Veranstaltungen Februar - Juni 2003:

 

Alle Veranstaltungen des Veranstaltungscafés finden, wenn nicht anders angekündigt, in den Räumen der DFG/VK in der Mühlgasse 13 statt. 

 

voriger AbschnittnaechsterAbschnitt

 

Lektürekurs: an jedem 3. Samstag im Monat um 15 Uhr in der Mühlgasse:

Karl Marx »Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie«

Band I: Der Produktionsprozess des Kapitals. Moderation: Nadja Rakowitz

22.2.2003 Siebter Abschnitt, Kapitel 21 und 22 (S.591 - 639) Der Akkumulationsprozess des Kapitals. Einfache Reproduktion / Verwandlung von Mehrwert in Kapital.
22.3. 2003 Kapitel 23 (S.640 - 740) Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.
24. 5.: Kapitel 24 und 25 (S.741 - 802) Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation / Die moderne Kolonisationstheorie.
21. 6.: Abschlussdiskussion - Wie endet Band I des »Kapital«? Was ist das theoretische, das praktische und das politische Resümee der Kritik der politischen Ökonomie bis jetzt? Wie wurde das Buch in der Geschichte der Arbeiterbewegung gelesen? Lassen sich wesentliche Argumentationen dieser Interpretationen im Text finden? Wie geht es weiter in Band II »Der Zirkulationsprozess des Kapitals«, und wie machen wir weiter?

 

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

monatlicher Lektürekurs:

Der Kritische Lektürekurs zu Guy Debord »Die Gesellschaft des Spektakels«

{Ankündigung 2 → / Ankündigung 3 → / Protokolle →}

(erschienen 100 Jahre nach Karl Marx »Das Kapital« als dessen situationistische Fortschreibung) ist auf vorläufig zwei Halbjahre angelegt & findet - im Verbund mit Lektüregruppen in anderen Städten - an einem Samstag im Monat statt (Genaue Planung siehe Extraprospekt, auch auf unsrer homepage. Texte -120 Seiten - vorhanden).

»Das Spektakel ist das Kapital, das einen solchen Akkumulationsgrad erreicht hat, dass es zum Bild wird. » (These 34)

Mittwoch, 26.Februar 2003, 19.30 Uhr. EINFÜHRUNG: Kurzer Überblick über historischen Kontext, Rezeptionsgeschichte. Aktuelle Begründung, Abgleich der Motivationen und Erkenntnisinteressen. Planung, genauere Vorschläge zur Form des gemeinsamen Lektüre-Experiments. Filmsequenzen.

Mittwoch, 26.März, 19:30. Erstes Kapitel: DIE PERFEKTE TRENNUNG

Samstag, 26.April, 15°°. Zweites Kapitel: DIE WARE ALS SPEKTAKEL

Samstag, 17.Mai, 15°°. Drittes Kapitel: EINHEIT & TEILUNG IM SCHEIN

Samstag, 28. Juni, 15°°. Viertes Kapitel: DAS PROLETARIAT ALS SUBJEKT & ALS REPRÄSENTATION

([evtl. nach Vereinbarung im Juli:] Abschluss des Vierten Kapitels & RESÜMEE / Zwischendiskussion / Ausblick aufs zweite Halbjahr (Kapitel Fünf bis Neun: Zeit & Geschichte - Die spektakuläre Zeit - Die Raumordnung - Die Negation & der Konsum in der Kultur - Die materialisierte Ideologie)

{Ankündigung 2 → / Ankündigung 3 → / Protokolle →}

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

Mittwoch 12.3. 2003 20°°Uhr

offener tagespolitischer jourfixe:

Arbeitskämpfe weltweit

Es zeigt sich, dass die entscheidenden und härtesten Auseinandersetzungen gerade im Bereich des Transport- und Kommunikationswesens in Gang kommen. Wie ist diese Verschiebung vom Bereich der unmittelbaren Produktion zu erklären?

 

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

Tages-Seminar am Samstag 29.3.2003, 14.30 Uhr

Seminar »Maoismus in Ost & West«
(Fortsetzung aus 2002):

Zum Charakter und den Resultaten der ML-Bewegung in der BRD der 1970erJahre.

In der bisherigen Kontroverse (siehe homepage) ging es einmal um die Analyse der chinesischen Revolution und schliesslich »Großen Proletarischen Kulturrevolution«, zum andern um die Einschätzung der Erfahrungen der westdeutschen neo-leninistischen Parteiaufbauorganisationen als Erscheinungsformen einer bestimmten, vergangenen Phase der Klassenkämpfe. Beide Anrisse fordern die Aufarbeitung einer Konstellation ein, die vor einem Vierteljahrhundert (nach Mao's Tod 1976 und dem Deutschen Herbst 1977) explodierte und implodierte: nichts ist bis heute abgegolten, keine der existenziellen Fragen einer globalen proletarischen Revolution (insbesondere die Organisationsfrage) auch nur annähernd gelöst. Der Neuzusammensetzung der Gesamtlohnarbeiterklasse (die sich für oberflächliche Gemüter in den Gestalten einer »multitude« vor sich selbst zu verstecken scheint) entsprach die Aufstockung und der Umbau der bürgerlichen Herrschaft durch einen Großteil ebenjener »Kriegsverlierer/gewinnlerInnen« der späten Mao-Ära dort wie hier. Den Automatismus des Mao-Wortes scheinen sie selber bis heute in zynischer Umkehrung haben wahrmachen wollen: »Entweder bringt der Krieg die (Konter-)Revolution hervor, oder die (Konter-)Revolution verhindert den Krieg.«

Unter dem Roten Teppich der Geschichte-der-Sieger versuchen wir das Muster der wirklichen Resultate zurückzuverfolgen, die Unterseite zweier Geschichten materialistisch bloßzulegen, die eine einzige Geschichte der globalen »Härte der objektiven Dialektik« (Lukács) ergeben. Auch hier gilt es einige Mythen zu knacken, vor allem jedoch die totale Verdrängungsleistung der erhabenen Linken anzugreifen, die genau jene Illusionen und Verkürzungen wiederholt, die sie mit den MLern abgetan glaubt. »Proletarische Revolutionen dagegen kritisieren beständig sich selbst, unterbrechen sich fortwährend in ihrem eigenen Lauf, kommen auf das scheinbar Vollbrachte zurück, um es wieder von neuem anzufangen, verhöhnen grausam-gründlich die Halbheiten, Schwächen und Erbärmlichkeiten ihrer ersten Versuche... » (Karl Marx)

Seit Ende des letzten Halbjahrs liegt unser momentaner Diskussionsschwerpunkt auf der Erklärung der ML-Bewegung (»K-Gruppen«) in BRD seit dem Ausgang der 1960er Rebellionen. Gemeinsames Arbeitsvorhaben bleibt weiterhin eine Einschätzung von Charakter und Resultaten der chinesischen Revolution selbst. Letztere soll u.a. an dem historischen Dokument der »Großen Polemik« (Anfang der 1960er) zwischen den KPs der SU und Chinas diskutiert werden. (Texte stehen als Kopien zur Verfügung in der Studienbibliothek / theorie praxis lokal)

 

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

Workshop am Samstag, 5.4.2003, 14°°Uhr im Neuen Café in Rüsselsheim,Waldstr. 52

Fragmente einer Eroberung

(Hörstück zum 1. deutschen NATOkrieg). Workshop in Kooperation mit dem Freiwerk / Infoladen Rüsselsheim und dem Autor/Komponisten Martin Speicher (Kassel)

Martin Speicher erläutert die Intention dieses radiophonen Hörstücks, das seine vorläufige Fassung im April 2002 erhielt:
»Die vorliegende Arbeit dient der Erinnerung an eine Zeit, in der die politische Lüge die breiteste gesellschaftliche Zustimmung fand seit 1933. Es wäre töricht zu glauben, an diesem Zustand hätte sich irgendetwas gebessert. Nach den neuesten militärischen Aktionen einer großdeutschen Weltinnenpolitik droht nicht nur der Jugoslawienkrieg Schnee von gestern zu werden, nein, seine Rahmenbedingung scheint auch zunehmend Akzeptanz zu finden: d.h. die kriegerische Aggression im Ausland zwecks Optimierung der Kapitalverwertung ­— und das alles unterm Deckmantel der Verteidigung von Menschenrechten. Wie hiess es dieser Tage in der Zeitung: ›Unsere Soldaten sind wieder gefragt.‹ Wieder — das kann nur heissen: seit 1945. Wie und wozu waren sie damals gefragt und taten ihr ›Nützliches‹?

Die sog. aussenpolitische Verantwortung wird im Inneren durch entsprechende repressive Maßnahmen flankiert. Das kritische Potential wird auf allen Ebenen kriminalisiert, die demokratischen Rechte gelten nur zum Schein. Deshalb wurde die hier vorliegende Radiofassung hergestellt.

»Fragmente einer Eroberung« ist nicht nur den Opfern des Jugoslawienkrieges gewidmet, sondern auch allen Menschen, die je daran arbeiteten und arbeiten werden, dem Kapitalismus das Licht auszublasen.«

Die ästhetische Form der FRAGMENTE und ihre Experimentalgeschichte möchten wir in der Diskussion mit dem Autor/Komponisten erschliessen, der vom zeitgenössischen Jazz, der freien Kollektivimprovisation und der Neuen Musik kommt und der »die Umsetzung von Positionen in Musik«, die »Vermittlung« politischer sprachlicher Botschaften in der Konfrontation mit den musikimmanenten Gegebenheiten klanglicher Produktion als höchst problematisch begreift.
(Spieldauer 66'12. Als CD mit Textbeilage erhältlich im Infoladen/Freiwerk und in der Studienbibliothek / theorie praxis lokal)

 

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

Mittwoch 9.4.2003, 20°° Uhr

offener tagespolitischer jourfixe:

Antifaschismus und Linke - Kann Antifa noch Angriff heissen ?

Wie alle Jahre wieder, so kommen antifaschistische und antinazistische AktionistInnen auch vor diesem 1.Mai leider nicht an der Gretchenfrage vorbei: sind wir »für den Kommunismus« nicht noch zu bürgerlich-demokratisch, oder sind wir angesichts der staatstragenden Antifa der Pastoren, Oberstudienräte, BetriebsVERDIenstträger & Co-ordination nicht eigentlich doch überflüssig ? Kann das Zauberwort »autonom« oder Beschwörungsformeln wie »antifa ist der kampf ums ganze!« uns überhaupt noch retten aus dem Mainstream der Anständigen, noch dazu, wenn der im Jahr des deutschEUROländischen Friedensliebesrauschs endgültig zum Mahlstrom für radikale Linke wird?

Diskutiert werden müsste also einerseits, worin das besondere Interesse systemoppositionell-sozialistischer Gruppen bestehen kann, sich gegen den alten und neuen Faschismus unter Aufbietung noch der letzten Kräfte zu wenden, wo der ja der Absicht nach von »fortschrittlichen« bürgerlichen Kreisen schon breit und flächendeckend angegangen wird. »Nazifreie Zonen«, alternativer Verfassungsschutz oder was ? Für die andere, die naiv-antifaschistische Seite stellt sich das Problem, wie konkret das »faschistische strukturen zerschlagen!« sich darstellen, greifen und radikalisierend vermitteln kann, wenn eben nach wie vor die Begriffe fehlen für systematische, strategische Aufhebungsarbeit gegen Kapital & Lohnarbeit, Staat und Patriarchat, deutsche Zustände und antiglobi-«antiimperialistische« Weltreligion...

Abstrakt ist die Aufgabe doppelt gestellt: Wie können die Aporien des bürgerlichen = spontanen antifaschistischen Bewusstseins in den Aktionen klargemacht werden? Und wie ist das Vermittlungsproblem praktisch zu lösen zwischen dem Verteidigenmüssen der historisch-demokratischen bürgerlichen Standards einerseits und dem Angriff auf die bürgerlichen historisch anachronistisch gewordenen Grundlagen, die eben den Faschismus usw. immer wieder hervortreiben, selbst ?

 

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

Lektürenachmittag am Samstag 10.5.2003 um 11°°Uhr:

Karl Marx Zur »Judenfrage«

Dies dürfte der bei weitem umstrittenste theoretische Text des Begründers des wissenschaftlichen Kommunismus sein, an dem sich in der Tat die Geister scheiden. Liest (?) ihn doch ein erheblicher Teil selbst der Linken - und mehr denn je so der gegenwärtigen deutschen Linken - als mehr oder minder klare Offenbarung marx(isti)scher Judophobie, und sei es als »jüdischen Selbsthass«.

Tatsächlich zeigt dieser Text gewissermaßen in Knospenform die ganze weitere Marxsche Theorie in ihrer wissenschaftlichen Methoden- und Analysestruktur angelegt: die radikale Kritik der Sphärentrennung der bürgerlichen Gesellschaft, der universalen kapitalistischen Geldherrschaft und des modernen politischen Staatswesens, der bürgerlichen Revolution (»der Linken«), ihrer Menschenrechte und ihres Terrorismus, des Patriarchats und der christlich-germanischen monotheistischen Religion... werden in dieser Bündelung, in ihrer historischen Dialektik transparent gemacht wie ein Kristall. Der universale »Geldkristall« wird (in der Tradition von Marx' Lehrer Moses Hess) als bewegende Achse der menschlichen Entfremdungen herausgearbeitet (wie dann die »Kritik der politischen Ökonomie« die Geldform begrifflich-wissenschaftlich als zentralste, verblendendste Fetischgestalt und Kern des Kapitals herausanalysiert), den es zu enträtseln, zu »sprengen«, aufzulösen gilt — und damit auch endlich die bürgerlich-antibürgerliche Projektionsfigur des »Geldmenschen«tums.

Dieser Lektürekurs kann nur gelingen, wenn die zwei diametral verschiedenen Herangehensweisen heutiger Linker auf die gegenseitige Unterstellung unbewusst-antisemitischer Motive vorab verzichten und die »Verdachtspannung«, es könnte »also doch« so sein, bewusst aushalten, solange bis die historisierende und theoretische Prüfung (Kritik) des Textes eine gemeinsame Urteilsfindung erarbeitet hat. Wie in einem forensischen Prozess stehen der Marxschen Aussage hier Ankläger und Verteidiger gegenüber:

Die anklagende Position führt an, dass jegliche Verknüpfung von »Geld« (Herrschaft des Geldes, Kapital & Staat als abstrakte Gesellschaftlichkeit, bürgerliche Gesellschaft, Bürger als »Geldmensch« etc.) mit »Judentum« per se schon zumindest latenter, virtueller, »struktureller« Antisemitismus sei und dass jegliche Rede von solcher Verknüpfung, wenn sie diese nicht von vornherein als judenfeindlich denunziert, dem modernen Judenhass nur Vorschub leisten könne; ein solches bewusstes oder unbewusstes Bedienen der Phantasmata vom »Juden« sei mithin selber Teil des Problems, nicht Teil seiner Lösung. Die AnklägerInnen greifen somit auch alle »linke«, »revolutionär« motivierte Judophobie an als bloße diskursive »Konstruktion«, die schlechthin antisemitisch sei, es gelte sie ebendeshalb diskursiv kompromisslos zu de(kon)struieren anstatt sich überhaupt »darauf einzulassen«.

Die verteidigende Position begreift sich demgegenüber als »Angriff aus der Defensive heraus«, indem sie die historisch-materialistische Methode gegen den Antisemitismus scharf zu machen beansprucht, wenn sie geltend macht: erst eine rückführende Analyse der falschen Verknüpfung der Bilder und Projektionsfiguren vom »Geldmenschen« usw. und »dem Juden« im verkehrten, fetischistischen Alltagsbewusstsein einerseits mit dem wirklich-empirischen Geldmenschentum (aller »Bürger«) und den wirklich-historisch-empirischen jüdischen Menschen, ihrer Tradition und Kultur andererseits, auf die modernen Produktionsverhältnisse, deren Genese und ihre undurchschauten wirklichen Widersprüche könne den antisemitischen Wahn an der Wurzel zerstören; während alles Hängenbleiben in den Bildern und Phantasmata diese nicht wirklich auflösen, sondern nur moralisierend kritisieren bzw. »philosemitisch« abwehren, vorübergehend »umstülpen« könne.

Die Realangst der AnklägerInnen besteht darin, der mörderischen Alltagsreligion den Dienst zu erweisen, sich überhaupt auf ihre wahnhaften Konstruktionen einzulassen, ihre Stereotypen dadurch überhaupt »zuzulassen«, diskursiv zu »akzeptieren«, weiter zu kolportieren, sie auf »links, antikapitalistisch, antibürgerlich« womöglich noch selber zu transportieren — in einem Wort: zu »rehabilitieren«.

Die Realangst der VerteidigerInnen (des Marxschen Ansatzes) besteht darin, den Antisemitismus nicht wirklich radikal-materialistisch aushebeln zu können, stattdessen in einem bloßen idealistischen »Philosemitismus« steckenzubleiben (der bekanntlich irgendwann wieder in offenen Judenhass umschlagen kann); ja letzten Endes auch noch jegliche revolutionäre Kritik am Bürgertum, Geld, Kapital, Staat, Recht usw. als schlechthin »antijüdisches Ressentiment«, »antizivilgesellschaftliche Barbarei« usw. diskriminiert und tendenziell ganz unmöglich gemacht zu sehen.

Als gemeinsame Leitfrage für eine solche kontroverse aber ergiebige Urteilsfindung wäre an den Marx-Text heranzutragen (in Abwandlung von Kant): Es gibt Antisemitismus — Wie ist er möglich ?
(MEW 1:347-377. Texte sowie eine kurze Exzerptfassung in der Broschüre »Zum Problemkreis des Antisemitismus« werden in der Studienbibliothek / theorie praxis lokal bereitgestellt.)

 

voriger Abschnittzum SeitenanfangnaechsterAbschnitt

 

Vortrag am Mittwoch, 11.6.2003 um 19.30 Uhr

Der Terror der Normalität

Zum Untergang des (Anti-)Ödipus. Vortrag von Peter Christoph

Diese Darstellung versucht den Faden wiederaufzunehmen, den die Sozialistische StudienVereinigung in 2000 und 2001 mit dem Vortrag zu dem marxistischen PsychoanalytikerInnen-Kreis um O.Fenichel (1934-46) und den Lektürekursen zur »Freudschen Linken« geknüpft hatte: mit dem Ziel einer längerfristigen Wieder(?)aneignung der vielversprechenden aber verschütteten Ansätze zu einer wissenschaftlich-kommunistischen Rettung des revolutionären Kerns der Psychoanalyse für eine Subjekttheorie, die als »Kritik der libidinösen Ökonomie«, ohne Gesellschaftliches und Politisches zu psychologisieren, der »Kritik der politischen Ökonomie« zuarbeiten könnte.

Mit unserer Veranstaltung »Trendy Transgender« (Winter 2000) wurde die Frage der Möglichkeit einer Geschlechter-Aufhebung - und so auch des »Ödipus«-Modells als konstitutiv, relevant oder nicht - vom Blickwinkel aktueller gesellschaftlicher Strömungen aufgeworfen ~ d.h. letztlich die Frage: sind die Geschlechter biologisch festgelegt oder gesellschaftlich konstruiert? Eine Scheinfrage? Definitions(macht)frage, was unter »Geschlecht« verstanden werden soll? Die Kontroverse könnte kaum heftiger sein: seit Foucault, Deleuze und Judith Butler e.a. sieht sich der progressiv-subversive Ansatz der linken Psychoanalyse selbst als geschlechterrollen-stabilisierendes, biologistisch-pathologisierendes Machtdispositiv, als von jeher nur besonders übles Herrschaftswissen in der Wurzel denunziert.

Jene Nietzscheaner indessen, selbst von S.Freud, W.Reich, J.Lacan und negativ-fixiert von der »marxistischen« Linken geprägt, haben sich ihrerseits als akademische IdeologInnen der Anpassung blamiert: lieferten sie doch nolens volens die neuen Normen der Selbstzurichtung der Subjekte (die es als solche garnicht mehr geben dürfte) an die postmodernisierten Erfordernisse des Turbo-Trallalla, flexibelster »environmentaler Vernetzung« in der Selbstausbeutung der ichmanagerialen teams, Standards der repressiven Entnormativisierung von queerness bis gender-hopping als Konkurrenz in der Arbeit an den lifestyles, wie sie verschiedene DekonstruktivistInnen, die »konformistischen Nonkonformisten« (Lukács) des ausgehenden 20.Jahrhunderts, radikal sich anzukonstruieren postuliert haben... Offensichtlich haben beide Lager gegeneinander mit ihren Anpassungsvorwürfen nur allzu recht; es fällt nur auf, dass sie sich in der Relativierung bzw. abstrakten Negierung des »Ödipus«-Modells fast einig geworden sind.

Gegen diese herrschende Konvergenz soll hier die »Ödipus«-Geschichte in ihrer gern vergessenen, wenn man so will: verdrängten Tragweite für die bürgerliche »Normalität« ausgegraben, in ihren vieldeutigen Folgen gesichtet und »jetzt erst recht« scharfgemacht werden. Zentrale These kann für historische MaterialistInnen nur sein: Er ist NICHT universal, der Ödipus-Komplex, wiewohl er die libidinöse Ökonomie der Bürger als Geschlechter- und Generationenrollenträger in der Kerngestalt (Familie: VaterMutterKind) nur um so pathogenisierender konstituiert, je zäher, panischer sich seine Subjekte/Objekte seinem unaufhaltsamen Untergang entgegensträuben. »Ordentlich« muss er untergehen, der Ödipus!

These: Besonders tragisch wirkt sich diese Abwehr für diejenigen BürgerInnen aus, die kein Eigentum, keine Ware hüten können als ihre Arbeitskraft, und die sich gegeneinander tagtäglich in immer blendenderem Rollenspiel meistbietend verkaufen müssen in der allseitigen Konkurrenz ...
Kein » Anti-Ödipus« kommt am Ödipuskonflikt vorbei, und kein (De-)Konstruktivismus schafft die daraus hervorgehende sexes/gender-Spannung aus der Welt, die in der »ewigen« Kind-Elter-Basis als gesellschaftliches Naturverhältnis scheinbar unabänderlich wurzelt und entspringt. Diese augenscheinliche fatalistische »Wiederkehr des Immergleichen« von Familialismus und vErwachsenwerden prägt sämtliche Formen der herrschenden Normalität: die Norm des bürgerlichen ›pursuit of happiness‹ erweist sich den zu individuierenden Subjekten jeweils als persönlichster Triebschicksals-Terror der Akkomodation ans herrschende Wertesystem - der wie ein Virus weitergegeben wird.

Zugleich erleben wir global, wie von der »ewig«-naturwüchsigen Familienform und Geschlechterrollenteilung im Turbo-Kapitalismus kaum noch etwas übrigbleibt: Je heftiger sich die Subjekte/Objekte des Monopols »Kapital/Staat/Patriarchat/HöchstesWesen« gegen dessen eigene Selbstzerstörung sträuben, weil ihre persönlichste Identität mithineingerissen ist, und am »ordentlichen Untergang des Ödipuskomplexes« (S.Freud) als Norm - positiv oder negativ-fixiert - sich festklammern, um so terroristischer, kastratorischer fügen sie dem gesellschaftlichen Ende-mit-Schrecken nurmehr den individualistischen Schrecken-ohne-Ende hinzu ... Inmitten der unaufhaltsamen Auflösung der verbürg(erlich)ten Identitäten in ›role models‹ feiern BARBIE & KEN grausig regressive Urständ. Längst ist auch das ironisch-parodistische gendering-Spiel der Subversion ins pop-linke Pastiche karrieristischer Rollenkonkurrenz umgeschlagen. Was einst als »Anti-Ödipus« die Umkehrung der Identität von Kapitalismus und Schizophrenie in das Nichtidentische schlechthin proklamierte, dem »ödipalen paranoischen Apparat« lediglich abstrakt »die Schizo-Wunschmaschine« entgegenstellte, den antidialektischen Deleuze-Blätterteig und das Foucaultsche Credo des repressiv-entsublimierten Nomadentums, hat sich seit nunmehr einem Vierteljahrhundert als nichts weiter denn brauchbarste Zugabe für »das fröhliche Delirium des Kapitalismus« (J.F.Lyotard) herausgestellt.

Wie beide - ödipale und anti-ödipale Situation -  bewusst-gesellschaftlich aufhebbar wären durch Assoziierung zu freien selbstbestimmten Individuen in der heute möglichen weltgesellschaftlichen Produktion und Bedürfnisbefriedigung, wird interdisziplinärer Forschungsgegenstand jenseits der Normativität »seriöser« fachidiotischer, staatlich bezahlter, kapitalistischer Arbeitsteilung werden müssen. Die eigenständige Erforschung beginnt notwendig mit einer grausam-gründlichen Überprüfung der Geschichten über »Ödipus«: der Genesis der Normalität dieses »Helden der westlichen Welt« (H.Kurnitzky), seiner Naturgewalt und Tragödie als mystifiziertes Gesellschaftsindividuum.

 

voriger Abschnittzum Seitenanfang

 

Samstag 14.6.2003, 11°°Uhr

Tagesseminar: Was ist »Imperialismus« ?

Referenten: Klaus Braunwarth (Ulm), Fritz Güde (Achern & Frankfurt), Ansgar Knolle-Grothusen (Hamburg)

Mit dem gegenwärtig wieder viel benutzten Wort »Imperialismus« verbinden sich häufig ebenso konfuse wie verfestigte Vorstellungen. Dem gegenüber ist erst einmal eine begriffliche Klärung erforderlich. Damit ist eine Sichtung und Vertiefung gängiger Imperialismustheorien verbunden, mit der wir schon vor zwei Jahren begonnen hatten. Das schliesst allerdings eigene Versuche einer Neubestimmung von Grund auf ein.

Deshalb geht unsere Annäherung multipolar von der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie aus und nicht vorab von den mehr oder weniger gängigen, eingefahrenen phänomenologischen Beschreibungen des vergangenen Jahrhunderts zwischen Hilferding's »Finanzkapital« und Hardt&Negri's »Empire«:

Zum einen kann der Begriff und die historische Genesis des Kapitals selbst auf seine Entfaltung und innerste Logik hin befragt werden, wie weit hierin selber schon die Züge und Triebkräfte der schrankenlosen Expansion gesetzt sind, die vielleicht gar eines gesonderten Begriffs, ja »Stadiums« des Imperialismus erübrigen, das sich zumal als keineswegs »das höchste / letzte« leider erwiesen hat (K.Braunwarth).

Zum andern ermöglicht die gründliche Überprüfung des Begriffs des Monopols -bei nota bene Marx, nicht erst Lenin- eine frappierende Erkenntnis des wirklichen, treibenden Verhältnisses von totaler Warenproduktion und Konkurrenz, des Marxschen Begreifens vom Charakter des Geldes bis zur Durchschnittsprofitrate. Eine Dialektik von Monopol und Konkurrenz, die nämlich ab Hilferding meist aus dem Blickfeld verschwand, wo dann nur noch von Imperialismus als bloßem Gewaltüberbau gegen »den Kapitalismus der freien Konkurrenz« oder, andersherum, als staatsmonopolistische vermeintliche Vergesellschaftungsreife die Rede war. (A.Knolle-Grothusen)

Damit ist auch die Rolle des Gewaltmonopols (d.h. von Staaten, Staatlichkeit) ins Zentrum gerückt, was die aktuelle Frage der Vermeidlichkeit/Unvermeidlichkeit von Kriegen auf dem Boden dieser Produktionsweise aufwirft, zugleich das Problem eines Subjekts ihrer Abschaffung: Der These von der Unvermeidlichkeit (Lenin, Luxemburg) widersprach im letzten Jahrhundert vor allem Kautsky (»Ultraimperialismus«) und im jetzt ausgebrochenen, im »Empire«, gehen Negri&Hardt von einer Übermacht wie der des Römischen Reiches aus, die alle noch vorhandenen Teilstaaten relativ konfliktlos zusammenfasst und Krieg nur noch als »Polizeigewalteinsätze nach innen« führt. Obsolet scheint so oder so die Gegenstrategie »Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker und unterjochte Nationen, vereinigt euch!« (spät-maoistisch als DreiWeltenTheorie: »Staaten wollen Unabhängigkeit, Nationen wollen Befreiung, Völker wollen Revolution ...«, das Proletariat ging darin gänzlich auf). Alle älteren Vorstellungen gingen von kolonialer oder »halbkolonialer« Unterdrückung aus; auch diese besteht heute kaum noch: Wie lassen sich die Aneignungsformen analysieren, über die das Kapital »des imperialistischen Staates« die auszubeutenden tatsächlich unterwirft? Und welche ominöse Rolle spielt in alledem noch die Konstruktion einer »Arbeiteraristokratie«? (F.Güde)

2013 || theoriepraxislokal.org