitsteilig gegliederten gesellschaftlichen Produktionsprozeß, der tendenziell auf Bestellung produziert. Dadurch wird nach der stofflichen Seite der Produktion der gesamte Austauschprozess der Arbeitsprodukte als Waren und Geld & die Arbeit des Handelssektors überflüssig. Wie schon heute die Produktionsmittel den industriellen & institutionellen Gliedern des gesellschaftlichen Produktionssystems auf Bestelltermin zugestellt werden, so lassen sich die Güter des individuellen Verbrauchs über die heutigen Handelsstrukturen als gesellschaftlich organisierten Güterdepots unmittelbar verteilen. Dies umfasst den Weltmarkt als des wirklichen Daseins des Kapitals.

q    Dass der ideologische Begriff »Marktwirtschaft« sich nicht unmittelbar selbst entlarvt, liegt daran, dass es für den Lohnarbeiter tatsächlich einen freien Markt für seine besondere Ware Arbeitskraft gibt: den Arbeitsmarkt, auf den er seine Haut notgedrungen ganz individuell trägt, um sie nach Verkauf seiner Ware Arbeitskraft gerben zu lassen – wie sehr auch immer eine starke Gewerkschaftsbewegung der Kapitalistenklasse temporär historische Vorteile abzuringen vermag. Seine einzige Freiheit besteht darin, sich seinen Gerber aussuchen zu dürfen. Und diese Gnade rechnet sich die Kapitalistenklasse selbst nicht erst neuerdings als soziale Tat an.  

Auf dem Arbeitsmarkt als wahrem Weltmarkt stehen die Lohnsklaven in schärfster Konkurrenz zueinander, und umgekehrt ist ihre Konkurrenz die einzige Bedingung der Existenz des Kapitals überhaupt. Permanent schürt die Bourgeoisie diese Konkurrenz durch laufende Erhöhung der industriellen Reservearmee im Zuge der Rationalisierung der Produktion sowie durch die Zufuhr frischer, lohndrückender Arbeitskräfte aus aller Herren Länder oder indem sie die Produktion in Regionen/Staaten niedrigen Lohnniveaus verlegt. Sie hat die schwarzafrikanischen Sklaven in die Südstaaten der USA verschleppt und verteilt bis heute die »überflüssigen« Hände Europas auf den gesamten amerikanischen und australischen Kontinent.

Das Proletariat der (europäischen) Großstädte ist international zusammengewürfelt, der Bergbau und die Eisenindustrie des Ruhrgebiets sind nach 1870 z.B. von polnischen bis hin zu heutigen türkischen Dörflern in Gang gesetzt/gehalten worden. Einwanderungsgesetze & -behörden & Ausländerpolizei aller kapitalistischen Staaten sorgen zusammen mit baulichen & militärischen Grenzmaßnahmen unter in Kaufnahme massenhafter Todeskontingente für einen geregelten Nachschub der Lohnsklavenheere, seien dies Kontingente von Saisonarbeitskräften für die Ernte von Tafelobst und Marktgemüse oder die Einführung der »Greencard« im »Kampf der Staaten um die besten Köpfe der Welt«. Geduldet werden Schlepperbanden für ein Millionenheer von Kinder- & Frauensklaven für Adoption, Organhandel, Haus- & Heimarbeit, Heiratsmarkt, Prostitution. Der auf alte Vorurteile aufbauende Wirtschaftsrassismus wird staatlicherseits soweit am Köcheln gehalten, dass das multiethnische Proletariat sich weiterhin zerfleischt anstatt sich zu vereinigen.

Spricht vom Standpunkt derjenigen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen, irgendetwas dafür, den einzigen freien Markt: den Arbeitsmarkt laufend zu »flexibilisieren«, ihn – also das System der Lohnarbeit – für ewig zu erklären, ihn für alle Zeiten beizubehalten?

q Zum Märchen vom gerechten Lohn  

Die jetzigen (Frühjahr 2001) staatlichen Produkt- oder Zinszuschüsse für den Agrarsektor und das Fleischereigewerbe sollen den abrupten Ruin bäuerlicher Betriebe abfedern und deren »benachteiligte« Einkommen heben und Arbeitsplätze im ländlichen Raum absichern. Diese Subventionen sind bekanntermaßen keineswegs »marktwirtschaftlich« konform, sondern ordnungspolitischer Natur. Sie haben in erster Linie »sozialverträglichen« politischen Charakter, wie beim Konzentrationsprozess sowie der Freisetzung des Kapitals aus dem deutschen Bergbau, der Stahlindustrie, den Werften. Die Industriesektoren der primären Produktion, der Agrarsektor, Bergbau, das Eisen- und Hüttenwesen, der Schiffsbau verlieren in den fortgeschrittesten kapitalistischen Staaten ihre historisch schwergewichtige Stellung im Verwertungsprozeß des Kapitals. Das Kapital steuert über die Industriepolitik seines Staates seine laufende technische wie arbeitsorganisatorische Neuzusammensetzung, subventioniert einerseits die »Zukunftstechnologien« als Absicherung der Konkurrenzfähigkeit der Einzelkapitale auf internationalem Territorium und andererseits den geordneten nationalen Strukturwandel in den absterbenden Wirtschaftszweigen.

Während die zukunftsträchtigen Industriezweige mit wenig Arbeitskraftaufwand unter massivem Einsatz von Maschinerie (fixem Kapital) einen Massenausstoß von Waren bewältigen, ist das Absterben der alten Industriezweige von riesigen Industriebrachen und Massenentlassungen begleitet. Und im landwirtschaftlichen Sektor mit dem laufenden Ruin selbstwirtschaftender Bauern im großen Maßstab. Jene Entlassungen und Ruin werden von den betroffenen Lohnarbeitern und Kleinproduzenten als »ungerecht« empfunden ebenso wie Stundenlöhne, die kaum zum Überleben reichen – da sie ja alle recht schaffend ihrer Arbeitspflicht nachkommen.

Allzugerne schieben wir die »Vernichtung von Arbeitsplätzen« dem »raffenden« Finanzkapital in die Schuhe und die Qualitätszerstörung unserer Lebensmittel interpretieren wir verkürzt als destruktive »Macht« des Handelskapitals. Dabei trennen wir gedanklich wie selbstverständlich das Geldkapital & Bankensystem und die mit Waren bestückten Kaufhäuser als »raffendem« Kapital vom als Gebäude, Maschinerie und Arbeitslöhne »schaffenden« Kapital des gefängnis-ähnlich abgeriegelten Fabriksystems. Der Zins erscheint als Knechtschaft und gesellschaftszerstörend. Der Zins ist jedoch nur der Anteil des Profits, der dem geliehenen Geldkapital zufällt, gezahlt vom industriellen Kapitalisten für den Gebrauch des Geldkapitals zur Erzielung zusätzlichen Unternehmergewinns. Das Geldkapital kann also nur Zinsen einheimsen, solange die industriellen Kapitalisten es erfolgreich in produktives Kapital umwandeln.

Die Banken als Sammel- und Verteilungsstellen des Geldkapitals kommen nur ihrer »marktwirtschaftlichen« Funktion nach, wenn sie in Fällen kapitalistischer Unrentabilität den Kredithahn zudrehen müssen. So, wie es zurzeit (5/2001) die ländlichen Banken des Genossenschaft- & Sparkassensystems mit Teilen der Tierproduzenten und Fleischindustrie machen müssen. Wer A sagt, muß auch B sagen – oder schweigen. 6/2002: Diese Tendenzen haben sich in der jetzigen stagnativen Phase des industriellen Krisenzyklus noch verstärkt. 2002 machen ca 40.000 Betriebe der BRD pleite und ca 80.000 Immobilien werden versteigert, faule Kredite in dreistelliger Milliardenhöhe belasten die Bankenprofite.

Es ist heute allgemein beliebt, den Führungsstab des Managements des Banken- und Handelskapitals für die destruktiven Entwicklungstendenzen »der Marktwirtschaft« persönlich schuldig sprechen zu wollen. Dies entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage. Ebenso, wie überhaupt irgendeinen Kapitalisten persönlich für die gesellschaftlichen Tendenzen verantwortlich machen zu wollen, wo dieser doch nur Funktionsträger einer geschichtlichen, also vergänglichen Form gesellschaftlicher Produktion ist, die durch das kapitalistische Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und somit kontinuierlicher Rationalisierung bestimmt ist. Rationalisieren die Manager nicht & der Konzern geht pleite, sind sie Versager, im umgekehrten Fall: Arbeitsplatzvernichter   Die durch die kapitalistische Konkurrenz getriebene Einsparung von Arbeitszeit und somit Arbeitskräften durch die gesteigerte Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit erscheint uns Lohnarbeitern als »Vernichtung von Arbeitsplätzen«. Wie kommt diese Verkehrung in unsere Köpfe?

Die unsichere und erzwungene Existenz des Lohnarbeiters erzeugt ihre eigenen Täuschungen: Da die Ersparung von gesamtgesellschaftlicher Arbeitszeit für dieselbe Produktenmasse nicht den Lohnsklaven durch allgemeine Arbeitszeitverkürzung zu Gute kommt, sondern als im Mehrprodukt steckende verlängerte unbezahlte Arbeit der Kapitalistenklasse zufällt, sehen wir es als naturgegeben, dass der »Vollzeit«arbeitstag eine feste Stundenanzahl hat. Also scheinen Arbeits«plätze« vernichtet zu werden, wenn durch Rationalisierung Arbeitskräfte entlassen werden. Dabei ist es ja der technischen Sache des Arbeitsprozesses nach durchaus machbar, dass niemand entlassen wird, sondern das anfallende reduzierte Gesamtarbeitsvolumen der Betriebe auf alle Köpfe und Hände der Gesellschaft verteilt die laufende Senkung der Wochenarbeitszeit jedes Einzelnen bedeuten würde. Die alte Gewerkschaftsforderung nach Senkung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich – als neuen durchschnittlichen »Vollzeit«Arbeitstag gesellschaftlich durchsetzen zu wollen –  ruft jedoch nicht von ungefähr die wütenden Proteste der Kapitalistenverbände hervor – ab 1848 beim Kampf um den 10 Stundentag (von 12); ab 1880 um den 8 Stundentag; ab 1980 um die 35 Stundenwoche.

Wir sind überzeugt, dass das, was wir verkaufen, unsere Arbeit für einen vertraglich abgemachten Anteil eines Norm-8-Stundentags ist, dass daher die Arbeit selbst einen Preis oder Wert hat. (Der Preis ist einfach der Geldausdruck des Wertes.) Dieser Schein trügt. Was wir verkaufen, ist nicht direkt unsere Arbeit, sondern unsere Arbeitskraft, unser Arbeitsvermögen, das wir dem Kapitalisten für einen vereinbarten Zeitraum zur Nutzung im Arbeitsprozeß überlassen. Wir werden getäuscht, indem der Preis bzw. Wert der Arbeitskraft in der Lohnform unmittelbar das Aussehen des »Preises (Wert) der Arbeit selbst« annimmt, weil er als Zeitlohn rein rechnerisch verteilt auf die gearbeiteten Stunden daherkommt. Die Arbeit hat aber selbst keinen Wert, sondern sie schafft Wert.

Wir sind also überzeugt, dass mit dem Arbeitslohn unsere gesamte Arbeitszeit bezahlt ist. Dieser Anschein des Zeit- oder Stücklohns trügt. Die Arbeitskraft wird als Ware zu ihrem Wert verkauft und gekauft. Wie bei jeder anderen Ware ist ihr Wert bestimmt durch die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit. Diese ist vergegenständlicht in den Lebensmitteln, die der Träger der Arbeitskraft zu seiner (Wieder-)Herstellung braucht (»Warenkorb« siehe These 1). Der Wert der Arbeitskraft ist somit bestimmt durch den Wert der Lebensmittel, die zur Produktion, Entwicklung, Erhaltung der Träger der Arbeitskraft notwendig sind, samt ihrem Nachschub durch Kinderaufzucht.

Den zur Reproduktion des Werts seiner Arbeitskraft notwendigen Teil des Arbeitstags arbeitet der Arbeiter für sich selbst. Während dieses Abschnittes seiner Arbeitszeit setzt der Arbeiter den Arbeitsgegenständen soviel Wert zu, wie der Höhe seines Arbeitslohnes entspricht. Den Rest des Arbeitstages verrichtet der Arbeiter unbezahlte Mehrarbeit für den Kapitalisten. Daher der fortwährende aggressive Kampf der gesamten Kapitalistenklasse gegen die Verkürzung des Arbeitstages und der Lebensarbeitszeit und gegen die einfachsten Verschnaufpausen während der Arbeitszeit. Diese Mehrarbeitszeit oder unbezahlte Arbeit oder Mehrarbeit in Gestalt von Mehrprodukt ist Grundlage des Fonds, aus dem sich der Mehrwert (oder Profit) bildet. Einen Teil dieses Mehrwerts eignet sich der Kapitalist beim Verkauf der produzierten Waren als Profit an. Die Lohnform (Stundenlohn oder Stücklohn) verdeckt die kapitalistische Ausbeutung, die Aneignung unbezahlter Mehrarbeit, sie erweckt den Anschein, dass die ganze Arbeit aus bezahlter Arbeit bestünde:   »Dieser täuschende Schein ist das unterscheidende Merkmal der Lohnarbeit gegenüber andern historischen Formen der Arbeit. Auf Basis des Lohnsystems erscheint auch die unbezahlte Arbeit als bezahlt. Beim Sklaven umgekehrt erscheint auch der bezahlte Teil seiner Arbeit als unbezahlt.« Marx: Lohn, Preis, Profit, MEW 16

Der täuschende Schein des Systems der Lohnarbeit ist von Karl Marx zwar längst analysiert worden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Kapital- und die sie bedingende Lohnform unsere alltäglichen Gedanken- & Verhaltensformen als objektive Macht beherrschen. Die geschichtlich bedingte Macht des kapitalistisch-objektiven Scheins des Lohnsystems nennen wir Lohnfetisch. Der Lohn für unsere Arbeit erscheint uns als naturgegeben und als die unabänderliche Form, unseren q Lebensunterhalt zu sichern, da wir ja existenziell nichts besitzen und zu verkaufen haben als unsere Arbeitskraft.

Naturgegeben und vorgängig hierzu erscheint uns die gesellschaftliche,  fetischförmige Macht des Kapitals (und dessen Profits) als »Faktor« der Produktion. Wir möchten nur, dass der Ertrag der Arbeit »gerecht« zwischen Kapital und Lohnarbeit aufgeteilt wird, dass der Staat hierfür sorgt. Doch das gleiche Recht von Käufer & Verkäufer der Ware (Arbeitskraft) täuscht über die fundamentale Ungleichheit der Eigentumsverhältnisse hinweg: die Klasse der Privateigentümer an den gesellschaftlichen Lebens- & Produktionsmitteln beherrscht automatisch uns, kommandiert die Arbeit der Klasse der freien Lohnabhängigen – denn unsere Ware Arbeitskraft besitzt für jene Klasse den Gebrauchswert, den Profit zu erzeugen. Stellen sich die Lohnsklaven störrisch, hilft der »ideelle Gesamtkapitalist«, der Staat nach. Recht steht freilich gegen Recht, was in der Klassengesellschaft nur das Recht des Stärkeren sein kann und in letzter Instanz durch Gewalt entschieden wird. 

Nach vorstehender Entmystifizierung des Lohnsystems dürfte deutlich sein, dass der Mehrwert nicht im Geld- und Warenhandel produziert wird, sondern auf unbezahlter Arbeit in der Produktion (hierunter auch Agrar- & Nahrungsmittelsektor) beruht. Die Ware Arbeitskraft hat nun einmal für die Kapitalistenklasse die wunderbare Eigenschaft, dass sie bei ihrer Anwendung mehr Wert erzeugen kann, als sie selbst wert ist. Dieser erzeugte Mehrwert wird aufgeteilt in Gewinne = Profite der Unternehmen (z.B. der agraischen  Großpächter), für Zinsen für bei den Banken aufgenommene Kredite, sowie für die Rente des Bodenmonopols, welche den großen Privateigentümern des genutzten Grund & Bodens zufällt (in vielen Staaten großteils noch immer die Aristokratie).

Der täuschende Schein des Lohn-/Kapital-Fetischs hindert uns freie Lohnsklaven, die Produktion –  als das Dreh- und Angelfeld der Profitmacherei – kritisch in den Blick zu bekommen. Wir sind geblendet vom Waren-/Geld-/Kapital-/Zins-/Lohn-Rätsel und von der allgemeinen Freiheit & Gleichheit der Warenkäufer, als scheinbar naturgegebenem ewigem gesellschaftlichem Band. Wird dieses Band rissig, so wird unsere Wut und Ohnmacht auf die Diener dieser Fetische gelenkt: die Hohe Priesterschaft des Politik- & Banken- & Konzernmanagement sehen wir als unfähig und persönlich schuldig an, organisieren ritualisierte DGB-Demonstrationen gegen sie. Die bei den Strukturbrüchen der laufenden technischen und arbeitsorganisatorischen Neuzusammensetzung des Kapitals aufflammenden unvermeidlichen Klassenzusammenstöße geben der Bourgeoisie die Richtschnur dafür, wie viele Brot-Krümmel sie ihren asketischen Lohnsklavenheeren vorwerfen muß, damit diese sich nicht etwa als revolutionäres Proletariat gleich die ganze gesellschaftliche Bäckerei unter den Nagel reißen.

Der notwendige Übergang vom System der Lohnarbeit zum Kommunismus  

Der sachlichen, stofflichen Seite des Arbeitsprozesses nach ist die klassenmäßige Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums durch das Proletariat historisch überfällig. Denn es wird –  wie nicht nur im vorhergehenden Punkt zur »Marktwirtschaft« skizziert wurde – im laufenden hochgradig arbeitsteilig gegliederten gesellschaftlichen Produktionsprozeß der Tendenz nach auf Bestellung produziert. Wir haben es also tatsächlich mit einer einzigen privatkapitalistisch geplanten zusammenhängenden gesellschaftlichen »Bäckerei« des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters zu tun. Wodurch der sachlichen Seite nach der gesamte Austausch von Arbeitsprodukten als Waren gegen Geld und die entsprechende Arbeit im Handelssektor überflüssig wird – wo die blinde Hand des privat-geplanten Marktes durch den bewussten gesamtgesellschaftlichen Planungsprozeß abgelöst werden kann. Wie schon heute die Produktionsmittel den industriellen und institutionellen Gliedern des gesellschaftlichen Produktionssystems auf Bestellung termingebunden unmittelbar zugestellt werden, so lassen sich die Güter des individuellen alltäglichen Verbrauchs über die heutigen Vertriebsstrukturen des Handels als gesellschaftlich organisierten Güterdepots unmittelbar nach den Bedürfnissen der Produzenten als Konsumenten verteilen.

Das Lohnsystem ist heute geschichtlich zerstörerisch vom Standpunkt vernünftiger gesellschaftlicher Entwicklung der Welt. Denn es ist nur kapitalistisch gesehen sinnvoll und im Interesse der Kapitalistenklasse, 1,5 Milliarden Lohnsklaven möglichst lange und intensiv auszupressen und 3,5 Milliarden Erdenbewohner zynisch als »Übervölkerung« abzuschreiben. Dies ist gesellschaftlich gesehen unsinnig, da der Mensch selbst die erste gesellschaftliche Produktivkraft ist und nicht irgendeine Technologie. Daher ist es vernünftig, die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf alle arbeitsfähigen Gesellschaftsmitglieder zu verteilen und somit die durchschnittlich notwendige Arbeit pro Person kräftig zu senken – freie Zeit zur »Entfaltung aller individuellen produktiven Triebe & Anlagen« .

Doch hierzu muss der gesellschaftliche Produktionsprozeß von den frei assoziierten Produzenten als einer einzigen, gesamtgesellschaftlichen Arbeitskraft in eigener Regie geführt werden auf Grundlage der bewußt gesellschaftlichen Planung der Gesamtarbeit. Basis hierfür ist die jetzige laufende Planung jedes einzelnen Betriebes. Nach und nach werden alle Betriebe von den beteiligten ArbeiterInnen als Teilarbeitskraft in der revolutionären Umwälzung aktiv in den gesellschaftlichen Produktionsfond eingebracht werden. Steigt dessen Gewichtsanteil soweit, dass der kapitalistische Weltmarkt nicht mehr akkumulationsfähig ist, sondern schwindet, so wird das private Kommando über fremde Arbeit ersetzt durch die transnationale Assoziation freier Produzenten: Lohnarbeit & Kapital werden praktisch abgeschafft samt dem Geld, da dessen Funktionen als Kapital (=Einkauf der Ware Arbeitskraft) und als Zirkulationsmittel hinfällig werden.

Das Geld verliert somit seine Funktion als Maß des Wertes. Der Wert erlischt und mit ihm das Geld als seine selbständige gesellschaftliche Gestalt als vergegenständlichte Arbeitszeit. Die kapitalistisch getrennten und unabhängig voneinander betriebenen Privatarbeiten gehen auf in die unmittelbar gesellschaftliche Gesamtarbeit. Das Geld löst sich auf in die banale Grundlage aller Ökonomie, die »Ökonomie der Zeit«: Ab nun regelt die gesellschaftlich planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Wirtschaftszweige »die richtige Proportion der verschiedenen Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen« (Marx). Somit brauchen die Produzenten ihre von ihnen zuvor hergestellten Lebensmittel nicht mehr mit Geld kaufen, welches sie als Lohn beim erzwungenen Verkauf ihrer Ware Arbeitskraft erzielten. Sie verfügen nun selbst über das gesellschaftliche Gesamtprodukt und dessen Verteilung. Der erniedrigende demokratische Appell an den bürgerlichen Klassenstaat: »Geld ist genug da« und braucht nur »gerecht« verteilt werden, wird überflüssig.

Die städtischen und ländlichen industriellen ArbeiterInnen können sich nur von ihrer schicksalhaft-undurchsichtigen Tretmühle des Alltags befreien, wenn sie das Kapital der Bourgeoisie, d.h. das Kommando über fremde Arbeit, die Rohprodukte, Maschinen, Werkzeuge und Lebensmittel sowie das Land, kurz: alles, was zur Produktion erforderlich ist, in von ihnen gemeinsam genutztes Eigentum der Gesellschaft überführen.

q Bourgeois wird man der Regel nach nicht durch eigener Hände oder Kopf Arbeit, sondern noch meist durch Zufall der Geburt, denn die Bourgeoisie rekrutiert sich als Klasse noch immer biologisch selbst durch Heirat innerhalb der großen Weltbourgeoisie (bis zur Inzucht des Hochadels). Ihre Führungsstäbe frischt sie jedenfalls bis heute nicht allzuhäufig mit Elementen der Arbeiterklasse auf, sondern aus Zwischenschichten wie den Resten des Bildungsbürgertums, neuen Technischen-Angestellten-Schichten & aus dem reaktionären Beamtenheer des Staatsapparats, einschließlich des universitären Wissenschaftsspießerbetriebs. Die Kapitalisten haben zudem die Eigenschaft, dass jeder von ihnen viele andere Kapitalisten auffressen muss, wenn sie nicht selbst aufgefressen werden wollen. Somit schrumpft ihre relative Anzahl:

Ihre Klasseninteressen setzt die Bourgeoisie mittels ihrer staatlichen bürgerlichen Diktatur der Regelung »der neuen (?!) sozialen Marktwirtschaft« durch. Die Regierung als ihr geschäftsführender Ausschuß steht zur Zeit hier am Standort BRD unter Führung von Gerhard, einem echten klassenverräterischen Proleten, und Joseph, einem scharfgeschliffenen deutschen Metzgersohn. Die SPD als historische Partei der Arbeiterklasse formuliert mit ihrer »Neuen Mitte« ihr 100jähriges politisches Anliegen als staatliche Ordnungspartei: fortwährende reformistisch abzufedernde Aufrechterhaltung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse: auf dem einen Pol die Klassenherrschaft der Großbourgeoisie über alle gesellschaftlichen Bedingungen der Produktion und somit deren Kontrolle über den anderen Pol, die Klasse des allgemeinen Lohnarbeiters, heute über 80% der Insassen des deutschen Wirtschaftsstandortes.

Die spezifische deutsche Schrödersche Konsensfindung im »Bündnis für Arbeit«, als nationalsozialdemokratische Fortsetzung einer Volksgemeinschaft mit anderen Mitteln, basiert auf der riesenhaften Stellung der Produktivkraft der Arbeit und ihrer Organisation, dem Gewerkschaftsapparat als SPD-Kern und Garant des Ordnungsstaates. Dies beschert der BRD »die neue soziale Marktwirtschaft«, den Zwittercharakter eines bürgerlichen Arbeiterstaates als Gravitationszentrum ähnlich gelagerter Kräfteverhältnisse in Deutsch-EUROland. Um die klassenbedingte untergründige Brüchigkeit dieser demokratischen Volksgemeinschaft zu kitten, läuft gerade eine strategische Kommunikationsoffensive der Bourgeoisie an, die dem gemeinen Michel die »Neue Soziale Marktwirtschaft« mittels laufender Werbekampagnen erneut ans Herz legen soll (Handelsblatt vom 21.9.2000: »Industrie poliert Ansehen der Marktwirtschaft auf«). Dies ist die Begleitmusik zu jenen  »schmerzvollen Eingriffen in den Besitzstand« der allgemeinen Lohnarbeiterklasse, der bürokratischen Herabsetzung der Löhne ihrer industriellen Reservearmee und Pensionäre unter den historischen Wert der Ware Arbeitskraft in der zweiten Amtsperiode der rot-grünen Regierung. Dieser Klassenkrieg nach innen ist die Fortsetzung der Verschärfung des Handelskrieges der Bourgeoisie auf dem Weltmarkt. (der letzte Gedankengang wurde Anfang 2003 zugefügt)

Was im Kampf um den Weltmarkt gegenwärtig heranreift, ist die Gefahr des mittelfristigen militärischen Zusammenstoßes der kapitalistischen Hauptblöcke USA und EUROland-unter-deutscher-Führung. Spätestens das *deutsche Drängen im Jahre 1998/99 zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien  *der fortdauernde materielle und personelle Dauereinsatz der BRD in Kosovo und im gesamten Balkanraum und in Afghanistan *die Restrukturierung der Bundeswehr zur Interventionsarmee hat den zwangsweise verbündeten europäischen Staaten und den USA die Augen geöffnet über den Offensivdrang neu-deutscher Außenpolitik (siehe das Buch: Matthias Küntzel: »Der Weg in den Krieg«; Elefantenpress, 1999). Währenddessen fischert Joseph in Deutsch-EUROland sowie rund um den Erdball mit der altbewährten Melodie, dass Deutschland keineswegs einen erneuten imperialen Machtanspruch hege. Ist es nicht ein Treppenwitz der Geschichte, dass die moderne deutsche Volksgemeinschaft ihm gerade dies als »kuschen« verübelt anstatt als übles althergebrachtes Täuschungsmanöver deutscher Diplomatie zu entlarven?

NACHTRAG juni2002: Im Afghanistan-Abenteuer haben die USA das deutsche Militärpotential so lächerlich gemacht, dass selbst Falken wie Hans-Ulrich Klose resignierend einbrechen.  Der deutsche Traum der mittelfristigen Perspektive des Gleichziehens des europäischen Militärpotentials mit den USA hat sich als vorläufige Illusion erwiesen. Trotzdem wird €-land den Handelskrieg ohne mächtige militärische Flankierung und die abenteuerliche Politik der Osterweiterung der EU nicht bestehen können. Selbst die stärkste Einbindung der Arbeiterklasse in das staatliche Machtgetriebe, wie sie heute in der BRD gediehen ist, kann der Konkurrenz der Nationen gerade in der Phase ihrer supranationalen Einbindung nichts Emanzipatorisches entgegensetzen, da sich deren Konkurrenz unter dieser Einbindung um so schärfer entfaltet. Mittelfristig wird sich die Konkurrenz am Weltmarkt zum politischen Zerwürfnis zwischen den beiden Hauptkonkurrenten USA und €-land unter deutscher Führung fortentwickeln (einen Vorgeschmack hiervon bietet die deutsche Position in der Irakkrise 2003)  auf einem historisch extrem ausgebauten Niveau des militärischen Drohpotentials.

Die historische Situation lehrt wie alle historische Erfahrung allerdings leidvoll, dass die jetzige Diktatur der Bourgeoisie nicht harmonisch in die höhere Gesellschaftsstufe einer weltweiten auf gesellschaftlichem Eigentum beruhenden Wirtschaftsweise hinüberwachsen wird. Daher sehen es die KommunistInnen heute als geschichtlich geboten, die illusionslose Notwendigkeit der revolutionären Diktatur des Proletariats als (noch-)staatliche Übergangsperiode zum Kommunismus zunächst wieder überhaupt ins Bewußtsein und in die gesellschaftliche Diskussion zu bringen. Die auf der Eroberung der staatlichen Macht gründende Diktatur des Proletariats greift  mit Maßnahmen der Verstaatlichung aller Produktionsmittel despotisch in die bestehende q bürgerliche Eigentumsordnung ein, sichert den Übergang zur geplanten gesellschaftlichen Produktion der assoziierten Produzenten machtmäßig ab. Es liegt im geschichtlichen Sinne in der Hand der Bourgeoisie, ob der Übergang zum Kommunismus erneut die Verlaufsformen eines zugespitzten Klassenkriegs annehmen wird.

Der Übergang zum Kommunismus geht einher mit der Selbstaufhebung des Proletariats und aller anderen Klassen zur klassenlosen Weltgesellschaft. Hier löst sich jede Politik und somit noch die demokratischste Regierung über Menschen in die schlichte gesellschaftliche Verwaltung der Sachen auf. Diese Aufgabe fällt, wie deren Regelung und Entscheidungen, der Weltassoziation der freien selbstbestimmten ProduzentInnen zu.

Diese Herleitung einiger Charaktermerkmale der Diktatur des Proletariats ist den geschichtlichen Erfahrungen, vor allem der Pariser Commune von 1871, der russischen Revolution von 1917, der deutschen Revolution 1918/19 und der spanischen Revolution 1936 geschuldet. Marx hat jene politischen Merkmale proletarischer Selbstherrschaft an Hand der politischen Praxis der Pariser Kommune 1871 im `Bürgerkrieg in Frankreich´ systematisch herausgearbeitet. Die wichtigsten oben skizzierten programmatischen Merkmale der Umwälzung der kapitalistischen ökonomischen Basis als Überwindung des Systems der Lohnarbeit und Übergangs zum Kommunismus sind der Anspruch, die Essentials der Marx´schen Kritik des Gothaer Programms – Randglossen zum Programmentwurf der Arbeiterpartei – des Gründungsprogramms der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von 1875 für heute fruchtbar zu machen.

Anforderungen und Fragen an die desolate Linke

Es ist an der Zeit, dass alle antikapitalistischen Strömungen sich der Diskussion stellen, sich streiten lernen, um sich auf das revolutionäre Programm des Übergangs zum Kommunismus zu verständigen. Dies ist sicherlich nicht besonders opportun, weder in der zersplitterten deutschen Restlinken, der das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates zum Tabu geriet, noch in beruflichen/privaten Kreisen, wo der antikommunistische Reflex jene zu Außenseitern stempelt, die sich keine bürgerlichen Illusionen & Lebenslügen mehr leisten bzw. anhören mögen. Die Zeit arbeitet für die kommunistisch-proletarische Position und es gilt, auf auszubauender demokratischer Grundlage die freiwillige effektive Assoziierung aller revolutionären Kräfte voranzubringen. »Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selber sein!« (Marx). 

Die Skepsis des linksbürgerlichen Segments bezüglich der Fähigkeit des Proletariats zur  Assoziation freier ProduzentInnen geht von der abstrakten »Freiwilligkeit« des einzelnen Individuums als Willensakt aus (Max Stirner bis Friedrich Nietzsche). Tatsächlich haben wir als Proletariat gar keine Wahl. Entweder läuft die Scheiße weiter wie bisher – dann werden die Lohnsklaven als »Mitarbeiter« mißmutig weiter mitmachen. Andernfalls, z. B. in Situationen, in denen die übergroße Zahl des Proletariats aufs Pflaster geworfen ist, bleibt ihnen nichts weiter übrig, als zur freiwilligen Kooperation überzugehen, zur eigenen, selbständigen Organisation der gesellschaftlich notwendigen Arbeit auf der gegebenen Höhe ihres kapitalistisch herausgetriebenen Zusammenhangs. Diese Freiheit ist also zugleich die aktive, bewußte Anerkennung des Zwangs der Spezies homo sapiens, mittels der Arbeit ihre Not zu wenden durch die kontinuierliche Reproduktion ihrer materiellen Grundlagen. Das Proletariat hat also gar keine andere Wahl, als seine proletarische Revolution in Zuspitzungen von Weltkrieg oder Weltwirtschaftskrise zu bewerkstelligen, indem es sich NOT wendend  «freiwillig« als freie (=frei vom Lohnarbeitszwang) Produzenten weltweit assoziiert – zwecks Reproduktion – bei Strafe des Untergangs beider Hauptklassen in der Barbarei.

Beleuchten wir die politische Tagesaufgabe von unterschiedlichen Blickwinkeln:

Proletarier aller Länder vereinigt euch! Dies ist heute umso aktueller, als Lohnarbeit milliardenfach Hungerlöhne bedeutet und selbst die vergoldeten Ketten der Arbeiteraristokratie sämtlicher nationaler Abteilungen des Weltproletariats sich zu erdrückenden Schuldenbergen von Konsumenten- & Immobilienkrediten verwandeln. Anders ausgedrückt: sich ducken hilft nicht mehr, die Schonzeit des Proletariats Westeuropas in  der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts ist vorbei, sich neu organisieren im Klassenkampf wird überlebens-NOT-wendig!   

»Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbestimmender Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses.  ….

Zweitens bleibt, nach Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, aber mit Beibehaltung gesellschaftlicher Produktion, die Wertbestimmung vorherrschend in dem Sinn, daß die Regelung der Arbeitszeit und die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit unter die verschiednen Produktionsgruppen, endlich die Buchführung hierüber, wesentlicher denn je wird.«      Marx,   Kapital Band 3,   MEW Bd. 25,   S. 197 bzw. 859

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