Anmerkung zum Arbeitsblatt zu Franz Neumann: Behemoth (Antikapitalismusphantasien der Nazis)

Die Rolle Schachts bei Neumann (Behemoth) / bei Tooze (Ökonomie der Zerstörung) / in der eigenen Autobiographie

1. Tooze geht aus von einer grundsätzlichen Antithese zwischen der Politik Stresemanns und der Hitlers nach 1918.

Stresemann setzt genau wie Adenauer nach 1949 auf die USA um in ihrem Schlepptau mit den Bedrängern Frankreich und England fertigzuwerden. Bis 1929 glaubt er, über die USA zu einem Junktim zu kommen zwischen Zahlung von Reparationen an England/Frankreich - Schuldentilgung gegenüber den USA. England und Frankreich sollten nur so viel an die USA zahlen, wie sie von Deutschland bekamen - bekommen sollten, ohne dass es zu einem totalen weltwirtschaftlichen Ungleichgewicht komme. Dieses Ziel schien im Young-Plan notdürftig erreicht (obwohl schlechter als bei Dawes).

2. Nach Erreichung eines Moratoriums der Reparationen und nach der Wirtschaftskrise 1929 ff war die Ausrichtung auf die USA als Retter nicht mehr nötig.

Hitler sieht die Sache genau entgegengesetzt: die USA sind der Feind, dem man entgegentreten muss.

Er lehnt Kolonien ab - ebenso aber bloße Handelsexpansion in Europa und Übersee. Grund: Man käme wieder in die Situation von 1914 - England würde sich der Konkurrenz militärisch entgegenstellen. Deshalb Ausgleich mit England erwünscht.

»Lebensraum« sollte im Osten gesucht werden. Das würde Akzeptieren des Zusammenbruchs des Welthandels und des internationalen Währungssystems voraussetzen.

Tooze: S.35: »evolutionär betrachtet war Schacht sozusagen das missing link zwischen Stresemanns revisionistischer Wirtschaftspolitik und der unilateralen militaristischen Aggression, von der diese 1933 ersetzt werden sollte. ... Sofort nach Abschluss des Young-Plans ... nutzte er seine Kontakte an der Wall Street um einen neuen amerikanischen Kredit für Deutschland zu hintertreiben, und veröffentlichte im Dezember 1929 einen Bericht, der nicht nur den Young-Plan, sondern die ganze Finanzpolitik seit 1924 vernichtend kritisierte«. 1930 trat Schacht zurück und schloss sich im nächsten Jahr dem Treffen der Harzburger Front an. Damit auch der Gruppierung, die am erbittersten gegen den finanziellen Ausgleich mit den ehemaligen Feinden auftrat.

Teile aus Schachts Rede in Harzburg, nach: »76 Jahre meines Lebens«, S.368:

»... ein zweiter grundlegender Fehler des Systems (gemeint - das Weimars, nicht das spätere Hitlers) ist seine Rechtsunsicherheit. Wer kann heute noch wirtschaften, wenn ihm sein Eigentum durch Notverordnungen wegdisponiert wird, zugunsten von Verpflichtungen, die er gar nicht hat voraussehen können. Wir haben in Deutschland keine dauernden rechtlichen Grundlagen mehr für die produktive Arbeit...

Das Programm, das eine nationale Regierung durchzuführen haben wird, beruht einzig in wenigen Grundgedanken.

Es ist das Programm Friedrichs des Großen nach dem Siebenjährigen Kriege: sich fest auf die heimische Wirtschaft stellen, aus dem heimischen Boden herausholen, was nur irgend herauszuholen ist, und im übrigen sich für eine Generation bescheiden, sparen und arbeiten. Borgen und Betteln macht verächtlich, macht verhandlungsunfähig, macht bündnisunfähig. Ich habe es am eigenen Leibe spüren müssen, was es heißt gegen das Ausland am Verhandlungstisch zu kämpfen, wenn zu Hause eine Regierung sitzt, der es am nationalen Rückhalt fehlt. Darum wünsche ich, dass der nationale Sturmwind, der durch Deutschland fegt, nicht ermatten möge, bis die Wege zur Selbstbehauptung und zum Enderfolg wieder frei gemacht sind.«

Autarkieprogramm zusammen mit dem Aufruf zur Volkserhebung - und zusammen mit dem Schrei nach Rechtssicherheit! Schacht Memoiren 395: Ansprache nach dem Scheitern der Weltwährungskonferenz 1933 in London: »Nach dem Scheitern einer internationalen Einigung wird es jetzt nötig sein, dass jedes Land zunächst in seiner eigenen Wirtschaft Ordmung schafft. Wenn dies geschehen ist, wird eine neue Weltwirtschaftskonferenz vielleicht eher Chancen haben«

Der Zusammenbruch des Weltmarkts mehr oder weniger absichtlich unterstützt als Begründung der Abriegelung Deutschlands.

Tooze weist wie schon Neumann nach, dass das reine Arbeitsbeschaffungsprogramm, auf das Schacht sich auch nach 1945 herausredete, im Jahre 34 schon auslief (sog. Reinhardtsprogramm). Alles weitere im Schachtplan 34-38 diente der forcierten Aufrüstung und damit unbestreitbar dem Willen, den Lebensraum mit allen Ressourcen zu erobern, der zur Begleichung der wechelseitig aufgehäuften Schulden zwischen den Monopolen zu dienen hätte.

Zu beurteilen von da aus Schachts schamlose Lüge in Nürnberg und später vor der Spruchkammer, er hätte nur Deutschland auf den Militärstand der anderen europäischen Mächte zurückbringen wollen und ab 1939 seine MEFO-Wechsel einlösen. Nichts unmöglicher, als eine Aufrüstung, die bei Panzern und Flugzeugen gerade mitten im Schwung war, durch bloßes Dekret aufhalten zu wollen.

Schacht hätte nach dem amerikanischen Rechtsbegriff der »Verschwörung gegen den Frieden« - deutsch: Vorbereitung des Angriffskriegs - auf jeden Fall verurteilt werden müssen. Seine Schuld ist größer als die eines Hess, der weitgehend in den Hintergrund gedrängt worden war. Ab 1935.

Schachts Beitrag zur Stabilisierung des Regimes nach 1933 bestand vor allem in der rigorosen Devisenbewirtschaftung, mittels derer auch die noch außenhandelsfähigen Konzerne in die Marschkolonne der nach innen zu Orientierenden und Aufrüstung Betreibenden zurückgezwungen wurden.

 


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Weitere Anmerkungen zum Arbeitsblatt zu Franz Neumann: Behemoth:

→ Beispiel Hans Frank, zur Illustration der am Ende katastrophalen Reibung zwischen den vier Blöcken, bzw. zur Vereinbarkeit von Maßnahmenstaat und bürgerlichem Vertragsrecht.

→ Dokumentation einer Romanstelle aus Zöberlein: »Der Befehl des Gewissens« mit kritischen Anmerkungen und einem typischen NS-Tryptichon (Arbeiter / Bauer / Soldat) aus Theweleit »Männerphantasien«.

→ Speers System - trotz dem Anschein schärfster staatlicher Lenkung zugleich größte Entfaltung der Monopole.

→ Zur unlöslichen Verbindung des »Antisemitismus der Vernunft mit dem »Antisemitismus des Pogroms«

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